Rund 60.000 Fans fanden sich am Samstag beim „Racino Rocks“ mit Metallica in Ebreichsdorf ein. Das Metal-Highlight des Jahres begann überraschend geordnet, überzeugte mit einer starken Vorstellung und versank spät doch im Chaos. Doch der Boden für zukünftige Events ist bereitet.
Das erste große Konzerthighlight dieses Sommers war jenes, mit dem größten Fragezeichen. 16 Jahre nach einem organisatorisch weithin misslungenen Versuch im Racino Ebreichsdorf ein Konzert zu veranstalten (Bon Jovi), wurde wieder ein Comeback mit komplett neuer Konzeptionierung gewagt. Das „Racino Rocks“ brachte die Thrash-Metal-Heroen Metallica nach fünfjähriger Pause zurück ins Land und so mancher fürchtete ob vergangener Erfahrungen die Umsetzung des Events. Durch die gute Aufteilung auf öffentliche Verkehrsmittel und Züge bzw. Shuttle-Busse bliebt das Anreisechaos weitgehend aus. Glück hatte man auch mit dem Wettergott. Nach zwei Tagen voller Regen öffneten sich die Wolken zum Einlass und die Sonne lachte über das Gelände. Der Gummistiefelalarm blieb aus, weil der Boden halbwegs trocknete und Rindenmulch an prekären Stellen für einen stabilen Untergrund sorgte.
Kein Platz für feine Klingen
So finden sich schon bei den beiden Vorbands Ice Nine Kills und Five Finger Death Punch eine amtliche Zahl an Konzertbesuchern ein. Erstere gehen im feinen Zwirn auf die Bühne und zelebrieren ihren Metalcore mit viel Motivation, aber ohne große Höhepunkte. Die aus diversen Gründen umstrittenen Five Finger Death Punch sind nach zahlreichen Festivalauftritten und Hallenkonzerten schon Live-Veteranen auf österreichischem Boden. Ivan Moody und Co. beschwören in der Abendsonne und unter bedrohlichen Gewitterwolken die gemeinschaftlichen Kräfte der „Metal-Familie“, schnappen sich Handys von Zuschauern, um sich damit selbst zu filmen und ballern kompromisslos und stumpf durch die Klangbotanik. Die feine Klinge sucht man beim Kollektiv aus Las Vegas vergeblich. Geht es doch einmal vom Gaspedal runter, sägt die dünne Stimme des Frontmanns nervig über das Gelände. Der Sound wird des Öfteren vom Wind verschoben und wirkt stellenweise dünn und krachend - aber wir wissen: Open Air ist kein Hallenkonzert.
Bei den Headlinern Metallica gibt es am Klang auch immer wieder was zu bemängeln, aber der Gesamtsound wird deutlich druckvoller und austarierter. Mit 20-minütiger Verspätung betreten James Hetfield und Co. die Bühne, als Intros ertönten AC/DCs „It’s A Long Way To The Top (If You Wanna Rock’n’Roll)“ und Ennio Morricones Kultstück „Ecstasy Of Gold“. Eine Vielzahl an LED-Videowänden befindet sich in der Bühnenmitte und auf den Seiten, die euphorischen Hardcore-Fans haben ihren besonderen Platz im „Snakepit“. Während die Kalifornier für gewöhnlich zweimal pro Stadt in Fußballstadien auf einer Rundbühne spielen, müssen sie in Ebreichsdorf mit einem normalen Setting zurande kommen. Wobei Ebreichsdorf nicht gleich Ebreichsdorf ist – zumindest nicht für Metallica. Die Band bewarb den Gig im Vorfeld auf allen Plakaten und Social-Media-Postings stets mit „Vienna“ und dort fühlt sich Hetfield auch während des Konzerts verortet. Immer wieder skandiert er bei der Interaktion mit dem Publikum die Hauptstadt, was so manchen Ortskundigen zu „Oida, wir san in Ebreichsdorf“-Schreien veranlasst.
Der Himmel bleibt versöhnlich
Bei sinkender Sonne und unter einem bedrohlichen Wolkenteppich starten Metallica fulminant mit einem Old-School-Set in den Abend. „Whiplash“, „Creeping Death“ und „For Whom The Bell Tolls“ drehen die Stimmung schlagartig in die Höhe, erste Feuersalven fahren in den Himmel und die sieben Euro teuren Biere (ohne Pfandeinsatz) fliegen durch die Golden-Circle-Bereiche. Beim Klassiker „Enter Sandman“ sorgt ein Feuerwerk für Jubel, bevor die Band sich zunehmend auf neues Songmaterial des aktuellen Albums „72 Seasons“ konzentriert. Bassist Rob Trujillo und Boss James Hetfield jammen gerne zusammen an der Bühnenfront, während Drummer Lars Ulrich bemüht, aber nicht immer im Takt in die Felle drischt. Bei „Whiplash“ hackt er schon zu Beginn grob daneben, mit Fortdauer des Abends wird das Timing aber zunehmend besser und die Unkenrufer können sich beruhigen. Während die Hit-Schmiede aus ihrem mehr als 40-jährigen Oeuvre fasst, bleibt das Wetter versöhnlich und der immer wieder drohende Regen zieht vorbei.
Das Gewitter kommt nur aus den Bass- und Gitarrensaiten, die knapp vor Konzerthalbzeit dann auch österreichisches Lokalkolorit versprühen. Hammett und Trujillo setzen zu ihrer traditionellen Jam-Session an und verwursten dieses Mal den Falco-Hit „Der Kommissar“. Es ist eine liebgewordene Tradition der Band, dass sie einen landesüblichen Hit in die Setlist einbaut. Beim letzten Wien-Gig 2019 sang Trujillo noch sympathisch-schief „Schifoan“ von Wolfgang Ambros – dieses Mal beließ man es bei einem humorigen Instrumental. Danach greift man wieder tief in die Hit-Schublade. Das rare Instrumental „Orion“ bringt vor allem langjährige Hardcore-Fans zum Ausrasten, „Sad But True“ und das unvermeidliche „Nothing Else Matters“ überzeugt dafür die Massen. Bei „Seek And Destroy“, dem fulminanten „One“ und einem herzhaften „Master Of Puppets“ feuern Metallica am Ende noch einmal aus allen Rohren, auf eine Zugabe wird bei der knapp zweistündigen Show aber leider verzichtet.
Zukunftsboden ist bereitet
Neben all der gelungenen Punkte griff das Konzept der Veranstalter beim „Racino Rocks“ aber in manchen Bereichen noch daneben. Die Toilettensituation auf dem Gelände war für die Besuchermenge unzureichend, zudem waren die Wartezeiten an den Bierständen bis zu einer Stunde lang, was die dürstenden Metalheads nicht unbedingt zu Freudensprüngen hinriss. Chaotischer verlief dann – wie von vielen erwartet – die Abreise. Rund 60.000 Fans wollten trotz des Angebots eines Partyzeltes gleichzeitig vom Gelände und saßen zuerst stehend bei den Ausgängen und dann sitzend in ihren Autos fest. Das Koordinierungssystem hat für eine ausgedehnte Anreise ganz gut funktioniert, bei einem gleichzeitigen Abmarsch mit überfüllten Shuttle-Bussen und einem schmalen Landstraßen-System für PKW stieß man mit dem Erstkonzept schnell an die Grenzen. Der Boden für eine Konzertzukunft ist aber bereitet. Ob Ebreichsdorf oder Vienna – Hauptsache Heavy Metal!
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