Lange war die Inflation in Österreich zu hoch – sie lag sogar im Vergleich mit anderen EU-Ländern deutlich über dem Schnitt. Wifo-Chef Gabriel Felbermayr führt dies, neben „Pech“, auf Fehler der Regierung zurück.
Man hätte die Strompreisbremse auch auf Erdgas ausdehnen sollen, mahnte der Leiter des Wirtschaftsforschungsinstituts am Sonntag in der ORF-Pressestunde. Felbermayr gab sich dabei auch selbstkritisch – als Wirtschaftsberater habe er dies nicht empfohlen. Wäre die Teuerungswelle nicht zurückgegangen, hätte man aber auch über eine Mehrwertsteuersenkung reden müssen.
Dass Österreich von der Inflationswelle stärker getroffen wurde als andere EU-Länder sei aber auch „Pech“ gewesen. Als Faktoren nannte er konkret die hohe wirtschaftliche Bedeutung des in der Coronapandemie arg gebeutelten Tourismus, Österreichs stark exportorientierte Industrie sowie die sehr hohe Abhängigkeit von russischem Erdgas.
Österreich habe sich zudem länger als anderswo mit Markteingriffen zurückgehalten. Länder wie Spanien oder Belgien, die früher und stärker in die Preise eingegriffen haben, hätten jetzt aber eine höhere Inflation, weil nun nach Auslaufen der Maßnahmen die Marktdynamik zum Tragen komme, erklärte der Experte.
Viele Preiserhöhungen geschehen bei uns automatisch
Probleme ortet der Ökonom, weil in Österreich viele Preiserhöhungen automatisch geschehen durch die Indexierungen in Verträgen, etwa bei Mieten. Dies führe dazu, dass die Inflation länger hoch bleibe. Auch dass die Löhne immer mindestens um das Inflationsniveau steigen sollen, führe zu Wettbewerbsnachteilen und könne weder im Interesse der Arbeitgeber noch im Interesse der Arbeitnehmer sein.
Den großen Hebel in der Arbeitszeitdebatte sieht Felbermayr nicht in den Anreizen für mehr Überstunden, sondern darin, dass mehr Teilzeit-Beschäftigte ihr Stundenausmaß, etwa von 20 auf 30 Stunden pro Woche, erhöhen.
EU-Außengrenzen nicht schlecht für Wirtschaft
Zur EU-Wahl sagte der Ökonom, dass die Wahlbeteiligung extrem wichtig sei, weil sie ein Gradmesser sei, wie die Menschen zu Europa stehen. Kritik übte er daran, dass im Wahlkampf oft nationale Themen und das Privatleben einer Spitzenkandidatin im Mittelpunkt standen. Den prognostizierten Rechtsruck sieht Felbermayr pragmatisch. So seien sichere Außengrenzen nicht schlecht für Europas wirtschaftliche Performanz. Ein Dilemma wäre aber eine Zersplitterung Europas ohne klare Mehrheitsverhältnisse.
Ein wichtiges Anliegen, damit Europa sich in der Welt besser behaupten könne, ist aus Felbermayrs Sicht die Kapitalmarktunion. Wäre es, vereinfacht gesagt, etwa für Österreicher einfacher, französische Aktien zu halten, würde das Unternehmen die Geldaufnahme erleichtern, was wiederum dazu führt, dass diese stärker und größer werden können.
Einem Wechsel in die Politik – so wie etwa der frühere IHS-Chef Martin Kocher – steht Felbermayr ablehnend gegenüber. Er könne machen, was er für richtig erachte, das sei in einer politischen Funktion nicht umsetzbar. „Deshalb bin ich froh, dass ich nicht in der Politik bin.“
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