Die erste österreichische Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein ist am Montag verstorben.Quer durch alle Parteien zeigen sich die Spitzenpolitiker tief betroffen. Auch ihr Kanzlervorgänger und -nachfolger Sebastian Kurz (ÖVP) meldete sich zu Wort. Die österreichische Flagge auf dem Dach des Kanzleramtes wurde inzwischen auf halbmast gesetzt.
Bierlein habe in einer turbulenten Zeit mit ruhiger Hand für Stabilität in Österreich gesorgt und davor über viele Jahre die Arbeit des VfGH geprägt, schrieb Kurz auf X.
Bierleins damaliger Vizekanzler und Justizminister Clemens Jabloner bezeichnete ihren Tod in der „ZiB 2“ als „sehr großen Verlust“. Die Nachricht habe ihn „erschüttert“.
„Fachliche Autorität ausgestrahlt“
Bierlein habe über „außerordentliches fachliches Talent“, aber auch über die „erforderlichen sozialen Fähigkeiten“ verfügt, so Jabloner: „Sie hat in idealer Weise die fachlichen und sozialen Fähigkeiten verbinden können.“ Auch als Regierungschefin habe sie eine fachliche Autorität ausgestrahlt, zugleich sei sie ein überaus freundlicher Mensch gewesen.
„Hüterin unserer Verfassung“
Bundespräsident Alexander Van der Bellen zeigte sich tief betroffen von Bierleins Tod. „Sie hat in vielen Funktionen der Republik treu gedient. Als Hüterin unserer Verfassung und auch als erste Bundeskanzlerin“, betonte er: „Ich habe Brigitte Bierlein als mutige, disziplinierte Frau kennengelernt, die Verantwortung übernommen hat, als ihr Land sie gebraucht hat. Sie wird für viele Mädchen und Frauen, für uns alle, auch in Zukunft als Vorbild wirken.“
„Herausragende Persönlichkeit“
Auch Bundeskanzler Nehammer gab seiner Erschütterung Ausdruck. Mit Bierlein verliere Österreich eine herausragende Persönlichkeit und Vorreiterin, die die Republik für Generationen entscheidend geprägt habe: „Sie hat in einer schwierigen Zeit nicht gezögert, Verantwortung zu übernehmen, um der Republik und den Menschen in unserem Land zu dienen.“ Die österreichische Flagge auf dem Dach des Bundeskanzleramtes wurde auf halbmast gesetzt.
Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler bezeichnete die Verstorbene als Pionierin in vielerlei Hinsicht: „Mit Kompetenz und Sachlichkeit hat sie ihr Amt in einer politisch unruhigen Phase verantwortungsvoll geführt.“ Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), aktuell Vorsitzende der Landeshauptleute-Konferenz, nannte Bierlein eine „große und beeindruckende Persönlichkeit“. Auch weitere Landeshauptmänner kondolierten.
„Hoch angesehene Persönlichkeit“
SPÖ-Chef Andreas Babler betonte, Österreich verliere mit Bierlein eine engagierte Juristin und hoch angesehene Persönlichkeit, die in einer der schwersten Krisen der Zweiten Republik nach dem jähen Ende der schwarz-blauen Bundesregierung nicht gezögert habe, Verantwortung zu übernehmen.
FPÖ-Chef Herbert Kickl würdigte sie als „großartige Persönlichkeit, Juristin und Politikerin“.
„Vorbild für viele“
NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger sprach von einem „traurigen Tag für Österreich“ und nannte Bierlein als erste Bundeskanzlerin „ein Vorbild für viele“.
Kurze schwere Erkrankung
Wie der Verfassungsgerichtshof, dem Bierlein rund 16 Jahre angehörte, mitteilte, erlag die erste Kanzlerin Österreichs kurz vor ihrem 75. Geburtstag einer kurzen schweren Erkrankung.
Karriere-Juristin
Die Karriere-Juristin war nach ihrer Funktion als Generalanwältin bei der Generalprokuratur von 2003 bis 2018 Vizepräsidentin des VfGH und von Februar 2018 bis zu ihrer Ernennung zur Bundeskanzlerin heute vor genau fünf Jahren (am 3. Juni 2019) Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes. Im Auftrag von Bundespräsident Alexander Van der Bellen führte sie Österreich nach den Wirren des Ibiza-Skandals ohne großen Aufhebens in Neuwahlen. Danach beendete sie quasi ihre öffentliche Karriere.
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