Live in Wien & Tirol

Downset.: Hardcore-Legende mit sozialem Gewissen

Musik
09.06.2024 09:00

Vor exakt 30 Jahren schrieben die US-Amerikaner von Downset. mit „Anger“ eine der wichtigsten und zeitlosesten Polit-Hymnen der Hardcore-Welt. Dieser Tage befinden sich Rogelio Lozano und Co. wieder auf Europa-Tour und machen dabei in Wien und Innsbruck Halt. Wir unterhielten uns mit ihm über die gegenwärtige Bedeutung der Band, was Downset. heute ausmacht und welche Werte sie noch immer vertreten.

(Bild: kmm)

Am 29. April 1992 drehte sich der Wind in den USA. Vier Polizisten, die der Misshandlung des Afroamerikaners Rodney King beschuldigt worden sind, wurden vor Gericht freigesprochen, was zu den mitunter größten Unruhen der amerikanischen Geschichte führte. Die Empörung auf Seiten der afroamerikanischen Community löste bürgerkriegsähnliche Zustände aus, es starben 53 Menschen, mehrere Tausend wurden verletzt und die aus dem Aufruhr entstandenen Sachschäden kreuzten die US-Milliarden-Dollar-Ebene. Für einige Tage verwandelte sich die Westküsten-Metropole in ein Sodom und Gomorrha, die Nachwirkungen sind noch bis heute zu spüren. Etwa eineinhalb Jahre später schrieb die Rap-Metal-Band Downset. mit „Anger“ eine unzweideutige Hymne zu diesem furchtbaren Kapitel der US-Geschichte und fing die Stimmung durch direkte Betroffenheit so authentisch wie möglich ein.

Wut und Schmerz in Songs
Frontmann und Songwriter Rey Oropeza war nicht nur von den Ereignissen 1992 inspiriert, sondern auch vom Tod seines Vaters, der 1971 von der Polizei in Los Angeles erschossen wurde und den damals acht Monate jungen Rey als Halbwaise zurückließ. Jahre später goss Oropeza Wut und Schmerz in Hardcore-Klänge mit Rap- und Metal-Anteil. Zuerst unter dem Namen Social Justice, ein paar Jahre später als Downset. Das gleichnamige Debütalbum feiert in wenigen Wochen seinen 30. Geburtstag und „Anger“ steht als Mahnmal gegen das Vergessen noch heute auf einem eigenen Podest. 1996 legten Downset. mit „Do We Speak A Dead Language?“ noch ein großartiges Album nach, 2000 folgte mit „Check Your People“ sogar ein Werk auf dem Punkrock-Erfolgslabel Epitaph Records, dann begann der Stern der Band, die nie die ganz große Aufmerksamkeit erregte, zusehends zu sinken.

Vor rund zehn Jahren verschwand die Band endgültig im Nebel der Bedeutungslosigkeit, bis es 2022 plötzlich zum Comeback kam. Ein Jahr später waren Downset. wieder auf Tour und spielten u.a. eine Show auf dem Red-Bull-Brandwagen beim Nova Rock. Rey Oropeza und Gitarrist Rogelio Lozano telefonierten sich zusammen und legten einfach wieder los. Durch ihre alten Kontakte bekamen sie einen Plattenvertrag beim Branchenriesen Nuclear Blast und veröffentlichten dort 2022 das durchaus starke Album „Maintain“. Der Wermutstropfen für die europäischen Fans – Oropeza kommt aufgrund seiner veränderten Lebensumstände nicht mehr mit auf Tour und wird am Sangesposten regelmäßig ersetzt. Lozano sieht darin kein großes Problem und ist mit Feuereifer dabei. So war 2023 Cutthroat-Frontmann Neil Roemer mit von der Partie, aktuell ist man mit Joe Hyde von Illmatic unterwegs.

Die Sprache der Straße
„Unser Name und die Band stehen für Gemeinschaft, Werte und eine bessere Welt“, so Lozano, „Downset. bedeutet für mich, dass man alle Krisen zusammen durchsteht und sich aufeinander verlassen kann. Innerhalb der Band, aber auch darüber hinaus, mit der Crew, Freunden und unseren Fans.“ Die aktuelle Lage der Weltpolitik und speziell in Amerika ist für den Gitarristen wenig erbaulich, weshalb ein Song wie „Anger“ weder in puncto Aggressivität, noch beim expliziten Inhalt an Strahlkraft eingebüßt hat. „Rey hat den Straßenkids aus L.A. mit seinen Texten immer aus den Herzen gesprochen. Los Angeles in den frühen 90er-Jahren war ein wilder Ort, das kann man mit heute gar nicht mehr vergleichen. Der Rassismus ist noch immer da, aber was Themen wie Verbrechen, Obdachlosigkeit oder Drogenprobleme angeht, war es früher viel schlimmer. Die aktuelle Lage mahnt uns aber dazu, dass wir unsere Botschaft weitertragen sollen.“

Downset. haben sich in ihren Texten immer mit der harschen Realität auseinandergesetzt und sehen sich auch als Band, die eine gewisse Form der Verantwortung besitzt. „Wir wollen ein soziales Bewusstsein erschaffen für die Dinge, die auf dieser Welt falsch laufen. Die Realität ist manchmal hart, das wissen wir alle, aber sie auszublenden hat noch nie Probleme gelöst.“ Auf dem aktuellen Tonträger „Maintain“ geht es aber auch um die Gemeinschaft als Band oder Mental-Health-Probleme, die für Downset. kein Tabu sind. „Die Pandamie hat auch mit mir etwas gemacht“, so Lozano, „ich verspürte eine Art von Angst, die mir vorher nie bewusst war. Wir haben uns dann schnell auf die Musik konzentriert und eben dieses Album geschrieben. Sich kreativ zu betätigen, machte in dieser Phase am meisten Sinn.“ Im Gegensatz zum Live-Geschäft hört man Original-Sänger Oropeza am Album. „Wichtig war ihm die Botschaft zu vermitteln, dass jeder zu 100 Prozent an sich glauben und sich auf seinem Weg niemals beirren lassen sollte.“

Downset. bis ans Lebensende
Dass sich die Lebensrealitäten der einstigen und heutigen Bandmitglieder über die letzten 30 Jahre verändert haben, nimmt den Musikern jedenfalls nichts von ihrem Elan. „Wir setzen mit der Band jetzt noch einmal alles auf eine Karte und wollen so viel wie möglich damit erreichen“, so Lozano weiter, „so eine kleine Band kann nur bestehen, wenn alle Beteiligten vieles Drumherum aufgeben und sich darauf fokussieren. Wirtschaftlich gesehen ist es natürlich schwierig, aber ich will Songs schreiben, auftreten und dabei die Welt sehen. Downset. ist das, was ich bis an mein Lebensende machen möchte.“ Und wer weiß – vielleicht kommt auch „Anger“-Songwriter Rey Oropeza irgendwann wieder auf den Geschmack, die Bühne zu betreten. „Solange es uns und den Fans gefällt, werden wir auf jeden Fall weitermachen. Wir haben noch immer viel zu sagen.“

Live in Wien und Innsbruck
Downset. sind am 12. Juni live im Wiener Escape Metalcorner und am 23. Juni in der Livestage in Innsbruck zu sehen. Unter www.oeticket.com gibt es Karten und weitere Informationen zu den beiden Konzerten der Hardcore-Kultband.

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