Ewige Jagdgründe

“Assassin’s Creed III”: Grabt das Kriegsbeil aus!

Spiele
10.11.2012 09:42
Kevin Costners "Der mit dem Wolf tanzt" trifft auf Roland Emmerichs "2012", um mit Michael J. Fox "Zurück in die Zukunft" zu reisen – so oder so ähnlich lässt sich Ubisofts "Assassin's Creed III" am besten beschreiben. Denn abermals entspinnt sich die Handlung auf zeitlich unterschiedlichen Ebenen: Der Protagonist Desmond durchlebt in der Gegenwart mithilfe des Animus die genetischen Erinnerungen eines Vorfahren, um die drohende Zukunft zu verändern.

Klingt kompliziert? Ist es auch. Zumal die Geschichte, wohl zur Überraschung vieler, zunächst ganz anders beginnt, nämlich in der Londoner Royal Opera und mit einem bislang unbekannten Gesicht: dem Adeligen Haytham Kenway. In welcher Beziehung er zu dem auf der Verpackung prangenden und in zahlreichen Trailern angepriesenen Hauptcharakter Ratonhnhaké:ton – der Einfachheit halber auch Connor genannt - steht, ist Gegenstand eines mehrstündigen Prologs und sei an dieser Stelle nicht verraten.

Es war einmal...
Diese Vorgeschichte, in der es von London aus über den großen Teich nach Boston, Neu England, zur Zeit der Amerikanischen Revolution Mitte bis Ende des 18. Jahrhunderts geht, dient sowohl der dramaturgischen Heranführung an die eigentliche Haupthandlung als auch der Erläuterung grundlegender Spielmechanismen, wobei es Ubisoft leider nicht immer gelingt, diese gerade Einsteigern eingehend zu erklären. Schade, Zeit genug dafür wäre im Rahmen des Prologs schließlich gewesen.

Die Kritik alter "Assassin's Creed"-Hasen dürfte sich indes an der schieren Länge des "Vorspiels" entzünden. Es dauert schlicht zu lange, bis die Handlung ihre anfangs stark linearen Pfade verlässt und sich die offene Welt mit all ihren spielerischen Freiheiten öffnet. Die Zeit dazwischen wird nebst jeder Menge Zwischensequenzen mit serientypischen Aufgaben wie Bespitzelungen, Verfolgungen und natürlich auch dem einen oder anderen Meuchelmord überbrückt, doch nicht jede Aufgabe weiß gleichermaßen zu begeistern.

Ärgernisse und Bugs
Als Ärgernis erweisen sich vor allem die Schleicheinlagen, bei denen oftmals bereits kleinste Schrittfehler zu einer Entdeckung und dem vorzeitigen Abbruch der Mission führen. Dass ist insofern unverständlich, da sich die KI der Gegner an anderer Stelle als so nachlässig erweist, dass man ungesehen und aufrechten Ganges an ganzen Bataillonen von Rotröcken vorbeispazieren kann. Wann man sich seiner Haut sicher sein kann und wann nicht, bleibt also ein Stück weit auch Glückssache. Mit diesem Problem hatten allerdings die Vorgänger auch schon zu kämpfen.

Eher ungewöhnlich für einen Titel dieses Kalibers ist jedoch die Anhäufung kleinerer und größerer Bugs – von schwebenden Gegenständen über sich in Luft auflösende oder durch Wände hindurch schießende Gegner bis hin zu einem bei vielen Gelegenheiten festhängenden und manövrierunfähigen Reittier, das diese Bezeichnung nur im unverbauten, freien Gelände verdient. Zugegeben: Bei einem Open-World-Game sind derlei Fehler wohl unvermeidlich, so oft zum Vorschein treten wie hier sollten sie allerdings nicht.

Geduld zahlt sich aus
Doch "Assassin's Creed III" stimmt auch wieder versöhnlich: Mit dem Wechsel von Kenway zu Connor und der Öffnung der Spielwelt offenbart der Titel endlich sein volles Potenzial. Die Möglichkeiten sind mannigfaltig und reichen von der Jagd mit Pfeil und Bogen (inklusive anschließender Häutung der Beute) über das Errichten einer Siedlung, um durch den Handel mit Rohstoffen eigene Bedürfnisse zu finanzieren, bis hin zu atemberaubend inszenierten Seeschlachten vor der Ostküste Amerikas, in denen der Spieler – sofern der Wind ihm gnädig ist - virtuell die Segel raffen kann, um mit hoffentlich voller Breitseite auf die feindlichen Schiffe zu feuern. Großartig.

Wem das noch nicht genügt, der kann wie gehabt auf die Suche nach Nebenmissionen, Schätzen und Sammelgegenständen wie den verlorenen Buchseiten Benjamins Franklins gehen oder Erkundungstouren in die unterschiedlichsten Orte (Boston, New York) und das offene Grenzland starten. Hier darf nicht nur der bereits erwähnten Jagd auf Rehe, Wölfe, Bären, Biber und andere Tiere gefrönt werden, sondern auch der neuen und absolut flüssig von der Hand gehenden Fortbewegungsart vom Baumwipfel zu Baumwipfel. Komisch mutet hierbei lediglich an, dass Connor zwar problemlos von Ast zu Ast springt und senkrecht die Wand heraufkraxelt, aber bei schrägen Hängen so seine Probleme hat.

Alles in allem gibt es jedenfalls reichlich zu tun, fast schon zu viel, um ehrlich zu sein. Stellenweise scheint es so, als habe Ubisoft wirklich jeden Einfall ins Spiel packen wollen, dadurch jedoch ein wenig das Wesentliche aus dem Fokus verloren. Letzteres trifft übrigens auch auf die Kamera zu, die den Blick insbesondere in der Hitze des Gefechts ein ums andere Mal versperrt. 

Mit dem Tomahawk gegen die Rotröcke
Die Folgen dessen sind allerdings weniger schlimm als in den Vorgängern. Denn zum einen regeneriert sich die Gesundheit Connors nun automatisch, zum anderen hat Ubisoft das Kampfsystem vereinfacht. Die Herausforderung besteht nun nur noch darin, den richtigen Zeitpunkt des gegnerischen Angriffs abzuwarten, um dann per Knöpfchendruck zu kontern und zum Gegenschlag auszuholen. Hatten Altair oder auch Ezio bei größeren Gegnergruppen noch das Nachsehen, sind so nun selbst Überzahlen relativ problemlos alleine zu bewerkstelligen. Das bringt nicht nur Action ins Spiel, sondern ist dank toller Kampfanimationen auch spektakulär anzusehen.

Sollte die Herausforderung auf der Strecke bleiben, bietet "Assassin's Creed" über optionale Missionsziele weiterhin die Möglichkeit, den Schwierigkeitsgrad anzuheben. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass man während der gesamten Mission unentdeckt bleiben muss, keine Gegner eliminieren darf oder den Boden nicht zu berühren hat, und das alles, wenn möglich, noch innerhalb eines Zeitlimits. So dürften selbst Core-Gamer auf ihre Kosten kommen.

Prächtige Inszenierung
Bereits für Core- wie Casual-Gamer gleichermaßen zufriedenstellend sein dürfte das Setting – hier hat sich Ubisoft einmal mehr selbst übertroffen. Was den virtuell nachgebauten US-Siedlungen an Imposanz gegenüber Vorgängerstädten wie Rom oder Istanbul fehlt, kompensieren die Entwickler durch einen pfiffigen Trick und packen einfach mehr Menschen und Tiere auf die Straßen, die dadurch deutlich lebhafter wirken. Wer die Spracheinstellungen seiner Konsole dann noch auf Englisch stellt, taucht in einen Schmelztiegel unterschiedlichster Sprachen und Kulturen ein.

Das wahre Highlight sind aber nicht die Städte, sondern die Wildnis. Sie unterliegt dem Wandel der Jahreszeiten und erstrahlt daher in ganz unterschiedlicher Pracht. Morgendliche Herbststimmung bei Nebel und unterm bunten Blätterdach oder tief verschneite Landschaften, die viele Geräusche zu verschlucken scheinen und ein schnelles Fortbewegen unmöglich machen – "Assassin's Creed III" geizt bei der Gestaltung seiner offenen Welt nicht mit feinsten Details und nötigt dem Spieler alleine schon dadurch seinen Respekt ab.

Fazit: Lust und Frust liegen bei "Assassin's Creed III" mitunter nahe beieinander. Wären nicht die vielen positiven Aspekte, der Controller würde wohl schnell in der Ecke landen. Bestimmte Eigenheiten des Spiels sind eben auch nach Jahren nicht begreifbar: Warum etwa können selbst untrainierte Wachen bei Verfolgungen über die Dächer problemlos Schritt halten und warum darf man bei der einen Gelegenheit partout nicht vom Feind entdeckt werden, nur um dann Minuten später auf offener Straße ein ganzes Dutzend Rotröcke mit dem Tomahawk in die ewigen Jagdgründe zu schicken? Hinzu kommen kleinere Ärgernisse mit Kamera, Steuerung und Bugs. Auf der anderen Seite muss man anerkennend feststellen, dass wohl kaum ein Spiel so umfangreich und vielseitig ist, mehr Atmosphäre hat und eine derart faszinierend gestaltete offene Welt bietet wie "Assassin's Creed III". Der inzwischen fünfte Teil der Serie mag also nicht perfekt sein, bietet aber ausreichend Möglichkeiten, die vergleichsweise wenigen frustrierenden Erlebnisse an anderer Stelle wieder vergessen zu machen.

Plattform: Xbox 360 (getestet), PS3, PC, Wii U
Publisher: Ubisoft
krone.at-Wertung: 8/10

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