Das Eyesee Mannequin biete sehr viel mehr, als Kollektionen vorzustellen und die Kunden zum Ladenbesuch zu ermuntern, wirbt Almax in einem Werbefolder für seine Hightech-Schaufensterpuppen. "Sie können nämlich die Leute 'beobachten', die von Ihren Schaufenstern angezogen werden, denn die Figur enthüllt wichtige Details über die Personen, die Ihre Kleidungsstücke bestaunen." Erfasst würden Alter, Geschlecht und Ethnie der Kunden, außerdem, wie lange und wo diese besonders häufig stehen bleiben.
Videokamera im Kopf ermöglicht "Gesichtsprofilierung"
Ermöglicht wird all dies durch ein System zur "Gesichtsprofilierung", wie es Almax nennt: Eine im Kopf der Schaufensterpuppe installierte Videokamera analysiere körperliche Merkmale der Personen, die an ihr vorübergehen, und liefere statistische und unmittelbare Daten für die Ausarbeitung von gezielten Marketingstrategien. Von nun an sei es also möglich zu wissen, wie viele Leute in den Laden kommen, aufzuzeichnen, in welchen Stunden der größte Kundenandrang herrscht, und zu verstehen, ob einige Bereiche Gefahr laufen, überfüllt zu werden.
"Volle Berücksichtigung der Privatsphäre"
Die Wirksamkeit der Schaufenstereinrichtung könne so geprüft, der vom Verkaufspersonal erbrachte Service verbessert und der Kundenfluss erleichtert werden, heißt es weiter. Und all dies unter "voller Berücksichtigung der Privatsphäre, die durch einen hoch entwickelten technologischen Mix aus Software und Hardware gewährleistet ist, mit dem die Daten 'auf der Kamera' verarbeitet werden, also ohne die Hilfe eines Computers und ohne dass sensible Informationen (Bilder oder biometrische Daten) übertragen und registriert werden müssen".
Weltweit "einige Dutzend" EyeSee Mannequins im Einsatz
Wie Almax-Geschäftsführer Max Catanese gegenüber der Finanznachrichtenagentur Bloomberg schildert, seien derzeit ein "paar Dutzend" der rund 4.000 Euro teuren Puppen bei fünf verschiedenen Unternehmen in Europa und den USA im Einsatz. Wo genau, das will man jedoch offenbar nicht verraten.
Erste Erfolge gebe es laut Almax aber zu verzeichnen: Ein Geschäft habe im Rahmen eines Ausverkaufs bemerkt, dass Männer mehr Geld ausgeben als Frauen, und seine Auslagen entsprechend umdekoriert. Ein anderes wiederum habe erkannt, dass über die Hälfte seiner nachmittäglichen Kundschaft Kinder ausmachte, und ein dritter Laden wiederum habe mithilfe der italienischen EyeSee Mannequins bemerkt, dass ein Drittel seiner Kunden, die eine bestimmte Eingangstür passierten, Asiaten waren. Seitdem warte an dieser Stelle eine chinesischsprachige Verkäuferin auf die Käuferschaft.
"Fantastisch" bis "gruselig": Beobachter geteilter Meinung
"Jede Software, die uns dabei behilflich sein kann, anonyme Nutzerprofile zu erstellen, ist fantastisch", zeigt sich Uche Okonkwo, Direktor der Beratungsfirma Luxe Corp, gegenüber Bloomberg vom Nutzen der "spionierenden" Schaufensterpuppen überzeugt. Seiner Meinung nach könnten diese das Shopping-Erlebnis sowie die Produktauswahl verbessern und den Unternehmen helfen, ihre Kunden besser zu verstehen. Denn im Gegensatz zu sonst üblichen Überwachungstechnologien an der Decke, operierten die EyeSee Mannequins auf Augenhöhe mit dem Konsumenten, führt Almax aus.
Andere Experten betrachten die neue Form der Verbraucheranalyse jedoch mit Sorge. "Es ist gruselig", zitiert Bloomberg Luca Solca, Analyst von Exane BNP Paribas. Niemand erwarte, von einer Schaufensterpuppe beobachtet zu werden. Genau hierin liegt dem Anwalt Christopher Mesnooh zufolge auch das Problem: Der Einsatz von Videokameras sei nach US- und EU-Recht zwar erlaubt, jedoch müssten die Geschäfte ihre Kunden mittels entsprechender Schilder darüber informieren, dass sie zur Überwachung gefilmt werden. Die Mannequin-Spione könnten diese Regeln allerdings brechen. Schließlich könne das Beobachten von Menschen rein zu kommerziellen Zwecken als Sammeln von persönlichen Daten ohne Einverständnis der Betroffenen gesehen werden, so Mesnooh.
Schaufensterpuppe sollen "Ohren" wachsen
Ob die EyeSee Mannequins künftig auf breiter Front Käufer in aller Welt ausspionieren, bleibt abzuwarten. Bei der in den USA mit über 100 Geschäften vertretenen Handelskette Nordstrom ist man zumindest derzeit noch der Auffassung, dass der Einsatz einer Gesichtserkennungssoftware "einen Schritt zu weit geht". Die Märkte veränderten sich zwar stetig, aber man sei darauf bedacht, die Grenzen der Konsumenten zu respektieren, so Unternehmenssprecher Colin Johnson.
Bei Almax arbeitet man dessen ungeachtet bereits an der nächsten Generation spionierender Schaufensterpuppen. Um Angebote und Dienstleistungen künftig noch besser auf den Kunden zuschneiden zu können, soll diese mit künstlichen Ohren ausgestattet sein und mittels Spracherkennung aufschnappen, was der Konsument wünscht.
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