„Das ist erbärmlich“

Netanyahu zieht Wut der Opferfamilien auf sich

Ausland
09.06.2024 10:38

Israel jubelt aktuell über vier befreite Geiseln. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu steht aber in der Kritik. Er hat sich medienwirksam mit den befreiten Geiseln getroffen, nicht aber mit Opferfamilien, die seine Politik seit Monaten heftig kritisieren. 

„Wenn man Ministerpräsident ist, dann ist man Ministerpräsident der Erfolge und der Niederlagen“, sagte Oppositionsführer Jair Lapid dem israelischen Sender Kan. „Nur dann Regierungschef zu sein, wenn alles klappt, und zu verschwinden, wenn alles nicht so läuft, wie man will, das ist erbärmlich.“

Fototermin sorgt für Kritik
Netanyahu hatte sich am Samstag – noch während des jüdischen Ruhetags Sabbat – im Krankenhaus mit vier aus dem Gazastreifen befreiten Geiseln getroffen und fotografieren lassen.

Familien von Israelis, die während des Hamas-Massakers am 7. Oktober getötet worden waren, sowie Angehörige von getöteten Geiseln kritisierten dagegen nach Medienberichten, weder Netanyahu noch andere Regierungsvertreter hätten mit ihnen Kontakt aufgenommen.

Soldaten-Vater: „Ich verachte ihn“
Der Vater eines am 7. Oktober getöteten Soldaten schrieb bei X: „Ein Ministerpräsident mit moralischen Werten hätte angerufen, um (uns) zu trösten und zu stärken. Und um sich zu entschuldigen für das, was unter seiner Verantwortung passiert ist.“ Sein Urteil zu Netanyahu: „Ich verachte ihn, ein schäbiger Mensch.“

Der Vater des befreiten Almog Meir konnte seinen Sohn nicht mehr in die Arme schließen. Nur Stunden vor der Rückkehr dessen Rückkehr starb der Vater des 22-Jährigen, der am Samstag nach acht Monaten Geiselhaft befreit worden war. Sein Vater wurde jedoch nach seiner Befreiung tot aufgefunden, wie der israelische Kan-Sender am Sonntag berichtete.

Familiendrama nach Befreiung
Der 57-jährige Jossi Jan sollte Sonntagnachmittag beigesetzt werden. Die Schwester des Verstorbenen erzählte dem Sender, sie habe einen Anruf von der Armee bekommen. Man habe ihr gesagt, ihr Neffe sei befreit worden, man könne aber den Vater nicht erreichen. Sie sei daraufhin zum Haus ihres Bruders gefahren, um ihm die frohe Botschaft zu übergeben.

Die Schwester sei durch die offene Tür ins Wohnzimmer gegangen, nachdem er auf das Klopfen und Rufen nicht reagiert habe. Sie habe ihn dort tot aufgefunden. „Mein Bruder ist vor Gram gestorben und hat seinen Sohn nicht zurückkehren sehen“, sagte sie. „In der Nacht vor Almogs Rückkehr hat sein Herz aufgehört zu schlagen.“

Türkei spricht von Barbarei
Am Sonntag bezeichnete die Türkei den Einsatz als „barbarischen Angriff“ und warf Israel Kriegsverbrechen vor. „Mit diesem jüngsten barbarischen Angriff hat Israel der Liste der Kriegsverbrechen ein weiteres hinzugefügt“, erklärte das Außenministerium in Ankara am Sonntag, ohne die Geiselbefreiung zu erwähnen.

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