Populisten erstarken
EU-Wahl: Rechtsruck in Frankreich und Deutschland
Nationalpopulistische und konservative Parteien sind EU-weit auf dem Vormarsch. So auch bei unseren deutschen Nachbarn: Dort legte die AfD ordentlich zu. In Frankreich schaffte es die Rechtsaußen-Partei Rassemblement National von Marine Le Pen auf den prognostizierten Platz eins.
Nach anfänglicher großer Freude über den „historischen Platz zwei“ ist die rechtspopulistische AfD jedoch laut dem Zwischenergebnis der Bundeswahlleiterin bei den Europa-Wahlen mit 14,2 Prozent nun nur noch drittstärkste Partei in Deutschland. Die konservativen Unionsparteien CDU und CSU kämen nach der Auszählung von 289 von 400 Kreisen gemeinsam auf 32,6 Prozent der Stimmen, die SPD (Sozialdemokraten) auf 14,6 Prozent und die Grünen auf 12,1 Prozent, wie die Bundeswahlleiterin am Sonntag mitteilt. Die FDP erhielt demnach 5,3 Prozent der Stimmen, die Linke 2,2 Prozent. Es ist ein Dämpfer für die Ampel-Koalition – alle drei Regierungsparteien verlieren Wähler.
Deutsche Kanzlerpartei fährt harte Niederlage ein
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann nannte die Union einen klaren Gewinner der Europawahl in Deutschland. „Wir starten weiter durch“, versicherte er in der ARD. „Die Kanzlerpartei hat 14 Prozent, wir haben mehr als doppelt so viel.“ SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz könne so nicht weitermachen. „Eigentlich müsste er die Vertrauensfrage stellen im Bundestag“, meinte Linnemann. So könne es nicht weitergehen. Im ZDF sagte Linnemann: „Das ist desaströs, was wir da erleben. Entweder die Ampel macht einen Kurswechsel oder sie muss den Weg freimachen für Neuwahlen“.
Als „ein ganz bitteres Wahlergebnis“ hat SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert das Abschneiden seiner Partei bei der Europawahl bezeichnet. „Für uns ist das heute eine harte Niederlage“, schilderte Kühnert ebenfalls in der ARD. Dort zeigte sich Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang ebenfalls enttäuscht: „Das ist nicht der Anspruch, mit dem wir in diese Wahl gegangen sind, und wir werden das gemeinsam aufarbeiten.“
Frankreich:
Die Rechtsaußen-Partei Rassemblement National von Marine Le Pen hat bei den EU-Wahlen in Frankreich den prognostizierten Sieg erreicht. Erste Hochrechnungen verschiedener Institute sahen unmittelbar nach Wahlschluss ihre Partei mit Spitzenkandidaten Jordan Bardella mit zwischen 31,5 und 33,3 Prozent der Stimmen voran – weit vor den Verbündeten von Präsident Emanuel Macron, der um 15 Prozent der Stimmen vorausgesagt wurden. Den Sozialisten wurden um 14 Prozent vorhergesagt.
Spanien:
In Spanien ist die oppositionelle konservative Volkspartei bei der Europawahl stärkste Kraft geworden. Nach Auszählung von 99,65 Prozent der Stimmen kam die PP auf 34,18 Prozent (2019: 20,15), wie die Wahlbehörde am Sonntagabend mitteilte. Die regierenden Sozialisten PSOE von Ministerpräsident Pedro Sánchez folgten mit 30,19 Prozent (32,86). Die rechtspopulistische Vox erzielte Gewinne und kam als dritte Kraft auf 9,62 Prozent (6,21).
Ungarn:
In Ungarn ist die regierende Fidesz-Partei des umstrittenen Ministerpräsidenten Viktor Orban stärkste Kraft bei den Europawahlen. Sie liegt mit 43,8 Prozent der Stimmen vorn, wie erste Teilergebnisse am Sonntagabend zeigten. Die Oppositionspartei Tisza von Peter Magyar lag mit 31 Prozent an zweiter Stelle. Nach Auszählung von 40 Prozent der Stimmen kommt Fidesz auf elf Sitze, Tisza auf sieben Sitze.
Italien:
Bei den EU-Wahlen in Italien bahnt sich ein Erfolg der Regierungspartei „Fratelli d‘Italia“ (Brüder Italiens – FdI) um Premierministerin Giorgia Meloni an. Laut den vom TV-Kanal La7 veröffentlichten Exitpolls schnitt Melonis Partei mit 27 bis 31 Prozent der Stimmen als stärkste Einzelpartei ab. Auf Platz zwei landeten die Sozialdemokraten (PD – Partito Democratico) mit 21,5 bis 25,5 Prozent der Stimmen.
Melonis Partei behauptete sich auch im koalitionsinternen Duell mit den Regierungspartnern Lega und Forza Italia. Die Lega um Verkehrsminister und Vizepremier Matteo Salvini erhielt laut den Exitpolls zwischen 7,5 und 9,5 Prozent der Stimmen, die Forza Italia um Außenminister Antonio Tajani soll ebenfalls zwischen 7,5 und 9,5 Prozent der Stimmen erhalten haben.
Niederlande:
Das rot-grüne Wahlbündnis aus Sozialdemokraten und Grünen hat die Europawahl in den Niederlanden klar gewonnen. PvdA und GroenLinks errangen acht der 31 Mandate – eins weniger als vor fünf Jahren, wie aus dem am Sonntagabend veröffentlichten vorläufigen Endergebnis hervorgeht. Auf Rang zwei kommt der radikal-rechte Populist Geert Wilders, dessen europaskeptische Partei für die Freiheit (PVV) deutlich auf sechs Mandate zulegte
Portugal:
In Portugal sind die Sozialisten (PS) laut einer ersten Prognose bei der EU-Wahl vor der regierenden konservativen Demokratischen Allianz (AD) stärkste Partei geworden. Erst im März hatte die AD die PS bei nationalen Parlamentswahlen als stärkste Kraft und regierende Partei abgelöst. Die Sozialisten kommen laut der ersten Prognose auf Basis von Nachwahlbefragungen auf 31,4 Prozent, die AD folgt knapp dahinter mit 30,6 Prozent.
Die rechtsextreme Partei Chega, die bei der Wahl im März noch über 18 Prozent errang, kommt den Angaben zufolge nur mehr auf 9,2 Prozent. Gut schnitt laut der Prognose hingegen die liberale Iniciativa Liberal (IL) ab, die mit 9,8 Prozent an dritter Stelle stehen könnte.
Finnland:
In Finnland haben die Linken bei der EU-Wahl einen enormen Zugewinn erzielt. Nach ersten Prognosen steigerte das Linksbündnis den Stimmenanteil um 10,5 Prozentpunkte im Vergleich zur EU-Wahl 2019 und wurde mit zunächst 17,4 Prozent zweitstärkste Partei, wie der finnische Sender Yle berichtete. Das ist der größte Zuwachs unter allen Parteien. Die konservative Sammlungspartei von Ministerpräsident Petteri Orpo blieb stärkste Kraft mit 24,4 Prozent der Stimmen.
Tschechien:
In Tschechien hat die oppositionelle liberale Protestbewegung ANO des früheren Premiers Andrej Babiš die EU-Wahl, wie erwartet, gewonnen. In dem zweitägigen Urnengang, der bereits am Freitag und Samstag stattgefunden hat, hat ANO 26,1 Prozent der Stimmen erhalten. Auf Platz zwei folgte mit 22,3 Prozent das Drei-Parteien-Wahlbündnis Spolu (Gemeinsam) des konservativen Regierungschefs Petr Fiala, teilte das Tschechische Statistikamt (CSU) am Sonntagabend mit.
Slowakei:
In der Slowakei sind die erwarteten Zugewinne der linkspopulistischen Partei von Regierungschef Robert Fico ausgeblieben. Überraschend wurde am Sonntag die liberale Partei Progressive Slowakei (PS) stärkste Kraft. Ficos Smer-SD räumte im Online-Netzwerk Facebook ihre Niederlage ein und gratulierte „dem Wahlsieger Progresivne Slovensko“ und dessen neu gewählten EU-Abgeordneten.Die Abstimmung hatte unter dem Eindruck des Attentats auf den Regierungschef gestanden, der Mitte Mai durch Schüsse schwer verletzt worden war.
Polen:
Die Bürgerplattform (PO) von Ministerpräsident Donald Tusk ist am Sonntag als stärkste Kraft aus der Europawahl in Polen hervorgegangen. Die liberalkonservative und pro-europäische Partei des früheren EU-Ratspräsidenten kann mit 38,2 Prozent der Stimmen rechnen, hieß es am Sonntag in ersten Prognosen auf Basis von Wählerbefragungen. Die nationalkonservative PiS-Partei (Rechts und Gerechtigkeit) kam demnach auf 33,9 Prozent.
Belgien:
Bei der Parlamentswahl in Belgien haben sich Zugewinne für rechtsgerichtete flämische Parteien abgezeichnet. Stärkste Kraft in der Abgeordnetenkammer in Brüssel dürfte laut Hochrechnungen vom Sonntag mit gut 18 Prozent die Neo-flämische Allianz (N-VA) des Antwerpener Bürgermeisters Bart De Wever werden. Die rechtsextreme flämische Partei Vlaams Belang kam mit gut 15 Prozent auf den zweiten Platz.
Eine Regierungsbeteiligung des rechtsextremen Vlaams Belang auf nationaler Ebene ist vorerst nicht in Sicht. Die übrigen Parteien lehnen eine Koalition mit den Rechtsextremen ab. Der Vlaams Belang fordert Unabhängigkeit für Flandern und will Einwanderern die Sozialleistungen streichen.
Malta:
Im kleinsten EU-Land Malta hat die sozialdemokratische Regierungspartei Labour bei der Europawahl nach ersten Teilergebnissen deutliche Einbußen hinnehmen müssen. Trotzdem sprach Ministerpräsident Robert Abela am Sonntag in der Hauptstadt Valletta von einem „soliden“ Sieg. Die Mittelmeer-Insel mit etwa einer halben Million Bewohnern stellt im Europaparlament sechs Abgeordnete.
Nach Prognosen vom Nachmittag gehen davon drei Mandate an Labour. Die konservative Oppositionspartei Nationalist Party kann mit zwei bis drei Sitzen rechnen. Die bisherige Präsidentin des Europaparlaments, Roberta Metsola, hat auch im neuen Parlament ein Mandat sicher. Der Wahlkampf der Labour-Partei wurde durch einen Korruptionsskandal um Maltas früheren Regierungschef Joseph Muscat belastet.
Dänemark:
In Dänemark hat laut ersten Trends die liberale Venstre-Partei deutlich an Stimmen verloren. Die bei der Wahl 2019 stärkste Partei verlor knapp 9,6 Prozentpunkte wie aus der ersten Prognose des dänischen Rundfunks DR kurz nach Schließung der Wahllokale am Sonntagabend hervorging. Sie fielen auf 13,9 Prozent und sollten sich die Zahlen bestätigen, verliert die Partei somit zwei ihrer bisherigen vier Sitze im EU-Parlament. Zulegen konnte hingegen die sozialistische Volkspartei.
Griechenland:
In Griechenland wird die konservative Regierungspartei Nea Dimokratia laut ersten Prognosen auch bei der EU-Wahl stärkste Kraft. Laut einer auf Nachwahlbefragungen basierenden Schätzung kommt die Partei auf 30 Prozent der Stimmen, gefolgt von der linksgerichteten Syriza-Partei mit knapp unter 17 Prozent. Die sozialdemokratische Pasok kommt auf etwas mehr als zwölf Prozent.
Rumänien:
In Rumänien ist das Wahlbündnis bestehend aus den regierenden Postkommunisten (PSD) und ihrem liberalen Juniorpartner (PNL) laut einer Wählernachbefragung der beiden Meinungsforschungsinstitute CURS und Avangarde als stärkste Kraft aus der am Sonntag gestiegenen Europawahl hervorgegangen.
Die beiden Regierungsparteien, die, obwohl sie im EU-Parlament unterschiedlichen Fraktionen angehören, mit einer gemeinsamen Wahlliste ins Wahlrennen gezogen waren, können laut Exit Poll mit einem Erdrutschsieg bzw. 54 Prozent der Stimmen rechnen, womit sie weit mehr als die Hälfte der insgesamt 33 auf Rumänien entfallende Mandate einfahren dürften.
Zypern:
Auch in Zypern gewinnt mit der Dimokratikos Synagermos (DISY) eine christdemokratische und konservative Partei die Europawahlen. Laut den ersten Prognosen kommt sie auf zwei der sechs zypriotischen Sitze im EU-Parlament. Auf Platz zwei folgt die ehemalige kommunistische AKEL-Partei (Anorthotiko Komma Ergazomenou Laou), dahinter der 24-jährige Influencer Fidias Panayiotou. Die rechtsnationalistische ELAM-Partei dürfte mit einem Abgeordneten neu ins EU-Parlament ziehen.
Schweden:
In Schweden liegen die oppositionellen Sozialdemokraten laut ersten Prognosen bei der Europawahl vorne: Sie kommen auf fünf der 21 schwedischen Sitze. Dahinter folgt die bürgerlich-konservative Moderaterna-Partei von Ministerpräsident Ulf Kristersson mit vier Mandaten, und mit jeweils drei Sitzen die Grünen sowie die sozialkonservative Partei Schwedendemokraten. Auf EU-Ebene erhalten sowohl die Europäische Volkspartei als auch die Sozialdemokraten fünf schwedische Mandate.
Die Linkspartei und die liberale Zentrumspartei erhalten je zwei Plätz im Straßburger Parlament, die Christdemokraten und die Liberalen je eine Stimme. Jeweils drei Schweden gehen laut vorläufigen Prognosen zu den liberalen Renew, den Grünen und den Europäischen Konservativen und Reformern (EKR).
Kroatien:
In Kroatien hat die konservative Regierungspartei HDZ die Europawahl gewonnen, zeigen Exit Polls, die nach Wahlschluss vom Privatsender Nova TV veröffentlicht wurden. Demnach bekam die Partei von Premier Andrej Plenković 33,7 Prozent der Stimmen und damit sechs Mandate im EU-Parlament. Das links-liberale Wahlbündnis unter Führung der Sozialdemokraten (SDP) wurde zweiter mit 27,8 Prozent und vier Mandaten.
Jeweils ein Mandat bekamen die rechtsextreme mitregierende Heimatbewegung (DP) und die links-grüne Oppositionspartei Možemo (Wir können).
Slowenien:
In Slowenien zeichnet sich bei der EU-Wahl der Sieg der rechtskonservativen Oppositionspartei SDS ab. Das EVP-Mitglied erhielt nach Auszählung von rund der Hälfte der Stimmen 32,3 Prozent und damit vier Sitze im Europaparlament. Die regierende Freiheitsbewegung (GS) des liberalen Premiers Robert Golob wurde demnach zweitstärkste Kraft mit 21,4 Prozent und zwei Mandaten, wie die Teilergebnisse der staatlichen Wahlbehörde zeigen.
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