Die Underdog-Rolle hat er beiseite gelegt, nach Paris – eigentlich Marseille – fliegt Valentin Bontus als WM-Dritter. Im exklusiven Krone.at-Interview sprach der Kitefoil-Athlet über den Erfolg in Hyeres und den großen Traum von Olympia, dem er das Surferimage längst untergeordnet hat.
Krone.at: Vali, du hast dir gemeinsam mit dem Österreichischen Segel-Verband das Ziel gesetzt, 2028 in Los Angeles um Medaillen zu fahren. Jetzt fliegst du als WM-Dritter nach Paris/Marseille. War der Plan schlecht oder du zu gut?
Bontus: Das ist eine gute Frage (lacht). In klassischen Segelklassen ist es schwer, innerhalb dieser kurzen Zeit an die Weltspitze zu kommen. Da der Kitesport allerdings immer noch jung ist und ich ja doch eine Vergangenheit mit dem Kiten habe, ist es mir wohl leichter gefallen, mich nach oben zu kämpfen. Natürlich hatte ich auch immer die 2024er-Spiele im Kopf, wollte in Paris einfach Erfahrung sammeln. Dass ich nun um Medaillen fahre, war so nie geplant, aber jetzt stehen wir da. Ich habe eine WM-Bronzemedaille im Gepäck und will in Paris erneut Edelmetall holen. Es ist keineswegs so, dass wir sagen, 2028 ist das Ziel, wir ruhen uns jetzt aus.
Dass du überhaupt als Formula-Kite-Racer an den Start gehst, ist in gewissem Maße einer Verletzung geschuldet …
2020 habe ich mir das Kreuz- und Innenband gerissen, damals ging ich eigentlich nur im Freestyle und Big Air aufs Wasser. Mit der Verletzung war das Kapitel allerdings zu Ende, im Endeffekt hat es zu dem geführt, wo ich heute bin und das ist in gewisser Weise der größte Segen. Es zeigt mir, dass alles aus einem speziellen Grund passiert. Ich habe mich mit dem Segel-Verband in Verbindung gesetzt, der natürlich erst einmal keine Ahnung hatte, wer ich überhaupt bin. Mit der Zeit kamen jedoch die ersten Resultate und damit auch die unglaublich wertvolle Unterstützung.
Die WM vor Hyeres liegt nur wenige Wochen zurück – wie lange hast du dein Edelmetall feiern dürfen, wann stand wieder Olympia auf der Agenda?
Wenn eine WM so knapp vor den Spielen stattfindet, ist das natürlich schwierig, mir bleibt wenig Zeit, all das zu realisieren. Wir mussten den Fokus sofort wieder auf Paris lenken. Die WM war natürlich etwas Besonderes, aber unser Peak-Event bleiben nun einmal die Spiele. Nach Hyeres ist unser Plan direkt wieder strukturiert weitergegangen, mit dem Blick stets Richtung Olympia. Selbstverständlich habe ich die Medaille genossen, das war schon supergeil, aber ich glaube, ohne die Olympischen Spielen wäre es ein bisschen entspannter gewesen.
Spätestens seit heuer gehörst du dem Favoritenkreis um eine Olympiamedaille an, eine – oft vielleicht stressfreie – Underdog-Rolle schreibt dir mittlerweile kaum jemand zu. Erhöht das den Druck?
Der Plan bleibt, 2028 auf unserem Höhepunkt zu sein, ich habe noch immer wenig zu verlieren. Aber klar, nach der Bronzemedaille bei der WM stehe ich natürlich als Medaillenfavorit da – zumindest schreiben das die Medien. Ich selbst mache mir keinen großen Druck. Ich weiß, dass ich schnell bin und immer um eine Medaille kämpfen kann. Wenn ich einfach mein Ding durchziehe, sollte es nicht komplett schieflaufen. Ich bin zuversichtlich, dass ich ein gutes Resultat erzielen werde, ob ich am Ende mit einer Medaille dastehe oder nicht, hängt von einigen Faktoren ab. Der Druck kommt von den anderen, ich versuche, das alles ein bisschen an mir vorbeigehen zu lassen.
Ich selbst mache mir keinen großen Druck. Ich weiß, dass ich schnell bin und immer um eine Medaille kämpfen kann.
Valentin Bontus
Bild: APA/GEORG HOCHMUTH
Du machst dich schon jetzt mit der Umgebung vertraut, gewöhnst dich aktuell an Wind und Wetter in Marseille. Wie sieht der Plan bis zum Olympia-Startschuss aus?
Das Ziel ist es, dass wir hier in Marseille eine Routine entwickeln, uns wohlfühlen – sei es auf dem Wasser oder auch auf dem Land. Ich weiß, wo welcher Shop, wo welches Restaurant ist. Bei all dem Trubel ist es angenehm, wenn alles durchstrukturiert ist. Bis zu den Spielen komme ich allerdings noch einmal heim und auch die Off-Time bei meiner Freundin in den Bergen wird mir sehr guttun. Mir ist es enorm wichtig, auch einmal etwas anderes als Wellen und Meer zu sehen.
Wie geht der Olympia-Wettkampf über die Bühne?
20 Länder haben sich für die Spiele qualifizieren können, wobei jede Nation eine Athletin und einen Athleten in den Bewerb schickt. In bis zu 16 Rennen binnen vier Tagen fahre ich neben meinen 19 Kontrahenten um Punkte, wobei der beste Athlet am Ende die wenigsten Punkte am Konto hat. Am letzten Tag ziehen die Top 10 in die Medal Series ein, wo es schließlich ums Eingemachte geht und wir im Semifinale beziehungsweise Finale um die Medaillen fahren.
Du kitest seit deiner Kindheit. Was würde der zehnjährige Valentin sagen, wenn man ihm erzählen würde, dass er einmal als WM-Dritter zu den Olympischen Spielen fährt?
Das würde er nicht glauben (lacht). Damals ging es mir nur um Freestyle und coole Sprünge, Foil-Racer waren in meinen Augen immer die Spießer. Wahrscheinlich hätte ich geantwortet: ‘Ja genau, jetzt werde ich zu so einem Spießer …‘ Ich hätte es mir damals nie vorstellen können.
Bereits als Kind ging Bontus mit Kite und Brett aufs Wasser ...
Chillen am Strand und ein gemütliches Bier nach der Session … Ein Image, dass Surfern gerne nachgesagt wird. Wie viel Surfer-Style erlaubt dir der Leistungssport noch?
Fast gar nicht, leider. Wenn du vorne mitfahren und gewinnen willst, kannst du nicht am Abend Bier trinken und feiern gehen, um am nächsten Tag um zwölf Uhr aus dem Bett zu steigen und irgendwann aufs Wasser zu gehen. Das geht einfach nicht. Wir haben ein Meeting, bevor es aufs Wasser geht, wir haben ein Meeting nach dem Wasser. Wir haben Wetter-Meetings in der Früh, außerdem stehen Einheiten im Fitnessstudio und das Ausradeln nach den Sessions auf dem Plan. Ein kühles Bierchen am Strand spielt es nicht mehr. Schließlich will ich nicht nur dabei sein, weil es mir Spaß macht, ich will gewinnen!
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