"Ganz schön intim"

Empörung über Sex-Unterlagen für 6- bis 12-Jährige

Österreich
27.11.2012 15:53
Der an Schulen verwendete Sexualerziehungsleitfaden "Ganz schön intim" für Sechs- bis Zwölfjährige empört ÖVP, FPÖ und BZÖ - und nach ihren Aussagen auch viele Eltern. In einer parlamentarischen Anfrage an Unterrichtsministerin Claudia Schmied ortet ÖVP-Bildungssprecher Werner Amon eine Diskreditierung der "Kernfamilie". Auch FPÖ-Pendant Walter Rosenkranz kritisiert, dass "natürlich gewachsene Familien zwischen Mann und Frau in dem Druckwerk diskreditiert werden", dafür würden lesbisch, schwul, hetero und trans als vollkommen gleichwertig dargestellt. Schmied will die Unterlagen nun nochmals prüfen lassen.

Laut Amon "muss nach mehreren Anfragen von besorgten Eltern, die mit der Broschüre in Berührung kamen und bei deren Kindern sie zu verstörten Fragestellungen führte, die öffentlich geförderte Publikation hinterfragt werden". So ziehe sich die Thematik der Intersexualität "in unverhältnismäßiger Relation durch die ganze Broschüre". Rosenkranz wirft dem Ministerium als Auftraggeber des "Machwerks" zudem "ideologische Stimmungsmache" vor.

BZÖ-Familiensprecherin Ursula Haubner hat nach eigenen Angaben ebenfalls eine parlamentarische Anfrage an Schmied eingebracht. Laut einer Aussendung seien viele Eltern "besorgt" und "fassungslos". "Die in der Broschüre ausschließlich gezeichneten Familienbilder sind die Ausnahme und nicht die Regel. Daher ist es nicht angebracht, solche Unterrichtsmaterialien für Kinder in diesem Alter zu verteilen", so Haubner.

Schmied plädiert für "offene Gesellschaft" und will prüfen
Unterrichtsministerin Schmied will die Unterrichtsmaterialien nun nochmals prüfen lassen, wie sie am Rande des Ministerrats am Dienstag sagte. Sie wolle zwar nicht ihre "privaten Bilder" präsentieren, prinzipiell plädiere sie aber für eine "offene Gesellschaft". Ein spezielles Bild dabei besonders hervorzuheben, erscheine ihr nicht sinnvoll.

"Aufklärung war Konservativen und Rechten seit jeher suspekt"
Für den grünen Bildungssprecher Harald Walser war die Aufregung "regelrecht vorprogrammiert". "Sexualerziehung war Konservativen und Rechten seit jeher suspekt", meinte Walser, der in den Unterlagen einen grundlegenden Sinn sieht: "Die Aufklärung von Kindern ist ein wichtiger Schritt gegen Kindesmissbrauch. Erst wenn Kinder gewohnt sind, Erwachsene auch mit peinlichen Fragen oder schwierigen Gefühlen zu konfrontieren, reden sie über selbst Erlebtes leichter."

Auch sei die Auseinandersetzung mit dem Thema Homosexualität an der Schule "notwendig". "Es wäre unverantwortlich, in der Schule nicht mit Kindern und Jugendlichen darüber zu sprechen. Und dazu gehört auch die Auseinandersetzung mit anderen Lebensgemeinschaften als der traditionellen Ehe." Die sogenannte Kernfamilie Vater-Mutter-Kind werde keineswegs bekämpft, "sie ist aber nicht die einzige Lebensform, mit denen Kinder konfrontiert sind". 

"Aus den Beanstandungen spricht der Geist des Mittelalters"
Der Grünen-Bundesrat Marco Schreuder, Sprecher der Grünen Andersrum, lässt auch die Behauptung von ÖVP und FPÖ nicht gelten, dass Homosexualität übertrieben gleichwertig dargestellt werde: "Amon und Rosenkranz halten Österreichs Schüler und Schülerinnen offensichtlich für dümmer, als sie sind. Dass Heterosexuelle eine Mehrheit darstellen, wissen sie. Dazu brauchen sie keine scheinbar moralisch entrüsteten Politiker."

Der Vorsitzende der Sozialistischen Jugend, Wolfgang Moitzi, fragte sich angesichts der Kritik: "In welchem Zeitalter leben denn ÖVP und FPÖ, wenn sie sich heute mit Händen und Füßen dagegen wehren, unterschiedliche sexuelle Orientierungen als gleichwertig anzusehen?" Aus den Beanstandungen spreche der "Geist des Mittelalters".

Verein: "Es geht uns darum, Kinder sichtbar zu machen"
Erstellt wurden die Unterrichtsmaterialien vom Verein "Selbstlaut", der sich gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen einsetzt. Gegenüber krone.at erklärte der Verein, dass es ihm nicht darum gegangen sei, eine Art der Lebensgemeinschaft auf- oder eine andere abzuwerten bzw. zu "diskreditieren", sondern darum, die verschiedenen Arten nebeneinander zu stellen und so "sichtbar" zu machen. Kinder, die für ihre Umwelt nämlich nicht "sichtbar" seien, etwa weil sie nicht in einer klassischen Familie aufwachsen, würden leichter zu Opfern sexualisierter Übergriffe. "Und das war unser Ansinnen", so "Selbstlaut", "alle Menschen sichtbar zu machen."

Im Einleitungstext der Unterlagen erklärt der Verein, es sei wichtig, den Kindern Informationen und Wertvorstellungen zu vermitteln, ihnen zu zeigen, ihren Körper zu akzeptieren, und dass sie ihre Gefühle ernst nehmen. Kinder sollen in ihren unterschiedlichen sexuellen Bedürfnissen, Interessen und Ausdrucksformen akzeptiert werden. In den zahlreichen Übungen und Spielen zu verschiedensten Themen rund um das Thema Liebe und Sexualität gehe es vor allem um "sehr viel um Gefühle, um Selbststärkung und Körperwahrnehmung und nicht in erster oder zweiter oder dritter Linie um sexuelle Praktiken".

Die Unterlagen richten sich primär an Volksschullehrer sowie Lehrer für die ersten beiden Klassen AHS-Unterstufe/Hauptschule/Neue Mittelschule. Sie sollen entscheiden, "welche Übungen, Stundenbilder oder Unterrichtspakete sie für die Arbeit in ihrer Klasse brauchen können". Alle Übungen sind prinzipiell für Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren empfohlen. Auf genauere Altersangaben wird aber verzichtet, da den Lehrern zugestanden wird, "am besten einschätzen zu können, was für wen passt". Allerdings orientieren sich die meisten Übungen an Kindern, die schon lesen und schreiben können.

Die Materialien arbeiten primär mit Texten und Zeichnungen, Fotos werden nur in Ausnahmefällen verwendet. Das Thema Intersexualität wird etwa mittels Texten und über den Film "Tintenfischalarm" vermittelt.

"Sexualerziehung bedeutet auch Vorbeugung von Missbrauch"
In einem Brief auf deutsch, türkisch, polnisch, englisch und kroatisch richtet sich der Verein auch an die Eltern und erklärt, dass es bei der schulischen Sexualerziehung neben der Aufklärung um Vorbeugung von sexuellem Kindesmissbrauch und von sexualisierten Übergriffen unter Kindern gehe: "Das Reden über Gefühle, die Unterscheidung zwischen angenehmen und unangenehmen Berührungen, altersgerechte Information zu Befruchtung, Schwangerschaft, Sexualität, Zustimmung und Grenzen setzen und vieles andere mehr stärkt Kinder und macht es ihnen leichter, sich positiv zu entwickeln. Sie sind besser geschützt gegen sexuelle Übergriffe durch Erwachsene und andere Kinder, und sie können lernen zu unterscheiden, was für sie gut ist und was nicht."

Zudem bräuchten Kinder Orientierungshilfen "in einer Welt der medialen Übersexualisierung und Pornografisierung". "Es ist nicht zu verhindern, dass Kinder im öffentlichen Raum, im Fernsehen und Internet Darstellungen von Sexualität sehen (müssen) und mit pornografischen Bildern konfrontiert werden. Das ist für kleine Leute verunsichernd, beunruhigend, vielleicht auch ein bisschen spannend, aber jedenfalls überfordernd. Sexualerziehung zu Hause und in der Schule ist ein gutes und geeignetes Mittel, um Kindern hier zur Seite zu stehen und sie zu stärken. Damit werden bei Kindern nicht 'schlafende Hunde geweckt' oder Themen aufgedrängt, die sie nicht wollen, sondern Begleitung ermöglicht zu etwas, das überall gegenwärtig ist."

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