Überblick zur EU-Wahl

Rechte Parteien werden deutlich stärker, aber …

Ausland
10.06.2024 08:42

Rechte Parteien haben bei der Europawahl in mehreren Ländern große Erfolge erzielt. In Frankreich führten rechte Erfolge sogar zu einem politischen Eklat. Doch: Proeuropäische Parteien bleiben klar in der Überzahl, wie ein Blick in die Länder zeigt. Ein Überblick.

Italien, Frankreich, Deutschland, Österreich und viele mehr: Rechte Parteien haben bei der Europawahl viele Sitze gewonnen. Ähnlich wie im heimischen Wahlkampf haben auch international vor allem nationale Themen die Wahl dominiert. In Frankreich führte das nun zu einem politischen Erdbeben. Die Partei Rassemblement National von Marine Le Pen hat deutlich gewonnen, Präsident Emmanuel Macron setzte daraufhin eine vorgezogene Neuwahl der Nationalversammlung an.

In Österreich wurde die FPÖ stärkste Kraft. In Deutschland erzielte die AfD ihr bisher bestes Ergebnis und kam hinter der Union auf Platz zwei.

Rechte gewinnen, Pro-Europäer überwiegen
Europaweit gewannen die zwei bisherigen rechtspopulistischen Parteienbündnisse EKR und ID teils deutlich hinzu. Insgesamt bleibt das klar proeuropäische Lager im Europaparlament aber weiter das mit Abstand größte. Selbst wenn sich alle rechten Parteien zusammenschließen würden, kämen sie voraussichtlich auf weniger als 200 Sitze und wären damit von einer Mehrheit weit entfernt. Diese liegt bei 361 Sitzen.

Sieger der Europawahl ist das Mitte-Rechts-Bündnis EVP mit der deutschen Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen. Die CDU-Politikerin kann auf eine zweite Amtszeit als Präsidentin der EU-Kommission hoffen.

Postfaschistin räumt ab
Melonis Partei kam in Italien nach einer Hochrechnung des Fernsehsenders Rai auf 27,7 Prozent – im Vergleich zur Europawahl 2019 ein Plus von mehr als 20 Punkten. Auf Platz zwei landete demnach ein linkes Bündnis um die sozialdemokratische PD mit 23,7 Prozent.

Meloni war bei der Wahl auch Spitzenkandidatin der Fratelli d‘Italia, die ihre Ursprünge in der postfaschistischen Bewegung haben. Sie will aber nicht ins Europaparlament wechseln, sondern als Ministerpräsidentin in Rom bleiben. Die 47-Jährige steht seit Oktober 2022 an der Spitze einer Koalition aus drei Rechtsparteien. Mit dem jetzigen Ergebnis dürfte ihr Einfluss auf europäischer Ebene zunehmen.

AfD im Osten besonders stark
In Deutschland war die Europawahl auch ein wichtiger Stimmungstest vor den drei Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im September und der Bundestagswahl im kommenden Jahr. Dass die AfD in Ostdeutschland mit großem Vorsprung auf Platz eins liegt, ist da von besonderer Bedeutung.

Trotz der Kontroversen um ihren Spitzenkandidaten konnte die Partei bundesweit stark zulegen. Nach Hochrechnungen kommt sie auf 15,8 bis 15,9 Prozent, ein Plus von fast fünf Punkten gegenüber 2019. Sie schneidet damit besser ab als alle Ampel-Parteien – die SPD kam auf 14 Prozent, die Grünen auf 11,9 Prozent und die FDP auf 5,1 Prozent. Mit großem Abstand auf Platz eins liegt allerdings die Union mit 30,2 bis 30,3 Prozent.

Das AfD-Ergebnis fiel schwächer aus als in Umfragen Anfang des Jahres. Damals hatte sie zwischenzeitlich bei mehr als 20 Prozent gelegen. Vorwürfe gegen ihren Spitzenkandidaten Maximilian Krah und die Nummer zwei auf der Europawahl-Liste, Petr Bystron, brachten die Partei aber in Schwierigkeiten.

Katerstimmung in Paris
Für den französischen Präsidenten Macron ist die Europawahl eine herbe Niederlage. Die rechtsnationale Partei Rassemblement National (RN) um Marine Le Pen holte nach Hochrechnungen an die 32 Prozent – mehr als doppelt so viel wie Macrons Lager. Der Staatschef kündigte als Konsequenz eine Neuwahl des Unterhauses an, die zwei Wahlgänge sind für 30. Juni und 7. Juli geplant. „Ich kann also am Ende dieses Tages nicht so tun, als ob nichts geschehen wäre“, sagte er.

Macrons Mitte-Lager war bereits geschwächt. Seit 2022 hat es in der Nationalversammlung keine absolute Mehrheit mehr. Das Regieren gestaltete sich seitdem mühselig. Der Blick richtet sich zudem auf die Präsidentenwahl in knapp drei Jahren. Macron, der sich zweimal in der Stichwahl gegen Le Pen durchsetzte, darf nicht erneut kandidieren. Noch ist unklar, wen die Mitte-Kräfte ins Rennen schicken werden und wer eine Chance gegen Le Pen hätte. Die Tochter des rechtsextremen Parteigründers Jean-Marie Le Pen hat es geschafft, ein deutlich gemäßigteres Bild abzugeben und die Partei bis ins bürgerliche Lager wählbar zu machen.

Macron wandte sich nach der Wahlniederlage an die Nation. (Bild: AFP/Ludovic MARIN)
Macron wandte sich nach der Wahlniederlage an die Nation.

In Ungarn konnte der rechte Premierminister Viktor Orbán die Vormachtstellung seiner Fidesz-Partei einzementieren. Sie liegt mit 43,8 Prozent der Stimmen vorn. In den Niederlanden führte der Rechtspopulist Geert Wilders seine europaskeptische Partei für die Freiheit (PVV) auf Rang zwei und sicherte sich sechs Mandate.

Bilden sich neue Fraktionen?
Grundsätzlich könnte es so sein, dass die Mehrheitsfindung im Europäischen Parlament noch einmal schwieriger wird. Für die künftigen Machtverhältnisse dort ist auch relevant, ob sich eventuell Parteien aus den bisherigen rechten Bündnissen EKR und ID zu einer neuen Allianz zusammentun. Die Französin Marine Le Pen hatte dafür zuletzt bei der italienischen Regierungschefin Meloni geworben.

Als wahrscheinlich gilt, dass das Mitte-Rechts-Bündnis EVP in den nächsten Tagen Gespräche mit Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen führen wird, um eine lose Zusammenarbeit zu vereinbaren, die dann auch eine Mehrheit für die Wahl von der Leyens sichern könnte. Theoretisch könnten auch noch Kooperationsmöglichkeiten mit einzelnen rechten Parteien ausgelotet werden. So hat die EVP eine Zusammenarbeit mit Meloni vor der Wahl nicht ausgeschlossen. Ihre Fratelli d“Italia gehören bisher zur rechtskonservativen EKR-Fraktion.

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