Opulenz bei Mercedes hat sich einst an massig Chrom und fetten Heckflossen gezeigt. Chrom und Kanten gab es dann auch später noch, zumindest Konturen waren bis vor nicht allzu langer Zeit in Stuttgart gefragt. Diese Zeiten sind vorbei, an den aktuellen Elektromodellen wie dem EQE SUV gleitet das Auge regelrecht ab. Klar, der Wind auch (cW 0,25), und damit haben sie beim Daimler schon wieder etwas richtig gemacht. Wie so vieles andere auch.
Ganz ehrlich: Viel kann man nicht falsch machen, wenn man sich den Mercedes EQE SUV kauft. Außer er gefällt dem Nachbarn nicht (das kann passieren) oder man hat sich finanziell übernommen (das ist sogar noch leichter möglich) oder man vergreift sich bei der Innenraumausstattung – wie das hier beim Testwagen der Fall ist. Wer seine Schuhe vor dem Einsteigen in der Regel nicht vor der Tür abstellt, möge darauf verzichten, weißen Teppich zu bestellen. Ebenso, wenn man vorhat, den Kofferraum zu benutzen. Das kriegst du im Leben nicht mehr sauber und verdirbt einem jeden Tag, den man mit dem Auto verbringt.
Dabei war der Wagen bei Auslieferung sicher wunderschön, vor allem innen deutlich opulenter und eleganter als von außen betrachtet. Man kann sich an das Tardis erinnert fühlen (wenn man „Doctor Who“ kennt). Auch wenn der EQE natürlich innen nicht größer ist als außen. Allein dieses herrliche offenporige Holzpaneel mit den intarsierten Mini-Mercedessternen! Eleganter als jeder Hyperscreen (optional erhältlich). So wird das Armaturenbrett beinahe zu einem Altar für die Erfinder des Automobils.
Schade, dass sie den guten Eindruck mit beim Draufklopfen klapprig klingendem Klavierlackplastik einen Kontrapunkt setzen. Aber die Mittelkonsole ist die einzige Stelle mit misslungener Haptik und Optik (abgesehen von der Teppichfarbe). Mattmetallische Lüftungsdüsen und Tür-Hochtöner, der kokonartige Übergang von den Türen zum Armaturenbrett, die (leider generell zu helle) Ambientebeleuchtung, ja, das fühlt sich alles solide nach Mercedes an. Wobei die A-Säulen gerne weniger solide wirken dürften – sie schränken über Gebühr die Sicht ein.
Das Tachodisplay wirkt dagegen ein wenig wie ein nachträglich platzierter Fremdkörper, aber das muss man bei Mercedes in Kauf nehmen, wenn man keinen Hyperscreen hat. So wie auch die Touchelemente am Multifunktionslenkrad, die zwar gut aussehen, aber ein Horror sind, was die Bedienung betrifft. Große Bitte nach Stuttgart: Schaut mal in eurer jüngeren Geschichte nach, wie ihr das vor gar nicht allzu langer Zeit mit Tasten gelöst habt. Und probiert aus, was besser bedienbar ist. Danke.
Die übrige Fahrzeugbedienung ist deutlich gelungener, die Menüführung nach etwas Eingewöhnungszeit logisch. Zu den besten gehört die Routenplanung mit automatisch integrierten Ladestopps. Man kann vorwählen, mit welchem Ladestand man an einem geplanten Ladestopp (maximal 25 Prozent) oder am Ziel (maximal 50 Prozent) ankommen möchte.
100 Prozent bedeuten 90,6 Kilowattstunden nutzbaren Energieinhalt, von dem wir im Durchschnitt 26,8 kWh pro 100 Kilometer abgesaugt haben. Dabei war der Autobahnanteil relativ hoch; der Normverbrauch liegt bei 22,4 kWh/100 km. Auf langen Strecken wird man also spätestens nach 300 Kilometern anstecken.
Die maximale DC-Ladeleistung beträgt 170 kW, das Füllen von 10 auf 80 Prozent soll in 32 Minuten möglich sein. Wechselstrom saugt der EQE serienmäßig mit bis zu 11 kW, optional sind 22 kW.
Gleiten und wedeln
Der Mercedes-EQ EQE 350 4MATIC SUV – so heißt der Testwagen mit vollem Namen - ist ein schneller Gleiter. Der E-Motor schiebt die 2,6 Tonnen Leergewicht (laut Zulassung) mit 215 kW/292 PS und 765 Nm kräftig vorwärts, 6,6 Sekunden werden für den Standardsprint angegeben. Als Höchsttempo 210 km/h. Das klingt sportlich, aber Sportlichkeit ist keine wesentliche Eigenschaft dieses Autos. Mit der optionalen Hinterachslenkung (bis 10 Grad Lenkwinkel!) geht es zwar recht zackig ums Eck, der Charakter ist aber eher schwerfällig und das leicht eckige Einlenken irritiert eher und passt nicht so ganz zu diesem Charakter. Trotzdem ist es gut, sie zu haben, zumal der Wendekreis deutlich schrumpft: von 12,3 auf gerade mal 10,5 Meter! Ein beachtlicher Wert für 4,86 Meter Länge und 3,03 Meter Radstand. Und immer wieder schön, wenn man auf engstem Raum problemlos „herumkommt“.
Das gerade beschriebene „Schwerfällige“ kann man auch sehr positiv sehen, denn der solide Komfort des optionalen Luftfahrwerks hat was Beruhigendes und trägt während der Fahrt zur Entspannung bei. In Maßen lässt sich der Charakter über die Fahrmodi adaptieren, aber im Grunde will man das Fahrwerk genau so, wenn man sich einen Mercedes dieses Formats bestellt. Angesichts der überfallartig abrufbaren Motorleistung wäre aber ein etwas weniger ausgeprägtes Gefühl des Entkoppeltseins wünschenswert. Vor allem bei Nässe, wo bei einem beherzten Ausscheren gerne das Heck zum Überholen ansetzt.
Die Bremse kann mit dem insgesamt harmonischen Fahreindruck nicht ganz mithalten. Das Pedalgefühl ist unangenehm, außerdem verlangt die Bremse nach einem festen Druck und beim Anhalten lässt sie oft kurz aus, statt bis zum Stillstand berechenbar aktiv zu bleiben. Manchmal kommt ein Zittern im Bremspedal dazu. Lästig ist auch die Oberfläche des Pedals: Je nach Schuhsohle kann man an den Noppen hängen bleiben, wenn man mit dem Fuß aufs Fahrpedal wechselt.
Die Preise
Der Basispreis für den Mercedes EQE SUV beträgt 79.900 Euro für den heckgetriebenen EQE 300 mit 245 PS. Der hier beschriebene EQE 350 4matic fängt bei 86.000 Euro an, der Testwagenpreis summiert sich mit Extras auf 126.000 Euro. Die Preisliste reicht bis gut 130.000 Euro für das 625 PS starke Topmodell EQE 53 SUV. Und auch hier kann man den Gegenwert eines weiteren Autos in Extras investieren.
Fahrzit
Groß, unauffällig und viel Auto für noch mehr Geld – das ist der Mercedes EQE SUV. Solide, komfortabel und modern ist er. Aber auf das Bremsgefühl sollte man bei einer Probefahrt achten. Ebenso darauf, ob man mit der Bedienung der Touchelemente auf dem Multifunktionslenkrad wirklich angenehm zurechtkommt. Aber das Wichtigste ist: kein weißer Teppich!
Warum?
Sehr komfortabel
Gutes Bediensystem
Warum nicht?
Mäßiges Bremsgefühl
Oder vielleicht ...
... BMW iX, Audi Q8 e-tron, Volvo EX90
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