„Krone“-Interview

Hudson: „Am Schluss entscheidet immer der Kopf!“

Sport-Mix
12.06.2024 19:32

In einem Beisl am Tiber feierte Victoria Hudson im kleinen Kreis bis weit nach Mitternacht ihren EM-Titel im Speerwurf, stieß mit Champagner auf Gold an. Am Vormittag blickte sie im Interview mit der „Krone“ beim Olympiastadion auf ihren Wettkampf zurück: „Am Schluss entscheidet immer der Kopf!“

„Das war eine Zitterpartie!“ Sie erzählte, warum sie nach ihrem Siegeswurf nicht jubelte, verriet, wo die Goldene einen Ehrenplatz erhält, wie sie den historischen Titel einordnet („Ich bin sehr stolz – auch für das ganze Team!“) und was Gold für die Spiele in Paris bedeutet („Die Olympia-Bühne wird brutal!“) – und von welchem Herbsturlaub sie schon jetzt träumt: „Mit meinem Freund eine Rundreise durch Vietnam!“

Die „Krone“ berichtet aus Rom

„Krone“: Gab’s eine Feier nach dem Gold? Eine kurze Nacht?
Vicky Hudson: Es gab eine kleine Feier mit meiner Familie, meinem Freund und dem ganzen Team. Wir waren in einem kleinen Beisl am Tiber in der Nähe des Stadions. Bis Viertel Drei haben wir gegessen und getrunken – auch mit Champagner auf Gold angestoßen. Es war voll nett!

Wie war die Resonanz auf Gold aus der Heimat?
Eine solch gewaltige Resonanz habe ich natürlich noch nie gehabt. So viele Leute haben mir geschrieben, so viele herzliche Glückwünsche. Es war ja ein historisches Ereignis! Die Leute haben sich irrsinnig für mich gefreut!

Bekommt die Goldene daheim einen Ehrenplatz?
Ach, da habe ich auch schon mit meinem Freund drüber gesprochen. Ich bin bei ihm vor einem halben Jahr eingezogen. Bisher habe dort keinen Platz gefunden, wo ich die Andenken für mich ausstellen kann. Jetzt haben wir uns aber schon überlegt, dass wir unter einem großen Bild von meinem Finale in Rom die Goldmedaille aufhängen.

Bitte lass den Wettbewerb noch einmal kurz Revue passieren!
Puuuh! Da war unendlich viel Anspannung! Eine Zitterpartie! Das Einwerfen war technisch nicht so gut, wie erhofft. Aber im ersten Versuch habe ich mir nichts gedacht, war nur komplett konzentriert, den Fokus ganz bei mir. Ich wollte nur geduldig und ruhig bleiben. Den ersten Wurf hatte ich noch nicht mal voll getroffen. Ich hatte auch null gejubelt. Als ich die Weite gesehen habe, habe ich gedacht, dass die sich wohl vermessen haben!

Victoria Hudson (Bild: Hasse Sjögren)
Victoria Hudson

Wie war der Moment, das Gefühl, als der EM-Titel fix war?
Es war so spannend bis zum Schluss! Den letzten Versuch, als ich schon als Europameisterin feststand, habe ich noch recht gefasst gemacht. Danach habe ich eine paarmal tief durchgeatmet – und dann vor Glück geweint. Es waren auch Freudentränen für das ganze Team. Alle Leute im Umfeld haben dazu beigetragen, dass ich einen solchen Erfolg feiern konnte. Sie haben mir Herz und Kopf geöffnet, dass man träumen darf und dass ein solcher Sieg möglich ist!

Ist Gold ein Wunder oder eine logische Folge der Arbeit der letzten Jahre?
Ein Mittelding! Beides zusammen. Ich ging als Europas Jahresbeste mit der blauen Startnummer ins Finale. Aber ich habe mich nicht unter Druck setzen lassen. Das war keine gemahte Wiese. Sieben Medaillengewinnerinnen der vergangenen Jahre waren am Start. Die können alle was. Gold war ein Wahnsinn. Früher hätte ich die die Nerven weggeschmissen.

Es war erst das dritte EM-Gold für Österreich und nach Herma Bauma (Silber 1950) die zweite Speer-Medaille bei einer EM? Was bedeutet das?
Wahnsinnig viel! Da bin ich sehr stolz! Erst mit der Zeit werde ich realisieren, was dies wirklich bedeutet. Diese großen österreichischen Erfolge liegen schon so lange zurück. Herma Baumas Silber 54 Jahre! Ich bin auch dankbar und stolz für den Verband und alle Beteiligten!

Du warst im Vorfeld ein paarmal krank, hattest Rückenprobleme. Hattest du um die EM gezittert?
Nein, gezittert um den Start habe ich nicht, ich wäre in jedem Fall angetreten, bei einer technischen Disziplin kann man immer etwas herausholen. Es war schon komisch, immer gab es irgendwas. Aber ich habe mir immer gesagt, wenn ich in Rom am Start, ist alles möglich. Am Schluss entscheidet immer der Kopf.

Victoria Hudson mit „Krone“-Reporter Olaf Brockmann (Bild: zVg)
Victoria Hudson mit „Krone“-Reporter Olaf Brockmann

War die Silberne von Lukas Weißhaidinger eine besondere Motivation?
Sicher! Ich habe seinen Wettkampf noch vor der Abreise in Wien im TV gesehen. Da hatte ich großen Respekt vor Luki, wie er an seine Grenzen gegangen ist. So geil! Ich war so stolz, dass ich Teil dieses Teams bin. Sein Silber war eine Zusatzmotivation für mich.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit im Training mit Luki und Trainer Gregor Högler?
Es ist unglaublich, wie sich Gregor bei uns beiden reinhaut. Mehr geht nicht mehr – von ihm und vom ganzen Team. Die Aufteilung beim Wurftraining klappt gut. Da trainiert Gregor mit Luki morgens, mit mir nachmittags. Krafttraining machen wir manchmal auch zusammen. Für Gregor ist das anstrengend, doppelte Arbeit, da ist er selbstlos!

Was bedeutet dieses Gold in Hinblick auf Olympia?
Das EM-Gold zeigt mir, dass ich einen starken Kopf habe! Dieses Gold kann mir niemand mehr nehmen. Die Olympia-Bühne aber wird brutal. Noch haben wir sieben, acht Wochen Zeit für die Vorbereitung. Es gibt immer Kleinigkeiten, an denen wir arbeiten müssen. Das Wichtigste ist, gesund zu bleiben.

Gibt’s jetzt eine kurze Trainingspause?
Ich bleibe mit meinem Freund bis Freitag in Rom, dann habe ich daheim noch  ein paar Tage frei, ehe es mit dem Training weitergeht.

Wie wird der Countdown für Paris verlaufen?
Ich werfe bei den Staatsmeisterschaften in Linz, dann möglicherweise bei der Diamond League in London und Monaco sowie bei einem Meeting in Finnland.

Wie war die Unterstützung im Stadion?
Voll schön! Die Großeltern, beide über 80 Jahre alt, sind extra aus England eingeflogen, meine Eltern, mein Freund und Bekannte waren auf der Tribüne. Das sind alles so liebe Menschen, da bin ich stolz, wenn ich sie im Stadion sei. Das ist eine enorm positive Unterstützung.

Victoria Hudson feierte mit der Österreich-Fahne. (Bild: GEPA pictures)
Victoria Hudson feierte mit der Österreich-Fahne.

Nicht alle Leser kennen deinen Background. Erzähl, bitte, über deine englischen Wurzeln!
Ganz einfach: Mein Papa kommt aus England, aber ich bin in Österreich, in Hainburg, geboren. Mein Vater stammt aus Southhampton. Ich bin zweisprachig aufgewachsen.

Dein Papa war in England Cricket-Spieler, hast du selbst auch Cricket gespielt?
Mein Vater hat in England hobbymäßig Cricket gespielt. Cricket ist dort ja eine Art Nationalsport. Ich habe aber nie Cricket gespielt. Im übrigen wechselte der Papa in Österreich bald vom Cricket zum Golf.

Wann, warum und wie bist du zur Leichtathletik und speziell zum Speerwurf gekommen?
Ich habe schon in der Schule sehr gut Schlagball geworfen. Da hatte mir eine Lehrerin im Gymnasium empfohlen, in einen Leichtathletik-Verein zu gehen. Erst habe ich ein wenig Mehrkampf gemacht, aber schnell war klar, dass Speerwurf meine Disziplin ist. Mit 17 Jahren habe ich mich dann auf den Speerwurf konzentriert.

Wann und warum kam der Wechsel von Trainerin Lisi Eberl zu Gregor Högler?
Vor zwei Jahren, Lisi Eberl war damals schwanger.

Welche Hobbys hast du neben dem Sport?
Ich lese viel, verbringe viel Zeit mit meinem Freund. Ich häkle gerne, backe gerne Brot und koche auch gerne. Ich habe auch eine handwerkliche Ader.

Hast du schon ein Traumziel für einen Urlaub nach der Saison?
Ich würde gerne mit meinem Freund eine Rundreise durch Vietnam machen.

Porträt von Olaf Brockmann
Olaf Brockmann
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(Bild: KMM)



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