Furioses Finale

Nova Rock: Das Beste kommt ganz zum Schluss

Musik
17.06.2024 02:17

Die Schlacht ist geschlagen, jetzt geht es zurück ins normale Leben. Am vierten und letzten Tag des Nova Rocks gab es mit Bring Me The Horizon den besten und kurzweiligsten Headliner zu bestaunen. Das Festival verlief großteils sonnig, musikalisch bunt und friedlich – die besten Voraussetzungen, um auch 2025 eine schöne Edition auf die Beine zu stellen.

(Bild: kmm)

Die wilden Regenfälle Samstagnacht ließen für den Abschlusstag am Nova Rock übles befürchten, aber Veranstalter und Fans kommen sonntags mit mehr als einem blauen Auge davon. Das Gelände weist Pfützen auf, aber im Großen und Ganzen hält der Boden und ein Voranschreiten ist ohne Probleme möglich. Zudem spart man sich am Zusatztag viele Wege, weil die Red Stage bereits außer Betrieb genommen ist und während des Sounds auf der Hauptbühne von fleißigen Bühnenarbeitern abgetragen wird. Wer sich bereits mittags zur Traditionsveranstaltung von Wendi’s Böhmischer Blasmusik einfindet, kann sich traditionell mit einem guten Humpen Bier auf den letzten Tag einstellen. Wenn man sich die ernsthaft exerzierten traditionellen Elemente wegdenkt, dann spürt man auch hier den ruhelosen Geist der Fäaschtbänkler umherschwirren – da kann es einem schon mal die Gänsehaut aufziehen, obwohl die Sonne auf den Leib brennt.

Utopia am Acker
Die Stimmung unter den Nova-Rock-Besuchern ist – so wie an den Tagen zuvor - entspannt und gemütlich. Die Menschen verteilen sich sehr gut auf dem Gelände, es gibt kaum schwer Besoffene und das Aggressionspotenzial pubertierender Fast-Maturanten hält sich schwer in Grenzen. Man ist fast schon versucht zu sagen, hier herrsche eine Art universelles Utopia, das all die Probleme dieser Welt vergessen machen kann – nicht die schlechteste Vision in diesen Tagen. Der gemächliche Southern Rock von den in Österreich etablierten Black Stone Cherry ist der perfekte musikalische Hintergrund für diese träumerische Hippie-Fantasie. Gerade weil die Band es so gemächlich und herzhaft angeht, passt sie gut zur Abschiedsmelancholie, die die „Nova-Stadtbewohner“ am Ende stets befällt.

Die Fans feierten am Nova Rock friedlich und mit viel Liebe zur Musik. (Bild: Andreas Graf)
Die Fans feierten am Nova Rock friedlich und mit viel Liebe zur Musik.

Wissen über die japanische Kultur und ihre Manga- und Anime-Welten ist beim Festivalabschluss jedenfalls nicht von Nachteil. Mit Beast In Black (Bandname), Babymetal (Grobkonzept) und Bring Me The Horizon (vereinzelt in Songs) bedienen sich gleich drei Combos an fernöstlicher Kultur und geben dem Nova Rock zum Abschluss eine eigene Farbe. Das ursprüngliche Casting-Projekt Babymetal hat sich mittlerweile auch am heimischen Livesektor etabliert und lockt eine stattliche Anzahl an Fans und Interessierte vor die Bühne. Generischer Groove Metal wird in ohrenbetäubender Lautstärke über das Areal gespielt, während die drei Sängerinnen Su-Metal, Moametal und Momometal in funkelnden Kostümen und optisch akkurater Gleichschaltung dazu tanzen. Dazu gibt es grafische Einblendungen, vereinzelte Feuersäulen und sehr viel schräge Inszenierung.

Grenzen neu ausloten
Im Mittelpunkt steht das aktuelle Album „The Other One“, das Su-Metal im „Krone“-Interview erklärt. „Das Album drückt in zehn Songkapiteln zehn verschiedene Welten im Kosmos von Babymetal aus. Der Inhalt des Albums bezieht sich stark auf Mythen und alte Fotografien, weshalb es immer wieder Neues zu entdecken gibt.“ Babymetal existieren in ihrer fiktiven „Metalverse“ und haben für die Zukunft Großes vor. „Wir haben keine Ahnung, wie weit wir es mit dieser Band schaffen werden, glauben aber daran, dass wir die Grenzen völlig neu ausloten können.“ Den zuckerlbunten Anime-Metal trugen Babymetal auch schon nach Wien, woran sich Moametal freudig zurückerinnert. „Als wir hier im Winter spielten, haben mich die beleuchteten Gebäude schier umgehauen. Außerdem ist die Sachertorte ist einfach köstlich.“ Offen bleibt, ob sie am Nova-Gelände den Alpenkebab ausprobierten.

Das einzigartige Trio Babymetal aus Japan beim Shooting mit der „Krone“ nach dem Interview. (Bild: Andreas Graf)
Das einzigartige Trio Babymetal aus Japan beim Shooting mit der „Krone“ nach dem Interview.

Als völliger Kontrast zum japanischen Kawaii-Metal agieren davor die Hardcore-Legenden Biohazard. Das New-York-Kollektiv hat 2022 endlich den verlorenen Sohn und Ex-Pornostar Evan Seinfeld reintegriert und spielt sich seither erfolgreich durch die globalen Festivals und Hallen. Frontmann Billy Graziadei sucht den Vollkontakt zu den Fans und schmeißt sich mit seiner Gitarre in den Moshpit und auf die Schultern von Fans, der ganzkörpertätowierte Evan Seinfeld erzählt von seiner österreichischen Oma und Drummer Danny Schuler bildet das wuchtige Rhythmusfundament, das Songs wie „Five Blocks To The Subway“, „Punishment“ oder „Black And White And Red All Over“ den richtigen Takt gibt. Die Spielfreude bei den wiedervereinigten alten Freunden geht ins Unendliche, der Klang ist basisch und wuchtig und die wenigen, aber begeisterten Fans geben alles.

Hardcore als Küchenmetapher
„Wir haben einfach Riesenspaß am Spielen und genießen die Konzerte im Moment“, erzählen uns Graziadei und Schuler nach dem Auftritt im Interview, „dafür, dass es der letzte Tag des Festivals war und die Leute schon müde sind, ging es bei uns sehr gut ab.“ Neben der eigenen Legende wollen Biohazard aber auch mit neuem Material weitermachen. „Wir arbeiten seit geraumer Zeit daran und schlichten gerade die Ideen.“ Auf die Frage, wann es denn endlich so weit wäre, zeigen sich die beiden Musiker naturgemäß bedeckt. „Es ist wie beim Essen. Du kannst dir Fast Food reinhauen und bist kurzfristig satt, ohne dass es lang anhält. Oder du lässt dir Zeit, wählst die richtigen Zutaten, garnierst es schön und lässt damit auch das Auge mitessen.“ Hoffen wir also, dass die Soundköche ihre Brühe nicht versalzen. Falls doch, kann man ja noch immer auf die unsterblichen Klassiker zurückgreifen.

Seit ungefähr zwei Jahren ist Kultbassist Evan Seinfeld bei Biohazard wieder mit an Bord. Die Spielfreude ist ungebrochen. (Bild: Andras Graf)
Seit ungefähr zwei Jahren ist Kultbassist Evan Seinfeld bei Biohazard wieder mit an Bord. Die Spielfreude ist ungebrochen.

Die beste Stimmung des Abends findet bei der Bostoner Punkrock-Kultband The Dropkick Murphys statt. Frontmann Ken Casey führt das Schiff seit mittlerweile 26 Jahren durch alle Gewässer und weiß, wie man es erfolgreich durch alle Höhen und Tiefen manövriert. Mit Songs wie „The Boys Are Back“, „Rose Tattoo“ oder dem abschließenden Fan-Favoriten „I’m Shipping Up To Boston“ kann man nichts falsch machen. Bei Dudelsack-, Banjo- und Gitarrenklängen braucht es keinen großen Firlefanz, denn die Show der Amerikaner mit dem irischen Touch ist basisch gehalten und animiert auch am Sonntag zum freudigen Zuprosten. Wie keine zweite Band vermögen die Murphys sozialkritische und politische Texte mit einer stressfreien Party-Atmosphäre zu vermischen, wodurch sie ihre Botschaften ohne wedelnden Zeigefinger vermitteln. Das ist weder neu noch besonders spannend, aber zum gemütlichen Ausklang des Tages mehr als passend. Ordentlich Krach macht ohnehin die Kehrausband des diesjährigen Festivals.

Heavy-Metal-Soundwalze
Wer noch das letzte bisschen Kraft aus seinen wackeligen Knochen ziehen kann, der kann beim britischen Metal-Geschwader Bring Me The Horizon gar nicht stillstehen. Angestachelt vom brandneuen Konzeptalbum „Post Human: Nex Gen“ feuert das Quartett dem zahlreich vorhandenen Publikum eine soundgewaltige Breitseite vor den Latz, die definitiv ihresgleichen sucht. Songs wie „Darkside“, „Teardrops“ oder „Parasite Eve“ mäandern zwischen eingängigem Pop, brachialen Deathcore-Ausritten und elektronischer Exzentrik. Vor dem üppigen, teils ins Digitale wechselnden Bühnenaufbau tobt Frontmann Olli Sykes im weißen Overall wie ein Irrer über den Steg und fordert ein ums andere Mal zum Moshpit auf. Seine Band steht unauffällig im Hintergrund, spielt aber akzentuiert und passgenau.

Ein geborener Entertainer, der sich nicht vor den großen Gesten in der harten Musik fürchtet: Olli Sykes von Bring Me The Horizon. (Bild: Andreas Graf)
Ein geborener Entertainer, der sich nicht vor den großen Gesten in der harten Musik fürchtet: Olli Sykes von Bring Me The Horizon.

Massive Feuerfontänen und atemberaubende Lichteffekte tragen das ihre dazu bei, dass Bring Me The Horizon nicht nur ihren bislang größten Gig am Nova Rock spielen, sondern beweisen, dass ihnen als junge Band im Hartwurst-Sektor kaum jemand das Wasser reichen kann. Die aus tiefsten psychischen Tälern verfassten Texte zeigen sich – genauso wie die Musik – mal verstört, mal offenherzig, mal ungeschützt und frontal. Damit bekämpfen die Briten nicht nur ihre eigenen Dämonen, sondern auch jene ihrer Hörer. Als für das fulminante „Kingslayer“ auch noch Babymetal die Bühne beschreiten, kennt der Jubel keine Grenzen mehr. Stromgitarrenbands sind tot? Mitnichten, aber es zahlt sich immer noch aus, wenn man außerhalb der Komfortbox denkt und Neues wagt. Einziger Wermutstropfen: Die vom Band kommenden Backing Vocals müssen nicht sein, ansonsten haben die Briten das eindrucksvollste Live-Setting an diesem Wochenende gespielt.

Mit guter Bilanz ins nächste Jahr
So geht das Nova Rock 2024 mit diesem Schlusspunkt als eines der besten überhaupt in die Annalen ein. Ein bunt gemischtes Line-Up, fast durchgehend wunderbare Wetterverhältnisse, zufriedene Fans und eine partytaugliche, aber aggressionsfreie Gesamtstimmung überzeugten. Vom mittlerweile etablierten Viertageskonzept will Veranstalter Ewald Tatar aber abrücken, wie er der „Krone“ erzählte. „Ich bekomme viele Nachrichten, dass drei Tage die ideale Länge sind und will wieder zu dieser Anzahl zurückkommen.“ Doch was, wenn sich für einen eventuellen vierten Tag ein fulminanter Headliner anbieten würde? „Dann wäre das natürlich zu überlegen, aber geplant ist in dieser Hinsicht nichts.“ Von 12. bis 14. Juni 2025 geht das nächste Nova Rock über die Bühne, mit Slipknot, Wanda, Electric Callboy und Lorna Shore gibt es auch schon die ersten Bands. Rasante können ab heute, Montag, unter www.novarock.at eine limitierte Anzahl an Early-Bird-Tickets kaufen. Der Countdown beginnt wieder von Neuem.

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