Dies soll kein Vergleich der beiden Boliden werden, aber um den Charakter des M6 deutlich zu machen, braucht es den M5. Der M6 ist der Teurere von den beiden. Um den Preisunterschied bekommt man schon einen nagelneuen 1er BMW. Und vor allem ist er der Elegantere. Im M5 habe ich beinahe ein schlechtes Gewissen, wenn ich den Gasfuß im Zaum halte, wohingegen ich im M6 eher Gewissensbisse bekomme, wenn ich ihn trete. Dabei haben beide gleichermaßen das Zeug dazu, das Kind im Manne, das schon immer Rennfahrer werden wollte, anzusprechen - und so richtig anzurauchen.
BMW M6, der Hai der Straße
Auch der M6 trägt die Insignien der Macht: M6-Zeichen, strahleblau lackierte Bremssättel, ein dreigeteilter unterer Lufteinlass an der Front, eine neue M-Niere mit schwarzen Doppelstäben, weit ausgestellte Radhäuser, M-typische Kiemenelemente mit integrierten Blinkerstäben, Seitenschweller, Heckschürze mit Diffusor zwischen den Auspuff-Doppelendrohren. Dazu ein Dach aus kohlefaserverstärktem Kunststoff. Die Spoilerlippe auf der Kofferraumhaube ist gerade noch dezent genug, um den Edelsporteindruck nicht zu stören, den wiederum die Lackierung in Silverstone Metallic unterstützt (in Mattschwarz kommt der M6 sicher ganz anders). Die Beifahrerin ist nicht ganz so begeistert, auf sie wirkt der BMW wie ein Weißer Hai, er ist ihr zu bullig. Auch bei Haien mag sie Arten lieber, die weniger bullig sind. Aber das nur am Rande.
Einfach ein schönes Coupé, der M6, und technisch mehr als ernstzunehmen. Der Fahrer kann alle wesentlichen Parameter mit den Knöpfen rund um den Schalthebel einzeln einstellen: Lenkung, Motoransprechverhalten, Fahrwerk, Schaltcharakteristik des Doppelkupplungsgetriebes (inkl. Schaltzeiten) und ESP-Regelung, alles in den Abstufungen Comfort bzw. Efficient, Sport und Sport plus. Leider stehen alle Einstellungen wieder auf sanft, wenn man den Motor abstellt. Nicht zuletzt dafür ist es praktisch, dass man sich zwei Setups auf sogenannten M-Tasten am Lenkrad ablegen kann. Die speichern auch mit, ob das Head-up-Display ein farbiges Leuchtband als Drehzahlmesser auf die Scheibe werfen soll.
Möge der Grip mit dir sein
Fühlt sich an wie in einem Flugzeugcockpit kurz vor dem Start: Der Sound erinnert, wenn man sachte fährt, an eine Turbine - bevor dann durch pedal to the metal gedämpftes Brüllen ausgelöst wird. Im M5 geht es lauter zu. Ebenso gedämpft wirkt die ganze Bedienung. Sei es die Lenkung, die Bremsen oder das Gas – alles macht auf mich ein bisschen einen "wie in Watte gepackt"-Eindruck. Man merkt dem schnellen Edelcoupé seine 1,9 Tonnen an, auch wenn es in der Lage ist, in 4,2 Sekunden von 0 auf 100 zu sprinten und gegen Aufpreis 305 km/h läuft. Man merkt ihm auch sein Drehmoment an, schon wenn man versucht, zügig, aber nicht sportlich anzufahren. Es braucht Gefühl für die leise Ansprechverzögerung, damit die Räder nicht durchdrehen.
Vom Verbrauch – oder Sinn & Unsinn des Start-Stopp-Systems
Noch stärker wird der Watte-Eindruck, wenn man die serienmäßige Start-Stopp-Automatik nicht abschaltet. Die braucht nämlich 0,9 Sekunden, bis der Motor wieder läuft, und eine weitere Sekunde, bis er voll beschleunigt. Ihr Zweck ist lediglich, den Normverbrauch unter 10 l/100 km zu drücken; in der Praxis nervt sie. Apropos Verbrauch: 12,7 Liter waren es auf der Verbrauchsstrecke mit allen Knöpfen auf Efficient/Comfort, nicht fad gefahren, aber mit geschlossenem Adrenalinhahn. Dieselbe Strecke, auf dieselbe Art gefahren, aber mit allem auf Superscharf, bringt plus 2,6 Liter. Nach oben sind die Grenzen offen, aber angesichts eines 1,9-Tonners mit 560 PS befinden wir uns absolut im grünen Bereich (wobei grün hier nicht gleichbedeutend mit umweltfreundlich sein kann).
Artgerechte Haltung ist schnell
Watte hin, Gewicht her: Es fährt sich hier absolut präzise, es gibt auch Feedback von der Straße. Alles auf Scharf und das Auto auf die Strecke lässt die Emotionen fliegen. Die Hinterachse ist - anders als beim regulären 6er - fest mit der Karosserie verschraubt, um den Fahrer direkter an Bewegungen des Hecks teilhaben zu lassen. Beim Beschleunigen aus Kurven hilft das Hinterachs-Sperrdifferential und beim sicheren Räubern der M-Drive-Modus. Diese Zwischenstufe zwischen DSC (vulgo ESP) in Vollregelung und DSC off lässt eine Menge Schlupf an den Hinterreifen, ein Heck-Heraushängenlassen und damit Spaß zu, ohne dass man als Nicht-Profi gleich Angst vor einem Einschlag haben muss. Wer alles ausschaltet, sollte ganz genau wissen, was er tut. Es kommt nicht von ungefähr, dass manche Menschen behaupten, beim M6 ginge zuallererst das DSC-Kontrolllämpchen kaputt.
Geschaltet wird hier nicht, wie sonst bei BMW üblich, per Achtgangautomatik, sondern mit dem Siebengang-M-Doppelkupplungsgetriebe (Sechsgang-Handschalter nur in den USA). Dieses verrichtet perfekte Dienste, ob im Automatikmodus oder mit den erschlankten Lenkradpaddles hinter dem neu gestalteten M-Sportlenkrad sequentiell bedient. Rangieren bzw. Einparken auf engstem Raum wird damit allerdings zu einer echten Herausforderung, denn: Nimmt man den Fuß vom Bremspedal, rollt der Wagen nicht los. Das tut er erst, wenn man aufs Gas tippt. Hat man aber nur ein paar Zentimeter Platz, wird's knapp. Man kommt kaum so schnell wieder auf die Bremse, wie die lange Fahrzeugschnauze auf dem Vordermann hängt. Das wirkt von außen betrachtet nicht immer souverän.
Darf's ein bisserl mehr sein, könnte man fragen, und die Antwort müsste ja lauten. Denn der BMW M6 hat alles und davon viel, und das zeigt sich auch beim Preis: Über 170.000 Euro kostet der Testwagen, bei einem Basispreis von 142.500 Euro. Die teuersten Aufpreisposten sind hier konkret die Lederausstattung und der Bang-&-Olufsen-Sound. Wichtig wäre, nicht sein letztes Hemd zu investieren. Wär doch schade, wenn man diesen Wagen nach der ersten übersehenen Radarfalle verkaufen müsste…
Warum?
Warum nicht?
Für echten Alltag zu stark, für echten Sport zu schwer.
Oder vielleicht …
… BMW M5, Audi RS5, Mercedes CL63 AMG oder der kommende M6 Gran Coupé
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