Ein Paketzusteller wurde vergangenen Sommer in Wien aus dem Nichts heraus niedergestochen. Den Täter will das Opfer wenig später beim Verlassen eines Supermarktes wiedererkannt haben. Die Polizei veröffentlicht ein durch die Überwachungskameras im Geschäft aufgenommenes Bild jenes Mannes, der angeklagt wurde. Doch im Prozess wird klar, dass bei der Ermittlungsarbeit einiges schiefgelaufen sein dürfte.
Stellen Sie sich vor, Sie kaufen am Weg zu Schule der Stieftochter im Supermarkt ein Getränk. Wenig später taucht Ihr Bild aus dem Geschäft in den Medien auf. Die Wiener Polizei sucht Sie wegen eines schweren Verbrechens. Sie stellen sich. Wegen des Verfahrens sind Job und Freundin weg, Ihnen drohen bis zu zehn Jahre Haft.
Zusteller brach vor Supermarkt blutüberströmt zusammen
So ergangen ist es einem gebürtigen Serben in Wien. „Ich habe nichts gemacht“, beteuert er im Prozess unter Tränen. Die Staatsanwaltschaft Wien sieht das anders: Der Angeklagte soll am 26. Juni 2023 aus dem Nichts heraus in der Wagramer Straße einen Paketzusteller mit einem Messer attackiert und schwer verletzt haben.
Warum wirfst du die Pakete mit voller Wucht auf den Boden?
Der Täter zum Paketzusteller, ehe er zustach.
„Ich war am Weg zu einem Kunden, hab meine Tasche abgestellt. Da kam der Mann und meinte ,Warum wirfst du die Pakete mit voller Wucht auf den Boden‘“, erinnert sich das 28 Jahre alte Opfer an die kurze Konversation, ehe es angegriffen wurde. Der Zusteller schleppte sich ein paar Straßen weiter, brach blutüberströmt vor einem Supermarkt zusammen. Bei der Erstversorgung rief der schwer verletzte Zusteller: „Das ist er!“ und meinte einen Mann, der gemütlich aus dem Geschäft kam – Jenen, der nun angeklagt wurde.
Polizist spricht von einem chaotischen Tatort
Und das, obwohl die Merkmale – weder Bekleidung noch Aussehen – nicht ganz übereinstimmten, die Ermittlungsarbeit offenbar von Fehlern geprägt war. So soll vom Opfer erst eine Täterbeschreibung eingeholt worden sein, nachdem diesem die Lichtbilder (und zwar offenbar nur jene des Serben) gezeigt worden sind. Ein Polizist sagt im Prozess als Zeuge, dass die Arbeit vor Ort nicht sehr professionell ablief: Auf Beweismitteln seien „weder Fingerabdrücke noch DNA gesichert worden. Es war ein chaotischer Tatort.“
Sie waren schlichtweg zur falschen Zeit am falschen Ort.
Richterin Bahr nach dem glatten Freispruch.
Keine Blutflecken, falsche Schuhfarbe
Dass sich ein Mann, der gerade jemanden niedergestochen haben soll, seelenruhig einen Softdrink nach der Tat kauft, dürfte weder die Ermittler, noch die StA verwundert haben. Auf den Bildern sind auch keinerlei Blutspuren erkennbar, obwohl es aus der Stichwunde im Oberschenkel regelrecht heraus gespritzt sei. Auch die Farbe der Schuhe passte nicht zur Täterbeschreibung.
Richterin Hannelore Bahr spricht einen glatten Freispruch aus, nicht rechtskräftig: „Sie waren schlichtweg zur falschen Zeit am falschen Ort“, sagt sie.
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