Radoslaw Gilewicz erwartet sich bei der Fußball-EM ein spannendes Duell zwischen Österreich und Polen. Der frühere Bundesliga-Torschützenkönig und aktuelle TV-Experte im polnischen Fernsehen lobte die ÖFB-Elf unter Teamchef Ralf Rangnick, warnte vor der richtungsweisenden Begegnung in der Gruppe D am 21. Juni in Berlin aber auch vor Polen.
„Wir können gefährlich sein, man sollte uns nicht unterschätzen“, sagte der 53-Jährige im Gespräch mit der APA hinsichtlich des bevorstehenden Duells zwischen Österreich und Polen bei der EM.
Auf dem Papier sei Österreich derzeit im Vorteil. „Es ist brutal, was Ralf Rangnick mit dieser Mannschaft gemacht hat. Fantastisch“, sagte Gilewicz, der sich über die Spielweise der ÖFB-Auswahl beeindruckt zeigte. „Die Intensität und das Gegenpressing sind überragend. Sie haben einen eigenen Stil, der unglaublich unangenehm für die Gegner ist. Auch Frankreich und die Niederlande werden Probleme bekommen.“ Einen potenziellen Stolperstein sieht Gilewicz allerdings. „Die einzige Gefahr ist die Komfortzone. Aber unter Ralf Rangnick passiert da auch nichts“, ist sich der Ex-Stürmer sicher.
Lewandowski ist nicht zu ersetzen
Der zehnfache polnische Nationalspieler gewann in Österreich mit dem FC Tirol und der Wiener Austria vier Meistertitel und zweimal den Cup, in der Saison 2000/01 krönte er sich zum Torschützenkönig. Insgesamt 98 Tore in 241 Bundesligaspielen erzielte Gilewicz in neun Saisonen. Derzeit arbeitet er als TV-Experte für Viaplay, für die EURO wurde er vom öffentlich-rechtlichen Sender TVP ausgeliehen. Nebenbei betreibt „Radogol“ eine eigene Fußballschule, die sich auf Individualtraining von jungen Stürmern spezialisiert hat.
Ob dort der neue Robert Lewandowski geschliffen wird? „So einen wie Lewandowski gibt es nur alle 30 bis 40 Jahre“, sagte Gilewicz und lachte. Bei den Stürmern habe das polnische Nationalteam aber sowieso keine Probleme. Auch wenn Juventus-Angreifer Arkadiusz Milik die EM wegen einer beim 3:1-Testspielsieg gegen die Ukraine erlittenen Knieverletzung verpassen wird, steht neben Lewandowski mit Krzysztof Piatek (Basaksehir) ein weiterer prominenter Name im Kader.
Probleme hatte das polnische Nationalteam in der Qualifikation, als erst nach einem 5:4 im Elfmeterschießen im Play-off-Finale in Wales der Sprung zur EURO geschafft worden war. Da saß bereits Neo-Teamchef Michal Probierz auf der Trainerbank, zuvor bei den Polen als U21-Trainer tätig. Probierz folgte im September 2023 dem Portugiesen Fernando Santos nach. Dieser habe „überhaupt keine Ahnung“ vom polnischen Fußball gehabt, betonte Gilewicz. „Er hat die Spieler verwechselt und mit einem Dolmetscher nur auf Portugiesisch gesprochen. Es gab viele Kommunikationsprobleme.“
Polen hat keinen Druck
Unter Probierz ist das Team seit sieben Spielen ungeschlagen, es befinde sich „auf einem guten Weg“. Der 51-Jährige habe die Mentalität im polnischen Kader verändert, erklärte Gilewicz. „Die Spieler haben wieder eine Freude, Fußball zu spielen. Viele Spieler sagen, dass sich mental von der Einstellung viel verändert hat. Es herrscht wieder eine gute Stimmung.“
Beim WM-Achtelfinalisten von Katar sind angesichts der schwachen Qualifikation, als es in der Gruppe nur zu Platz drei hinter Albanien, Tschechien und knapp vor der Republik Moldau gereicht hatte, die Erwartungen niedrig. „Keiner zählt auf Polen. Wir fahren ohne Druck nach Deutschland, um es allen zu zeigen. Langsam aber sicher geht es aufwärts“, betonte Gilewicz. Die Stimmung im Land sei aufgrund der knappen Quali weit weg von einer Euphorie. „Niemand hat an eine EM-Teilnahme geglaubt.“
Ein Kader mit individueller Klasse
Gilewicz hob die individuelle Klasse im polnischen Kader mit Lewandowski (35), Napoli-Mittelfeldmann Piotr Zielinski (30) oder Wojciech Szczesny heraus. Für den 34-jährigen Juventus-Tormann wird es das letzte große Turnier im Teamtrikot, dessen guter Freund Lewandowski könnte es ihm gleichtun. Neben den Altstars wirbeln bei den Polen auch Shootingstars wie etwa Roma-Kicker Nicola Zalewski (22), Sebastian Szymanski (25) von Fenerbahce oder Arsenal-Verteidiger Jakub Kiwior (24).
Der wendige und schnelle Zalewski sei in den beiden Play-off-Partien gegen Wales und Estland (5:1) der beste Spieler gewesen, erzählte Gilewicz. Szymanski habe bei Fenerbahce eine „fantastische Saison“ mit 13 Toren und 19 Assists hinter sich, besonders zu Saisonbeginn hatte der von mehreren internationalen Spitzenclubs begehrte Offensivspieler überzeugt.
Gilewicz war ab Sommer 2018 für zweieinhalb Jahre als Sportkoordinator der polnischen Nationalmannschaft unter Teamchef Jerzy Brzeczek tätig. Die bisher letzten Duelle zwischen Polen und Österreich in der EM-Quali 2019 erlebte er deshalb hautnah mit. In Wien triumphierten die Gäste mit 1:0, in Warschau fielen keine Tore. „Wir haben, egal in was für einer Situation wir waren, vom Ergebnis her gegen Österreich oft gut ausgesehen“, sagte Gilewicz, der das EM-Duell mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgen wird. „Mein Herz ist gespalten. Ich sage, es geht unentschieden aus.“
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