Im „Krone“-Gespräch

Dritte Hand: Mostviertler Mundart-Fantasien

Musik
12.06.2024 09:00

Mundartmusik made in Mostviertel zelebrieren Dritte Hand auf ihrem neuen Album „Olle Viecha, olle Fisch“. Darauf vermischen sich folkloristische, experimentelle und zuweilen jazzige Zugänge mit literarisch-fantastischen Texten. Ein Festschmaus für all jene, die gerne verträumte Lieder mit Anspruch genießen.

(Bild: kmm)

Mundartmusik ganz ohne schräg-politischen Gestank und biederem Geschunkel funktioniert in Österreich seit jeher ganz gut, in der Gegenwart sogar noch besser. Man muss manchmal nur ein bisschen tiefer schürfen, um diese Perlen zu finden und für sich selbst zugänglich zu machen. Besonders positiv tut sich in diesem Segment derzeit das Mostviertel hervor. Nach einem famosen zweiten Album der Gravögl setzen die – mittlerweile in Wien lebenden - Gebietsgenossen Dritte Hand mit „Olle Viecha, olle Fisch“ ein weiteres Ausrufezeichen im Bereich der vertonten Dialektik. Musikalisch dann aber doch anders verlagert. Bei Dritte Hand gibt es weniger Neil Young, dafür etwas mehr Jazz-Anleihen, klassische Folklore und Experimentierfreudigkeit zu hören. Dazu verschwindet Frontmann und Texter Mario Schlager beim Texten gerne in höchstpersönliche Gedankenspiele, die man als Außenstehender nicht ohne beigefügtes Lösungsheft zu dechiffrieren vermag.

Mit dem Sound Mauern einreißen
Das Animalische in Album- und Songtitel von „Olle Viecha, olle Fisch“ ist zu einem großen Teil im Metaphorischen gelagert. Etwa in „Biber, Biber“, einem der Schlüsselsongs auf dem Album, bei dem sich Schlager auf William Blakes Gedicht „The Tyger“ beruft. „Bei Blake wird der Tiger als gefährliches und gefräßiges Tier dargestellt – mir gefiel dazu der Vergleich mit dem wesentlich kleineren Biber“, erzählt er im „Krone“-Gespräch, „in diesem Fall stehen die Biber für meine ehemaligen Liebschaften und es geht darum, dass man sich im Leben oft davon aufhalten lässt, weil sie hinter einem einen Damm bauen. Den muss man dann einreißen, um weiter voranzukommen.“ Dritte Hand reißen mit ihrem Sound Mauern ein und lehnen sich dabei noch weiter raus als in der Vergangenheit.

Die Single „Beograd“ begann als Bossa-Nova-Stück und entwickelte sich in ganz andere Sphären. Auch „Dicht“ weist einen klanglich völlig neuen Esprit auf, bei „Wind“ startet man sogar mit krachigen Noise-Versatzstücken ins Lied hinein. „Das ist eine postapokalyptische Geschichte, wo die Welt von einem immensen Wind zerstört wird.“ Schlagers Kreativkosmos kreist zwischen literarischen Inspirationen, erlebten Geschichten und kruden Fantasiekonstrukten. Das macht Songs von Dritte Hand gleichermaßen zugänglich wie sperrig, was eine Besonderheit in der heimischen Musiklandschaft darstellt. Im Song „Uewan Kraupeag wird ois finsta“ textet der Sänger eine Mischung aus den Geschichten von „Arche Noah“ und „Der Wal“ zusammen und verbindet diese zu einem klassischen Kopfstück à la Dritte Hand. „Wenn es um Kreativität geht, bin ich immer froh darüber, wenn sich durch Zufall Querverbindungen auftun.“

Produktions-Tour de force
Abenteuerlich sind nicht nur die erzählen Geschichten, abenteuerlich war auch die Produktionsphase. Da die einzelnen Bandmitglieder in unterschiedlichen Branchen und Bereichen arbeiten, komprimierte man die Aufnahmesessions in den Grazer Stress Studios auf vier Tage. Auf dem Weg dorthin gab Schlagers VW Caddy den Geist auf und Produzent Wolfgang Möstl riss sich eine zünftige Erkältung samt Fieberschüben auf. „Die Geschichte unserer Aufnahme ist eine Apokalypse für sich“, lacht Keyboarder Bernhard Scheiblauer, der die Band mit Schlager vor einigen Jahren ins Leben rief, „ich habe sogar überlegt, das Album ,Es wird schon ois schiefgehen‘ zu nennen, aber da kam von den anderen der berechtigte Einwand, dass es dabei viel zu sehr um die Tücken bei der Aufnahme und viel zu wenig um das Album selbst gegangen wäre.“ Die Reparaturkosten für das Auto hätten übrigens 3000 Euro betragen, was Schlager zu viel war. „Wir sind dann mit dem Mietwagen nach Wien zurückgefahren.“

Zur Unterstützung der Herstellung des Albums setzten Dritte Hand wiederholt kreativ auf Crowdfunding-Maßnahmen und zeigten dabei durchaus mehr Einsatz, als so mancher Mitbewerber es tun würde. So wurde für exakt 14,02 Euro etwa ein bestehendes Lied mit neuem Text auf den Valentinstag umgearbeitet und exklusiv an eine Person verkauft. Der Ideenreichtum kennt im Bandcamp keine Grenzen. „Wir sind ein sehr prokrastinierendes Kollektiv. Wir beschäftigen uns gerne mit Dingen, damit wir nicht richtig arbeiten müssen, was dazu führt, dass es in unserem Crowdfunding-System so viele unterschiedliche Belohnungen gab.“ Die vielen Jobs und Seitenprojekte führten auch dazu, dass zwischen dem Vorgängeralbum und „Olle Viecha, olle Fisch“ fünf Jahre ins Land gezogen sind. „Manche Lieder gingen uns extrem schnell von der Hand, bei anderen saßen wir insgesamt Jahre daran“, resümiert Schlager, „alles passiert einfach so, wie es aus uns herausströmt.“

Platz in den Zwischenräumen
Ein Konzept verfolgt das Werk von Dritte Hand indes nicht. „Konzepte schreibt man zusammen, um sich bei den Förderungen vom Musikfonds leichter zu tun“, lacht der Frontmann, „tatsächlich geht es gesamt gesehen hauptsächlich um Erinnerungen. So als würde ich ein Bild malen oder hätte zu einer gewissen Zeit Fotos geschossen, auf die ich mich wieder zurückberufe. Jedes Lied hat unweigerlich mit Erinnerungen und Beziehungen zu tun. Das muss aber nicht immer auf eine Person oder die Liebe gemünzt sein, sondern betrachtet auch all die Facetten, die dazwischenliegen.“ In den Zwischenräumen bleibt im Sound von Dritte Hand jedenfalls ausreichend Platz, um Dinge zu entdecken oder sich vielleicht sogar selbst in der einen oder anderen Geschichte wiederzufinden. Das Mostviertel entwickelt sich immer mehr zum musikalisch-ruralen Kalifornien Österreichs.

Drei sommerliche Live-Termine
Dritte Hand kann man in nächster Zeit auch noch ein paar Mal live sehen. Am 18. Juni spielen sie mit Green Coloured Sun im Wiener Kramladen, am 22. Juni sind sie im Alten Schlachthof in Wels zu sehen und am 17. August als Teil des „Hin & Weg“-Theaterfestivals im niederösterreichischen Litschau. Unter www.drittehand.com finden Sie alle weiteren Informationen bezüglich Karten, Timing etc. zu den einzelnen Veranstaltungen.

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