Der Juni steht ganz im Zeichen des Regenbogens – es ist Pride Month! Unter bunten Flaggen finden sich in vielen Ländern der Welt Menschen zusammen. Nicht nur, um die Vielfalt zu feiern, sondern auch um ein Bewusstsein für die Anliegen von queeren Menschen zu schaffen und gegen deren Stigmatisierung und Ausgrenzung einzutreten. Wir möchten hier auf die häufigsten Aussagen und Fragen zu diesem Thema eingehen und mit Irrtümern und Vorurteilen aufräumen.
„LGBTQIA+ und so weiter, wer soll sich da noch auskennen?“
Zugegeben, der Begriff hat sich seit seiner Entstehung in den Neunzigerjahren stark gewandelt. In seiner Ursprungsform LGB (aus dem Englischen) stand er für lesbische, schwule und bisexuelle Menschen. Um die Inklusion weiterer Gruppen deutlich zu machen, kamen im Laufe der Jahrzehnte immer mehr Buchstaben hinzu. Mittlerweile umfasst er auch transgender/ transsexuell, queer, intersexuell, asexuell und weitere Geschlechteridentitäten, die durch das Plus symbolisiert werden sollen. Das zeigt, dass das Verstehen und Sichtbarmachen dieser Gruppierungen ein laufender Prozess mit dem Ziel ist, möglichst alle miteinzubeziehen.
„Es gibt aber doch nur zwei Geschlechter!“
Das ist eine Frage der Definition. Es gibt beispielsweise einen Unterschied zwischen dem biologischen Geschlecht (englisch „Sex“) und dem sozialen Geschlecht (englisch „Gender“).
Eine vollständige Binarität gibt es an der Rolle der Fortpflanzung festgemacht, also in Bezug auf Eizelle und Spermium. Eine Stufe weiter sind wir dann bei Merkmalen wie Genitalien, Chromosomen und Hormonen, wobei das je nach Tiergattung unterschiedlich sein kann. Bei Säugetieren und auch beim Menschen gilt die Kombination von XX-Chromosomen als weiblich und die Kombination von XY-Chromosomen als männlich. Doch es gibt, sowohl im Tierreich als auch beim Menschen, Abweichungen von dieser Einordnung. In solchen Fällen ist das Geschlecht anhand der Anatomie, der Genetik, der Chromosomen oder der Hormone nicht klar als weiblich oder männlich erkennbar. Man spricht dann von Intergeschlechtlichkeit. Das zeigt einerseits, dass es selbst biologisch nicht so eindeutig ist, wie man meinen könnte, andererseits, dass Chromosomen zwar in der Regel das Geschlecht bestimmen, es aber nicht definieren.
Beim sozialen Geschlecht geht es um die Bewertung von Aussehen und Körpersprache, aber beispielsweise auch Handlungsweisen, die als weiblich oder männlich gesehen werden. Diese sind stark kulturell definiert und kein starres Konzept, sondern veränderbar. Hier befinden wir uns auch im Bereich der Geschlechtsidentität – darin drückt sich aus, welchem Geschlecht sich eine Person zugehörig fühlt. So kann es vorkommen, dass jemand sich nicht als das Geschlecht identifiziert, das ihm bei der Geburt zugewiesen wurde oder sich gar keinem oder beiden Geschlechtern zugehörig fühlt.
Das menschliche Geschlechterkonstrukt ist ergo ein komplexes Themenfeld, dem man nicht mit rein biologischen Begriffen Rechnung tragen kann. Die realgesellschaftliche Vielfalt von Sex und Gender zeigt, dass es hier genauso vielfältige wissenschaftliche Disziplinen braucht, um das abzubilden: Naturwissenschaften ebenso wie etwa Sozialwissenschaften oder Psychologie. Die einzelnen Kategorien sind nicht streng voneinander abgegrenzt. Es gibt kein „Falsch“ oder „Richtig“, sondern ein Zusammenspiel von Annahmen und Blickwinkeln, die das gesamte Spektrum beleuchten.
Genitales Geschlecht: Bestimmung durch die primären Genitalien (Vulva, Penis)
Gonadales Geschlecht: Bestimmung durch die Keimdrüsen (Eierstöcke, Hoden)
Identitätsgeschlecht: Bestimmung durch die eigene Geschlechtsidentität = das Geschlecht, als das man sich identifiziert
„Nur Heterosexualität ist natürlich und normal!“
Sexualität ist als Spektrum zu verstehen. „Natürlich“ und „normal“ sind subjektive Begriffe; nichts als ein Spiegelbild kultureller Normen, die Wandlungen unterworfen sind. Was etwa bei uns vor hundert Jahren als „normal“ galt, muss es heute nicht mehr sein und umgekehrt. Diese Vorstellung ignoriert außerdem nicht nur die Vielfalt von menschlichen Beziehungen und Lebensstilen, sondern auch die der Natur selbst. Tatsache ist: Bei über 1.500 Tierarten ist homosexuelles Verhalten dokumentiert.
„Früher hat es nicht so viele Homosexuelle gegeben!“
Diesen Eindruck könnte man durch die vermehrte Aufmerksamkeit, die diesem Thema zuteil wird, vielleicht bekommen, doch der Schein trügt. Denn Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierungen gab es zu jeder Zeit und in jeder Gesellschaft. Laut verschiedener Studien schwankt die Zahl von Homosexuellen zwar je nach Ländern zwischen 5 und 15 Prozent – allgemein werden etwa 10 Prozent angenommen – aber ein neues Phänomen ist das nicht. Vielmehr verhält es sich ganz ähnlich wie mit allen anderen Themen, die früher ein großes Tabu waren, mittlerweile diesen Status aber zum Glück vermehrt verlieren: Nur weil man ein Thema totschweigt, bedeutet das nicht, dass es nicht existiert. Es wird lediglich verdrängt, genauso wie die Leute, die es betrifft, zurückgedrängt und aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Sexualität und Geschlecht sind schließlich nichts, das man sich aussucht wie ein Kleidungsstück. So kann auch von außen nicht beeinflusst werden, welches Geschlecht man liebt. Die Vorstellung, dass Menschen beispielsweise vermehrt „homosexuell werden“, weil man heutzutage über verschiedene Arten der Sexualität in der Öffentlichkeit spricht, ist wissenschaftlich absolut haltlos. Was allerdings von der Gesellschaft beeinflusst werden kann, ist der Umgang damit, ergo ob und wie man dazu steht. Wie wir wissen, war etwa in der Antike Homosexualität etwas Alltägliches, während man sie im Mittelalter tabuisierte und stigmatisierte. Und auch heute noch gibt es viele Länder, in denen sich Homosexuelle nicht outen können, da ihnen sonst drakonische Strafen drohen. Unter anderem genau deswegen hat der Pride Month auch seine Berechtigung: Er soll zeigen, dass Menschen aus diesem Spektrum immer noch in Teilen der Welt kriminalisiert werden und mit Diskriminierung, Hass und Hetze zu kämpfen haben, obwohl sich niemand dafür schämen muss, nicht heterosexuell zu sein. Es sollte das Ziel sein, die Sichtbarkeit und Akzeptanz von Vielfalt zu fördern, damit queere Menschen sich nirgends mehr im Schatten verstecken müssen.
Wir haben hier nun die wichtigsten Begriffe in puncto LGBTQIA+ kennengelernt und festgestellt, dass es nicht nur eine Art gibt, Geschlechter zu definieren. Wir wissen jetzt auch, dass Homosexualität nichts Neues oder Unnatürliches ist und selbst im Tierreich vorkommt. Insofern hoffen wir, dass hierzu jetzt mehr Klarheit herrscht. Gibt es weitere Fragen oder Aussagen, die Ihnen zu diesem Thema bereits untergekommen sind? Schreiben Sie diese gern unten in den Kommentarbereich!
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