Republik trauert

Erste Kanzlerin Bierlein überraschend verstorben

Politik
03.06.2024 15:33

Die erste österreichische Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein ist am Montag überraschend gestorben – genau fünf Jahre nach ihrer Angelobung. Nach Informationen der „Krone“ erlag die ehemalige Präsident des VfGH einer kurzen schweren Krankheit. Bierlein wurde 74 Jahre alt. Die Republik Österreich trauert über Parteigrenzen hinweg.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) würdigte Bierlein in einem Posting auf X. Sie habe „in einer schwierigen Zeit Verantwortung übernommen, aus Liebe zur Republik und ihrer Heimat Österreich“, schrieb Nehammer. Österreich sei ihr daher zu großem Dank verpflichtet.

„Leuchtendes Beispiel für Selbstbestimmung“
Kommenden Generationen werde Bierlein „leuchtendes Beispiel für Selbstbestimmung, Gleichberechtigung und Durchbruch gläserner Decken bleiben“, erklärte der Kanzler weiter, der sich von ihrem viel zu frühen Tod erschüttert zeigte. Die Republik trauere um eine profilierte Juristin, pflichtbewusste Staatsdienerin und eine große Österreicherin.

Vor fünf Jahren zur Kanzlerin angelobt
Bierlein war am 3. Juni 2019 – genau heute vor fünf Jahren – nach dem Ibiza-Skandal und dem Zerbrechen der türkis-blauen Koalition unter Sebastian Kurz von Bundespräsident Alexander Van der Bellen zur ersten Frau an der Spitze der österreichischen Bundesregierung ernannt worden. Bierlein führte Österreich nach den Ibiza-Wirren ohne großen Aufhebens in Neuwahlen. Danach beendete sie ihre öffentliche Karriere.

Brigitte Bierlein war von Juni 2019 bis Jänner 2020 Österreichs Bundeskanzlerin. (Bild: APA/HANS KLAUS TECHT)
Brigitte Bierlein war von Juni 2019 bis Jänner 2020 Österreichs Bundeskanzlerin.

Tief betroffen von Bierleins Tod zeigte sich auch der Bundespräsident. Sie habe der Republik in vielen Funktionen „treu gedient, als Hüterin unserer Verfassung und auch als erste Bundeskanzlerin“, schrieb er auf X. Van der Bellen würdigte Bierlein auch als „mutige, disziplinierte Frau“. Sie habe Verantwortung übernommen, als ihr Land sie gebraucht habe. „Sie wird für viele Mädchen und Frauen, für uns alle, auch in Zukunft als Vorbild wirken“, schloss Van der Bellen.

Viel Dank für Bierleins Wirken
Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler zeigte sich „dankbar, dass ich mit ihr gerade in schwierigen Zeiten immer wieder einen tiefergehenden und erkenntnisgewinnenden Austausch führen durfte.“ Kogler würdigte auf X auch, dass Bierlein sich als Aufsichtsratsvorsitzende der Bundestheater-Holding maßgeblich für Österreichs Kutlur eingesetzt habe. Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) schrieb auf X, dass Bierlein „in einer turbulenten Zeit mit ruhiger Hand für Stabilität in Österreich gesorgt“ habe. Für ihr Wirken gebühre ihr „unser aller Dank“.

„Gewisser Ehrgeiz“
Bierlein gilt hierzulande als „Pionierin“. Nicht nur war sie erste Regierungschefin, auch am VfGH war die Wienerin die erste Frau, die es ganz an die Spitze schaffte. Sie selbst attestierte sich dereinst einen „gewissen Ehrgeiz“. Von Februar 2018 bis zu ihrer Angelobung war die Karriere-Juristin, die ihr Juststudium innerhalb von nur vier Jahren absolvierte, Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs (VfGH), davor war sie von 2003 bis 2018 Generalanwältin bei der Generalprokuratur.

Entschlossene Verfechterin des Rechtsstaats
Von VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter hieß es, der Gerichtshofs verliere eine unparteiliche ehemalige Präsidentin und einen hochgeschätzten Menschen, Österreich eine entschlossene Verfechterin des Rechtsstaats. 

SPÖ-Chef Andreas Babler betonte, Österreich verliere mit Bierlein eine engagierte Juristin und hoch angesehene Persönlichkeit, die in einer der schwersten Krisen der Zweiten Republik nach dem jähen Ende der schwarz-blauen Bundesregierung nicht gezögert habe, Verantwortung zu übernehmen. FPÖ-Chef Herbert Kickl würdigte sie als „großartige Persönlichkeit, Juristin und Politikerin“. NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger sprach von einem „traurigen Tag für Österreich“ und nannte Bierlein als erste Bundeskanzlerin „ein Vorbild für viele“.

In der Justiz war Bierlein nicht nur mit ihrer fachlichen Qualifikation, sondern auch mit resolut-selbstbewusstem Auftreten und schnörkellos-geraden Ansagen aufgefallen. 1977 von den Richtern zu den Staatsanwälten gewechselt, engagierte sie sich in der Vereinigung Österreichischer Staatsanwälte – und wurde dort 2001 zur Präsidentin gewählt. Auf diese Funktion musste sie mit dem Eintritt in den VfGH verzichten.

Für Familie blieb der Wienerin keine Zeit, sie hätte es sich nicht vorstellen können, Job und Kinder unter einen Hut zu bringen, sagte Bierlein in Interviews. Ihr langjähriger Lebensgefährte, der Richter Ernest Maurer, verstarb 2021.

Kulturbegeisterte Juristin
In ihrer Freizeit besuchte Bierlein gerne Vernissagen und Ausstellungen, sowie – wenn es die Zeit zuließ – Oper und Theater. Auch sammelte sie Kunst. Einst hatte die Tochter eines Beamten und einer Künstliern sogar selbst überlegt sich an der Kunstakademie einzuschreiben, ehe dann gemäß dem Rat der Mutter doch das Interesse am Recht Vorrang gewann.

„Krone“-Cover vor fast genau fünf Jahren (Bild: Krone KREATIV/Kronen Zeitung)
„Krone“-Cover vor fast genau fünf Jahren

Nur am Rande mit Kultur zu tun hatte, dass sie zur Leiterin der Sonderkommission zum Skandal in der Wiener Ballett-Akademie bestellt wurde. Bierlein war auch in der Unabhängigen Opferschutzkommission gegen Missbrauch und Gewalt aktiv sowie Vorsitzende des Kuratoriums der Stiftung Forum Verfassung.

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