Die heimische Immobilienwirtschaft schlägt Alarm und warnt vor Wohnungsnot und mehr Arbeitslosen. Da interessierte Kunden kein Geld von der Bank bekommen, verkaufen viele Immobilienmakler oft monatelang kein Objekt. Auch neue Wohnungen werden kaum mehr gebaut.
„Der Neubaumarkt ist derzeit tot“, sagte Gerald Gollenz, Obmann des Immobilien-Fachverbands. Es werde kaum noch eine Wohnung verkauft. Die Prognose für 2025 werde von Tag zu Tag schlechter. „Wir reden jetzt schon von minus 80 Prozent bei der Neubauleistung“, so der Experte. Das hätte auch massive Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft und die Arbeitnehmer – von den großen Konzernen bis hin zur Hausbesorgerin. Immer mehr Bauarbeiter müssten jetzt in der warmen Jahreszeit „stempeln gehen“, das habe es noch nie gegeben. Dazu kommt, dass in ganz Österreich eine Wohnungsnot zu erwarten sei.
Erleichterungen bei Kreditvergabe ab 1. Juli
Als einen der Gründe für den Einbruch beim Wohnungsverkauf macht die Immo-Branche seit Monaten die KIM-Verordnung mit ihren strengeren Kreditregeln der Finanzmarktaufsicht (FMA) aus. An dieser Front gibt es ab 1. Juli 2024 Erleichterungen, da die Regeln für Ausnahmekontingente, wo nicht alle Bestimmungen eingehalten werden müssen, vereinfacht wurden.
Wir reden jetzt schon von minus 80 Prozent bei der Neubauleistung.
Gerald Gollenz, Obmann des Immobilien-Fachverbands
Kreditnehmer müssen zwar weiterhin bestimmte Anforderungen erfüllen. So hat der Eigenmittelanteil bei der Aufnahme von Krediten mindestens 20 Prozent betragen. Außerdem dürfen Wohnbaukredite nicht länger als 35 Jahre laufen und die Rückzahlungsrate darf maximal 40 Prozent des verfügbaren Nettohaushaltseinkommens ausmachen. 20 Prozent des Neukundenvolumens darf davon abweichen. Diese Variante wurde bisher aufgrund ihrer komplexen Regelung aber nicht ausgeschöpft.
Schlechte Stimmung auf dem Markt
Dazu kommt aber die schlechte Stimmung am Markt: Weil es dauernd heiße, dass sich niemand mehr Eigentum leisten könne, würden viele erst gar nicht nach einem Kredit fragen, so der Wiener Fachgruppenobmann Michael Pisecky. Sein Kollege aus Niederösterreich, Johannes Wild, weiß von Maklern und Bauträgern, die das letzte Objekt vor neun Monaten verkauft hätten.
Durch stark gestiegene Baukosten und Zinsen sind viele Immobilienentwickler nach einer mehrjährigen Boomphase vergangenes Jahr unter Druck geraten. Besonders mittelgroße Betriebe sind stark betroffen und teils in die Pleite gerutscht. Zusätzlich zu den Insolvenzen stelle sich auch die Frage, was mit den nicht fertiggestellten Wohnungen passiert. Der Bauträgersprecher Hans Jörg Ulreich geht davon aus, dass Projekte, die kurz vor der Fertigstellung stünden, auch abgeschlossen würden. Denn auch die Banken wüssten, dass nichts weniger wert sei als eine halb fertige Baustelle.
Ulreich berichtete, dass nicht nur Wohnungskäufer immer schwerer Kredite bekämen, sondern auch Projektentwickler. Bei ihm selbst habe es zuletzt statt sonst drei Wochen acht Monate gedauert, bis er die Finanzierung erhielt. Kritik übte er an der FMA, dort würden junge WU-Absolventen Bankdirektoren mit Zuverlässigkeitsprüfungen drohen. FMA-Chef Helmut Ettl forderte er auf, „das Hirn einzuschalten und die KIM-Verordnung zu streichen“.
Beim Konjunktur-Paket der Regierung fehlen Details
Ein weiterer Kritikpunkt: Teile des angekündigten Baukonjunkturpakets der Regierung funktionieren nicht. So gebe es zum Beispiel offene Fragen bei den staatlich geförderten Darlehen bis 200.000 Euro, bei denen nicht Marktzinsen von über 4 Prozent anfallen sollen, sondern nur 1,5 Prozent. Bis jetzt sei nicht klar, wer Anspruch auf das günstigere Geld habe. Viele junge Familien warten daher ab, um sich ihren Traum vom Eigenheim zu erfüllen.
Mietwohnungen gefragter und teils teurer
Da sich immer weniger Menschen Eigentum leisten können, sind Mietwohnungen gefragter und am freien Markt teils teurer. Ein Mietpreisdeckel würde für bestimmte Bevölkerungsgruppen aber nichts verbessern, glauben Experten. Durch die hohe Nachfrage könnten sich die Vermieter die Mieter aussuchen. „Leute mit hohen Einkommen gewinnen dann das Rennen, da die Vermieter Sicherheit wollen,“ ist Pisecky überzeugt.
Wenn wir jetzt reagieren, wird die Talsohle nicht so tief sein und Aufschwung schneller erfolgen.
Gerald Gollenz
Gollenz betonte, es gehe nur noch um eine Schadensbegrenzung. „Wenn wir jetzt reagieren, wird die Talsohle nicht so tief sein und Aufschwung schneller erfolgen.“ Die Branchenvertreter wollen deshalb Anfang Juli den Druck mit einem neuen Forderungspapier erhöhen.
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