Trotz Geburtenschlappe

Immer mehr Babys durch künstliche Befruchtung

Steiermark
22.06.2024 08:30

Während das Geburtendefizit 2023 so groß war wie seit Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr, kommen immer mehr Babys mithilfe von Kinderwunschbehandlungen auf die Welt – aktuell sind es mehr als 4000 im Jahr. Eine steirische Ärztin fordert nun, eine entscheidende Regel endlich zu ändern.

Als 1984 das erste steirische Baby, das mit In-vitro-Fertilisation gezeugt wurde, auf die Welt kam, glich das einer Sensation. Heute ist die Kinderwunschbehandlung längst zur Normalität geworden: 2023 wurden am Grazer Uniklinikum hundert Frauen auf diese Art Mütter, zusätzlich haben viele nach stimulierenden Behandlungen oder mit Hormonstörungen und Endometriose ein Baby bekommen. In Österreich waren es 2022 – von damals sind die jüngsten Zahlen – über 4000, die durch IVF gezeugt wurden..

„Jedes Jahr werden es mehr“, sagt Martina Kollmann, Gynäkologin und Leiterin der Kinderwunschklinik am Uniklinikum. „Der Bedarf für Behandlungen wäre auch jetzt höher, aber es gibt immer noch Vorbehalte und Tabus. Wir sehen, dass sehr viele immer noch zu spät zu uns kommen.“

Martina Kollmann (Bild: K. Remling)
Martina Kollmann

Die Zeit ist und bleibt einer der entscheidenden Faktoren in Sachen Kinderwunsch. Im Schnitt sind die Frauen etwa 35 Jahre alt, wenn sie sich Hilfe suchen. Der IVF-Fonds zahlt Behandlungen nur bis zum 40. Geburtstag und davon nur 70 Prozent. Inseminationen oder sonstige Kinderwunschbehandlungen müssen in Österreich immer privat bezahlt werden.

Und auch bei Männern spielt das Alter eine Rolle, sagt Andreas Obruca, Präsident der österreichischen IVF-Gesellschaft und Leiter des Kinderwunschzentrums an der Wien: „In zwei Drittel der Fälle liegt das Problem (auch) beim Mann. Im Alter nimmt die Samenproduktion ab. Generell ist das aber ein Lifestyle- und Umweltproblem, das durch Rauchen, Stress und Schlafmangel begünstigt wird.“

Zitat Icon

Künstliche Befruchtung ist heute kein Tabu mehr, aber man posaunt es trotzdem nicht im Bekanntenkreis herum. 

(Bild: ANNA STOJAN)

Andreas Obruca

Frauen gehen für Solo-Mutterschaft ins Ausland
Ein besonderer Dorn im Auge ist sowohl für Martina Kollmann als auch für Andreas Obruca der Fakt, dass es alleinstehenden Frauen verboten ist, Kinderwunschbehandlungen machen zu lassen. „Das Ausland lacht über uns“, sagt Obruca. „Das Familienbild in Österreich entspricht den 1980er-Jahren.“

Selten ist das Phänomen nicht. Bis zu zehn Anfragen von Patientinnen in dieser Situation habe er im Monat, sagt Obruca. „Diese Frauen treffen ihre Entscheidung sehr bewusst. Sie wollen sich ihren Wunsch nicht mit einem One-Night-Stand erfüllen, sondern mit einem abgeklärten Samenspender und in einem rechtlich sicheren Rahmen.“

Stattdessen müssen die Frauen nach Deutschland oder Dänemark reisen, weiß Kollmann, oder suchen im Internet Hilfe. „Das gehört endlich geregelt“, plädiert auch die Grazer Ärztin.

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