Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sucht den idealen EU-Kommissar. Nun denkt er an eine Überraschungskandidatin und Expertin, um die grüne Blockade zu überwinden.
Österreich ist EU-Kommissionsland. Kaum ein anderes kleines Mitgliedsland konnte solche politischen Schwergewichte mit entsprechend wichtigen Ressorts nach Brüssel entsenden wie Österreich. Nun muss die Nachfolge für Johannes Hahn (ÖVP) gefunden werden, der dafür verantwortliche Kanzler Karl Nehammer steht unter einem gewissen Erwartungsdruck.
Zudem hat der Regierungschef ein veritables Problem, oder anders: einen Koalitionspartner. Die Grünen fühlen sich offenbar an die Koalitionsvereinbarung im „Sideletter“ mit Personalabsprachen nicht mehr gebunden. Der Kommissarsposten soll als Faustpfand die Position der Grünen im Personalpoker verstärken, um mehr Besetzungen für die Grünen herauszuholen. Zudem muss der Regierungskandidat durchs Parlament, braucht eine Mehrheit im Hauptausschuss.
Frau als Kommissarin für Innovation & Forschung
Als ideale Kandidatin gilt Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), die Regierungs- und EU-Gerichtshoferfahrung hat, fließend Englisch und Französisch spricht. Ihr europäisches Netzwerk ist bemerkenswert. Ihre Absage, die ÖVP-Liste in die EU-Wahlen zu führen, machte ihr wenige Freunde im Kanzleramt. Das sollte zwar kein Grund sein, sie zu verhindern, aber vielleicht auch kein Anlass für Loyalitätsexzesse Nehammers.
Zumal Nehammer ein Ass im Ärmel hat: Die gewählte, aber noch nicht designierte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat Österreich offenbar ein mögliches Ressort mit großer Strahlkraft für eine Kandidatin in Aussicht gestellt: Forschung und Innovation.
Nehammer scheint bereits jemand fern der Parteipolitik gefunden zu haben: Henrietta Egerth, Geschäftsführerin der Forschungsförderungsgesellschaft, könnte Kommissarin werden. Egerth gilt dank ihrer exekutiven Funktion, aber auch zahlreicher Mandate in Beiräten und Aufsichtsräten als ideale Expertenwahl. Sie kennt Brüssel aus den späten 90er-Jahren, als sie für die Industriellenvereinigung Delegierte bei der Arbeitgebervertretung war.
Die Grünen täten sich schwer, sie abzulehnen, Egerths Co-Geschäftsführerin Karin Tausz in der Forschungsförderungsgesellschaft wurde von den Grünen bestellt, trotz ihrer fehlenden Forschungsexpertise klappt die Zusammenarbeit der beiden überraschend gut, wie man hört.
Einen politischen Vollprofi kann Nehammer immer noch mit Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) schicken, der sich für alle Ressorts mit Finanz- und Energiebelangen empfiehlt. Für ihn spricht die Unterstützung des Wirtschaftsbundes, mit dem sich Nehammer nicht immer leichttut.
Monate des Verschleppens
Sollte der Kanzler keinen der drei durchbringen, droht ihm das Karas-Finale. Othmar Karas könnte als Kandidat der Ampelparteien der ÖVP als einer der (ehemals) ihren im letzten Moment kurz vor oder nach der Nationalratswahl nach Monaten des Verschleppens aufs Auge gedrückt werden.
Genau das will Nehammer unter allen Umständen verhindern und daher schnell einen Kompromiss mit den Grünen finden. Der könnte bedeuten, dass Justizministerin Alma Zadić (Grüne) als Richterin an den EU-Gerichtshof wechselt. Sie soll davon nicht begeistert sein.
Das allerletzte Kapitel Schwarz-Grün hat gerade begonnen. Happy End nahezu ausgeschlossen.
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