„Medeas Kinderen“, ein Gastspiel aus Gent, wurde von Festwochen-Intendant Milo Rau auf die Bühne gebracht: Euripides hat Pause, dafür zeigen sechs sensationelle Kinder Zweifelhaftes.
Unmissverständlich war „Medeas Kinderen“ (flämisch mit Übertiteln) auch als Akt der Rehabilitation des Festwochen-Intendanten zu sehen: Hatte doch der Opernamateur Milo Rau (der mit dem beschämenden „Titus“) das Kommando an den bedeutenden, humanistisch gebildeten Theatermann gleichen Namens weitergegeben. Von der in Gent herausgekommenen „Medea“-Paraphrase durfte man sich also etwas erhoffen, zumal der Ansatz überzeugt: Das Opfer ist nicht die Barbarin Medea, die ihr Land verrät, um dann von den scheinbar Zivilisierten gehetzt zu werden. Opfer sind die von ihr ermordeten Kinder, die keine Alternative hatten.
Also spielen sechs kleine Schauspieler sensationell alle Rollen: gelöst und konzentriert in einem, mit dem intensiven Leuchten, das Kindern auf der Bühne eignet. Leider ist Euripides bloß Lieferant einiger Sätze und Wikipedia-Einlagen. Es geht um den aktuellen Kriminalfall einer Frau, die aus Lebensüberdruss ihre fünf Kinder getötet hat.
Diese fünf Morde werden 15 Minuten lang in allen Details nachgespielt. Angst in Kinderaugen, endloses Ersticken, farbenfrohes Ausbluten, alles auf die große Leinwand übertragen, ohne dass der Sinn dieser Ausführlichkeit offenbar würde. Denn zum Finale lamentiert doch wieder die Mörderin über ihr herbes Schicksal. So ist die Aufführung zwar dramaturgisch und handwerklich toll, aber auch spekulativ und voyeuristisch. Im Grund unrezensierbar.
Der Blick auf das bisherige Festwochengeschehen verrät insgesamt Zweifelhaftes. Kaum ein verfeinerter, differenzierter Ton war da zu hören. Eso-Schwulst zwischen blutigen Stierhälften, eine für hiesige Verhältnisse unmotivierte homosexuelle Orgie in Viertelstundenlänge, Feuersbrünste mit Hammondorgel (bei Serebrennikow), der niederkartätschte Mozart-„Titus“, die mit Gewalt importierte Antisemitismusdebatte: Möglicherweise ist das Zufall, dennoch entsteht der Eindruck, hier gehe es wesentlich um Aufmerksamkeit durch Krawall.
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