Meist nennt man sie schlicht V100, dabei hat sie einen so schönen zweiten Vornamen: Moto Guzzi V100 Mandello heißt der Tourer vollständig. Nennen wir sie also lieber Mandello, das ist stimmungsvoller und daher passender für die italienische Schönheit vom Comer See, geboren in Mandello del Lario. Da breitet sie doch gleich ihre Flügel aus!
Bei Moto Guzzi denkt man irgendwie meist an die Vergangenheit, die gut 100-jährige Markengeschichte, an Retro, an Bikes so wie früher. Doch die zum Marktstart vergangenes Jahr völlig neukonstruierte Mandello lässt sich zum modernen Hightech-Bike aufrüsten (noch mehr, wenn sie endlich auch das Radarsystem der Stelvio bekommt). Und ich habe im ersten Absatz nicht übertrieben, was das Flügelausbreiten betrifft.
Ja, sie hat Flügel, die sich elektrisch ausklappen lassen. Über 200 Stunden haben die Guzzisti im Windkanal gearbeitet, um die Technik zu optimieren, wie sie betonen. Bei dem Aufwand könnte man beinahe erwarten, sie könnte fliegen, doch es geht nur darum, den auf den Fahrer einwirkenden Fahrtwind zu reduzieren. Ob und bei welchem Tempo die Schwingen ausfahren, lässt sich über sie Fahrmodi regeln.
Was können die Flügel?
Laut Prospekt wird der Luftdruck auf den Fahrer um 22 Prozent reduziert. Viel mehr als eine Spielerei scheint mir das nicht zu sein, ein wesentlicher Unterschied ist mir nicht aufgefallen. Zumal der Hauptfaktor für den veränderbaren Luftstrom der elektrisch Verstellbare Windschild ist. Und trotzdem fühlte sich die Test-Mandello an, als hätte ihr jemand Flügel verliehen: Ihr 1042 ccm großer V2 legte sich derart spontan, kraftvoll und ausdauernd ins Zeug, dass man glauben könnte, es wäre ein anderer Motor als in der Moto Guzzi Stelvio. Doch der ist eigentlich nominell identisch: 115 PS bei 8700/min., 105 Nm bei 6750/min. Sogar die Übersetzung des Sechsganggetriebes ist die gleiche und erlaubt 230 km/h Höchstgeschwindigkeit.
Der V2 kann mehr
Und so schiebt die V100 über ihre Kardanwelle richtig satt an und lässt Wünsche nach mehr Leistung nicht aufkommen. Souverän kommt die Kraft schon unten herum, bei 9500/min. greift der Begrenzer. Der Sound vermittelt ein wohliges Gefühl, auch wenn er gern fetter sein dürfte, aber diese Zeiten sind wegen der aktuellen Gesetzgebung vorbei.
Was man sich manchmal wünscht, ist ein geschmeidigerer Quickshifter, aber man kommt mit ihm aus, auch wenn er nicht an die Konkurrenz herankommt. Den Vorgang an sich wickelt die hydraulische Mehrscheiben-Antihopping-Kupplung im Ölbad ab, die Moto Guzzi hier und an der Stelvio erstmals verwendet.
Fahrwerk wie auf veritablen Sportlern
Der Schaltvereinfacher ist Serie auf dem S-Modell, das auch an der grün-silbernen Sonderlackierung erkennbar ist. Ebenso das semiaktive Öhlins-Fahrwerk namens Smart EC2.0, das man über das grundsätzlich serienmäßige Fünf-Zoll-TFT-Display bzw. die Fahrmodi einstellen kann – und das sich auch auf so edlen Teilen wie Ducati Streetfighter V4 S oder Triumph Speed Triple 1200 RR bewährt hat. ABS, Traktionskontrolle und aktives Kurvenlicht orientieren sich über die Sechs-Achsen-IMU, Hightech also auch hier.
Einigermaßen flott wedelt man mit dem 233 kg schweren Bike durchs Kurvenreich, die Knie fein eingepasst an den Tank geschmiegt. Beim Rangieren merkt man ihr die im Vergleich zu ihrer Schwester Stelvio andere Auslegung deutlich an – der Wendekreis ist größer.
Man sitzt gut auf der Mandello und würde es auch länger im Sitz aushalten, als es der nur 17 Liter große Tank (davon 3,5 Liter Reserve) zulässt. Bei einem Durchschnittsverbrauch von 5,6 l/100 km kommt man eigentlich 300 Kilometer weit, aber man fährt gerne früher tanken, weil die Reichweitenanzeige am Display den Dienst versagt, sobald man auf Reserve ist. Und die Tankuhr ist noch weniger informativ als der Drehzahlmesser.
Die Preise
Ab 16.000 Euro ist die Moto Guzzi V100 Mandello zu haben. Statt des Öhlins-Fahrwerks gibt es beim Einstiegsmodell eine voll einstellbare Kayaba-Federung. Darüber rangiert ab 17.000 Euro die auf 1913 Stück limitierte V100 Mandello Aviazione Navale mit etwas mehr Ausstattung und eigener Farbkombination. Ab 19.000 bekommt man die Topversion V100 Mandello S, die dann auch das Moto-Guzzi-eigene Konnektivitätssystem an Bord hat.
Fahrzit
Sie ist ein Gesicht in der Menge, ein Charakterstück in der Masse – und eine unkapriziöse Italienerin, mit der man gern längere Touren unternimmt. Definitiv beflügelnd.
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