Aus den Rippen der Wiener Indie-Band Laundromat Chicks formierte sich das All-Girl-Kollektiv Topsy Turvy, das mit auffallender Kostümierung und der Liebe zur Rockmusik eine neue Farbe in die heimische Szene bringt. Heute, am 14. Juni, stellt man das Album im Wiener Rhiz vor.
Der Kultursender ARTE hat unlängst in seiner beliebten Sendereihe „Tracks“ sein Augenmerk auf die großartige Wiener Musikszene geworfen, dabei aber bei all dem berechtigen Jubel um Eli Preiss, Verifiziert und Co. den Indie-Underground der Stadt sträflich vernachlässigt. Etwa das vierköpfige Kollektiv Laundromat Chicks, das sich längst schon über die Stadtgrenzen hinaus einen Namen gemacht und einen weiteren neuen Farbklecks auf die musikalische Landkarte gepatzt hat. Aus den Rippen dieser Band haben sich Gitarristin Theresa Strohmer und Schlagzeugerin Lena Pöttinger abgespalten, um gemeinsam mit Bassistin Victoria Aron als Topsy Turvy in neue musikalische Gewässer einzutauchen, die sich deutlich in traditionellere Rock-Gefilde ausbreiten.
Generationsübergreifende Rebellion
Überraschend mutet dabei an, dass die beiden Anfang-Zwanzigerinnen von alten Rock-Heroen beeinflusst sind. „Man ist von der Musik geprägt, die im Autoradio läuft, wenn man mit dem Papa mitfährt“, erzählt Strohmer im „Krone“-Interview im Wiener Café Rüdigerhof, „da hört man so Bands wie die Dire Straits, Oasis, Deep Purple oder Led Zeppelin. Die Musik, mit denen sie gegen ihre Eltern rebelliert haben und die heute ganz und gar nicht mehr rebellisch ist.“ Lachend fügt sie an: „Für die eigene Rebellion unseren Eltern gegenüber müssten wir eigentlich Deutschrap machen, aber das ist nicht so unser Ding.“ Topsy Turvy lieben den „Dad-Rock“ und vermischen ihn mit zeitgemäßen Texten, die aus ihren Gedanken und Emotionen geboren sind. Sozusagen eine zeitgemäße, inklusivere und weibliche Version der alten Rock-Heroen.
Topsy Turvy hat nichts mit dem zweifach Oscar-prämierten Film von Mike Leigh über das Komponistenduo Gilbert und Sullivan zu tun, sondern bezieht sich auf die englische Redewendung, die „chaotsich“ oder „auf den Kopf gestellt“ bedeutet. „Der Bandname lässt vieles offen und beschreibt ein bisschen unsere Musik. Es geht drunter und drüber und nichts ist perfekt. Wenn drei verschiedene Menschen zusammentreffen, um zusammen Musik zu machen, entsteht eine gewisse Form des Chaos.“ Das erste Treffen von Strohmer und Pöttinger fand auf einer Geburtstagsparty einer gemeinsamen Freundin statt. Pöttinger war auf der Suche nach neuen musikalischen Mitstreiterinnen, Strohmer nicht abgeneigt. Die beiden fanden Gefallen aneinander und begannen in St. Pölten zu proben, Aron war auch bald an Bord. Kurze Zeit später ist man in Wien eine etablierte Live-Band und veröffentlicht das Debütalbum „Butt Sore“.
Kantige Redensarten
„Die wichtigste Botschaft aus dieser Geschichte: Feiert Geburtstage“, appelliert Strohmer lachend, „so viele Menschen feiern ihre Geburtstage nicht, aber dann entstehen auch keine Bands.“ So ganz ohne Pannen ging das Kennenlernen aber nicht vonstatten. „Ich fragte Resi, ob sie die Osees kennen würde“, lacht Pöttinger, „aber sie verstand Oasis und ich habe am Anfang erst einmal gezweifelt.“ Die gegenseitige Sympathie nahm aber schnell überhand und das Projekt war problemlos geboren. Der Albumtitel bedeutet wortwörtlich übersetzt „wunde Stelle am Hintern“ und ist im Endeffekt weit weniger angriffig gemeint, als er im ersten Moment wirkt. „Auch das ist eine Redensart, die besagt, dass jemand schnell eingeschnappt ist, total blockiert und dann gar nichts mehr tut. Aber vielleicht sollte man auch öfter über einen wunden Popsch reden. Das ist nur bei Babys kein Tabu.“
Die Songs auf dem Debütwerk folgen einer bestimmten Chronologie der Mitglieder und lassen sich musikalisch nicht fassen. Lo-Fi-Rock mit Slacker-Attitüde, Country-Zitate, Alternative-Sounds, Blues-Rock und 90er-Grunge-Anleihen werden in den Klangmixer geworfen und selbstbewusst zusammengeführt. Die Band kennt bei ihrer Leidenschaft, die großen Klassiker zu zitieren, keine Berührungsängste und beruft sich auf so unterschiedliche Acts wie David Byrne, The Slits, Young Marble Giants oder Sonic Youth-Legende Kim Gordon. In den Texten vermischen die drei Musikerinnen Selbsterlebtes, manchmal Gewünschtes oder total Fiktionales, wie im Signature-Song „Possession Depression“, für den man die Geschichte einer einsamen, im Ruralen wohnenden Frau namens Selma kreiert hat. „Toads On Roads“ etwa ist eine Hommage an all jene, die Frösche und Kröten von den Straßen retten.
Tief verbundene Gemeinschaft
Ein tieferes Konzept steckt freilich nicht hinter den Songs. „Oft geht es uns nur um den richtigen Klang bei den Wörtern. Wir blödeln herum und verwenden manchmal irgendwelche Geräusche, die zu Wörtern werden. Man kann gerne versuchen, eine höhere Lyrik bei uns zu erkennen, aber man wird sie wohl nicht so leicht erkennen.“ Die Ungezwungenheit und den Spaß der drei spürt man auch im Gespräch. Der völlig unverbrauchte Zugang zu den Songs macht die Musik von Topsy Turvy so kurzweilig und schwer kategorisierbar. Live setzt das Trio neben der Kraft der Musik auch auf exaltierte Schminke und besondere Kostüme, ähnlich den britischen Durchstarterinnen von The Last Dinner Party. „Und ist es wichtig, eine coole Bühnenpräsenz und einen Wiedererkennungswert zu haben“, so Pöttinger, „außerdem macht man etwas gemeinsam vor dem Konzert und wächst richtig rein. Das hat etwas sehr Schönes, Kollektives.“
Release-Show und weitere Konzerte
Heute, am 14. Juni, stellen Topsy Turvy ihr Debütalbum „Butt Sore“ nun live im Wiener Rhiz vor. Am 21. Juni tritt man im Zuge des Tangente Festivals in St. Pölten auf, am 28. Juni gibt es einen Auftritt im Wiener Replugged und Gerüchte besagen, dass sie Ende Juli auch beim traditionellen Popfest am Karlsplatz auf die Bühne gehen werden. Unter www.siluh.com finden Sie alle Termine und auch die Möglichkeiten, zu Karten zu kommen.
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