„Krone“-Interview

Günther Steiner: „Keine Angst vor Misserfolgen“

Wien
26.06.2024 06:00

Zehn Jahre lang war er Teamchef des Formel-1-Teams Haas und durch die Netflix-Serie „Drive To Survive“ wurde Günther Steiner einem breiten Publikum außerhalb des Grand-Prix-Zirkus bekannt. Jetzt kommt der Südtiroler für zwei Abende nach Wien und Graz, um aus seinem bunten Leben zu erzählen – die „Krone“ hat ihn dazu vorab interviewt.

Knapp zehn Jahre lang war Günther Steiner Teamchef des Formel-1-Teams Haas und prägte dessen Entwicklung nachhaltig mit. Am 10. Jänner dieses Jahres trennte sich der Rennstall vom Südtiroler, der blieb der Formel 1 aber als Fernsehexperte und in verschiedenen Funktionen von außen erhalten. Der 59-Jährige erlangte mit seiner nonchalanten und ehrlichen Art Kultstatus. Die Netflix-Serie „Drive To Survive“ machte ihn auch außerhalb des treuen Fanzirkels zum Star. Seit jeher ist Steiner bekannt dafür, dass er sich kein Blatt vor den Mund nimmt und nicht vor Kritik zurücksteckt. Nachdem er seinen Ex-Piloten Mick Schumacher, Sohn des siebenfachen Weltmeisters Michael Schumacher, des Öfteren an den Pranger stellte, herrscht aktuell Eiszeit zwischen ihm und dem Schumacher-Clan.

Vor dem Formel-1-GP von Österreich im steirischen Spielberg kommt die Kultfigur nun für zwei besondere Abende vorab ins Land. Am 26. Juni wird er in der Wiener Stadthalle F und am 27. Juni auf den Grazer Kasematten aus seinem aufregenden Leben erzählen. Die Abende sind moderiert und die Besucher bekommen die Möglichkeit, Steiner all das zu fragen, was ihnen schon immer am Herzen lag. Wer den kernigen Südtiroler schon einmal in Action erlebt hat, weiß, es wird alles andere als langweilig. Vorab stand uns der Buchautor, Ingenieur und Serienstar für ein ausführliches Gespräch bereit, indem wir nicht nur über seine Zeit in der Formel 1, sondern auch über Managementfertigkeiten, sein Privatleben und die Kunst des richtigen Mitarbeiterführens sprachen.

„Krone“: Herr Steiner, wir unterhalten uns gerade zwischen Wien und Ihrer Wahlheimat North Carolina. Ist nach dem Aus als Haas-Teamchef wieder mehr Ruhe in Ihr Leben eingekehrt?
Günther Steiner:
 Weniger zu reisen, ist schon angenehm. Das Komische ist aber, dass man es so lange nicht wirklich bemerkt, bis man es nicht mehr tut. Man glaubt, das Reisen wäre Normalität, aber der Kopf ist bei Menschen immer eine komische Sache.

Sie kommen in wenigen Tagen nach Österreich, um in Graz und Wien „An Evening With Günther Steiner“ abzuhalten – danach kommt der Grand Prix am Red Bull Ring in Spielberg. Welchen Stellenwart hat die Strecke für Sie im Vergleich zu den anderen?
Was Red Bull dort seit dem Neubau gemacht hat, ist etwas ganz Besonderes. Es herrscht eine gute Atmosphäre, es ist dort sehr ruhig und man ist eingebettet in der Natur. Das Rennen ist der exakte Gegenpol für ein Stadtrennen, von denen es mittlerweile sehr viele gibt. Wir haben hier eine tolle Rennstrecke, wo es rauf und runter geht. Die Fahrer lieben die schönen Kurven, es ist schnell und man braucht viel Mut. Man befindet sich auf einer Rennstrecke mitten in den Bergen und die Infrastruktur ist großartig.

Um solche Pläne umzusetzen, bedarf es manchmal eben großer und verrückter Visionen.
Es braucht große Visionen und eine tiefe Geldtasche. (lacht) Ohne Finanzierungsplan hilft dir keine Vision.

Vor etwas mehr als 20 Jahren hat sie Niki Lauda einst zu Jaguar geholt.
Wir sind beide ziemlich unorthodoxe Charaktere, weshalb wir uns wohl auch so gut verstanden. Wenn er uns jetzt zuhören würde, würde er „Goschn“ sagen. (lacht)

Das Jobangebot war erst einmal ziemlich ungewöhnlich - Sie wussten nämlich nicht genau, was Sie tun sollten.
Genau, und ich hatte auch nicht den großen Drang, in die Formel 1 zu gehen. Ich wuchs auf, als Lauda in den 70er-Jahren der Superstar war und ich habe mir das im Schwarzweiß-Fernsehen angesehen. Ich hätte mir nie erträumen lassen, einmal mit ihm reden zu können und als der Telefonanruf für ein Treffen kam, war ich natürlich sofort an Bord. Da ich einen anderen Termin in Wien hatte, fiel das mit dem Abendessen perfekt zusammen. Am Ende sagte er: „Herr Steiner, vielen Dank, Sie werden für mich arbeiten“. Ich fragte ihn, was ich tun soll und er meinte nur, er wisse es noch nicht und werde es mir schon noch mitteilen. (lacht)

Was macht Sie selbst denn so unorthodox, aus Ihrer eigenen Sichtweise heraus?
Ich nehme immer alle Herausforderungen an und habe dabei nie Sicherheiten. Ich sage immer meine Meinung und rede nie um den heißen Brei herum. Mir ist bewusst, dass ich nicht immer recht habe, aber ich bin auch lernfähig. Ich sage die Dinge so, wie ich sie sehe. Manchen Menschen gefällt das nicht, aber damit kann ich leben. Ich kann nicht verlangen, dass mich alle lieben und mir alle recht geben. In der Welt der Formel 1 wurde ich vielleicht etwas unpolitisch wahrgenommen, weil ich anders bin.

Eigentlich ist die Formel 1 aber voller interessanter und schillernder Charaktere. Da passt man als „eigener Typ“ dann doch ganz gut rein …
Absolut. Ich muss aber nicht in der Früh aufstehen und mir überlegen, wie ich dieses oder jenes mache. Ich bin so wie ich bin, völlig ungekünstelt und unverfälscht.

In der heutigen Gesellschaft schätzt man viel mehr die Gleichförmigkeit. Es scheint oft gar nicht mehr so gewünscht zu sein, wenn man gegen den Strom schwimmt …
Da herrscht eine gewisse Ambivalenz, denn man kann es nie wirklich richtig machen. Deshalb ist es am besten, wenn man sich selbst so repräsentiert, wie man eben ist. Man sollte nie so sein, wie es jemand anders gerne möchte. Natürlich geht das nicht immer. Wenn man für einen Großkonzern arbeitet, muss man das Leitbild dieses Konzerns zu einem gewissen Grad mittragen, das ist auch okay. Ich bin nicht hier, um zwischen richtig und falsch zu urteilen. Jeder sollte sein, wie er sein möchte oder sein muss. Manchmal ist es ein bisschen vorgegeben, wie man sich zu geben hat und das ist so lange okay, solange man sich nicht selbst verleugnet.

Was erwartet die Besucher eigentlich bei „An Evening With Günther Steiner“ in Wien und Graz vor dem Österreich-Rennen?
Es gibt einen Moderator, der Fragen stellt und ich erzähle aus meinem Leben. Die Leute können an mich auch Fragen stellen – querbeet und bunt durch den Gemüsegarten. Alles wird beantwortet. (lacht)

Sie haben immer wieder öffentlich Stress mit Ralf Schumacher, weil Sie seinen Neffen Mick kritisieren, während er ein Cockpit für die nächste Saison für ihn fordert. Solche Sticheleien werden nach außen hin natürlich gerne verfolgt ...
Dazu stehe ich aber auch. Ich greife nie eine Person direkt an und habe weder über Mick, noch über Ralf Negatives zu sagen. Wenn ich aber gefragt werde, was ich als Teamchef in einer gewissen Situation tun würde, dann antworte ich ehrlich. Einiges wurde auch von der deutschen Presse aus dem Kontext gerissen. Ich gebe aber jedem das Recht, seine Meinung zu haben und handhabe das selbst auch so. Meine Meinung ändere ich aber nicht, weil es jemand anderen nicht passt.

(Bild: GEPA pictures)

Hatten Sie zu Beginn Ihrer Karriere in der Formel 1 Vorbilder? Persönlichkeiten, die Ihre Werte und Ihre Auffassung zum Beruf teilten?
Das würde ich nicht sagen. Ich habe anfangs sehr viel von Niki Lauda gelernt. Ich wollte nicht sein wie er, aber ich habe gesehen, wie er Dinge tut. Man lernt immer von den Leuten, die man respektiert. Weder ich noch Niki, noch Sie machen immer alles richtig, aber das gebe ich auch gerne zu. Ich habe Niki nicht als Idol herangezogen, sondern wusste schnell, dass ich so sein muss, wie ich bin – dabei von den Leuten um mich herum lernen, um meinen Job bestmöglich zu machen.

Vom Mechaniker und Ingenieur über den Formel-1-Teamchef und Netflix-Serienstar bis zum Buchautor – Sie sind schon immer gerne ins kalte Wasser gesprungen. Was braucht es denn, um so vielseitig zu reüssieren?
Man muss die Lust haben, etwas zu probieren. Ich stehe in der Früh auf und bin nie nur da, um irgendwo dabei zu sein – ich will aktiv gestalten. Wenn ich keinen Spaß habe, dann wird es nicht gut. Die Idee zum Buch kam aus dem Nichts. Jemand hat mich deshalb angeschrieben und ich habe das lange ignoriert. Dieser Herr gab aber nicht nach, wir haben dann gemailt und mir gefiel die Idee immer besser. Am Ende habe ich mich mit ihm, dem Ghostwriter, geeinigt und wir arbeiten noch jetzt zusammen.

Manchmal habe ich einfach Glück oder sehe Sachen, die zum Erfolg führen können. Vor zehn Jahren hätte ich nie daran gedacht, ein Buch zu schreiben und plötzlich ist es Nummer eins in der „Sunday Times“-Booklist in England. Als sich die Möglichkeit ergab, habe ich sie angenommen. Natürlich habe ich überlegt und viel diskutiert. Nur etwas zu machen, weil es jemand anders macht, ist kein Garant zum Erfolg. Ich habe auch keine Angst vor Misserfolgen, man kann nicht überall alles richtig machen. Das Gute ist: Die Sachen, die schiefgehen, die fallen nicht immer so auf. (lacht)

Die Netflix-Serie „Drive To Survive“ hat nicht zuletzt durch Sie und Ihre ungeschönte Darstellung extremen Erfolg gehabt. Max Verstappen etwa war nicht so glücklich mit der Darstellung seiner Person und ließ sich für zwei Staffeln herausnehmen – Ihnen schien das immer egal zu sein.
Ich habe mir die Serie nie angeschaut. Ich war natürlich dabei, als gefilmt wurde, aber ich habe keine Ahnung, was die Verantwortlichen dann verwendet haben. Wenn es den Leuten gefällt, wird es schon gut sein und die Filmemacher werden richtig entscheiden, was sie verwenden. Ich plante natürlich nicht schon seit meinem zweiten Geburtstag, die Rolle in „Drive To Survive“ einzunehmen, insofern habe ich mich darin auch so gegeben, wie ich eben bin. (lacht)

Das Kamerateam kam in der Sommerpause sogar zu Ihnen nach Hause, um dort mitzufilmen. Auch das würde nicht jeder so einfach mitmachen ...
Viele Leute würden das nie machen, aber ich habe nichts inszeniert. Ich habe für alle gekocht, aber das tue ich auch sonst so, da kommt keine Köchin zu uns. Wir haben bei mir daheim in Meran gedreht und als Südtiroler, so heißt es, muss man einmal den Ortler, unseren Hausberg, bestiegen haben. Ich habe also überlegt, was man im Sommer so machen könnte und kam zur Entscheidung, dass es Zeit für den Berg wird, weil ich dort noch nie oben war. Ich war dann mit meinem Neffen unterwegs und das Netflix-Kamerateam ging mit – die hatten keine Ahnung, wo sie hingehen. (lacht) Wir hatten aber Riesenspaß und ich kam mit dem Kamerateam super zurecht. Der Aufstieg war aber nicht inszeniert, so soll es sein. Auch wie ich mit meiner Tochter am Jetski hinausfuhr und geblödelt habe – das passiert auch sonst immer, nur hier halt mit Kamera.

Als Sie noch Teamchef bei Haas waren, waren Sie das ganze Jahr über unterwegs, unterbrochen nur von der traditionellen Sommerpause im August. Wie schwer ist die Fallhöhe, vom Globetrotter komplett herunterzuschalten? Gelang Ihnen das schnell?
Das dauert schon eine Zeit und als Teamchef kannst du in den wenigen Wochen nicht ganz abschalten. Das würde Monate dauern. Die Mechaniker und Ingenieure können vielleicht abschalten, aber als Teamchef hast du immer was auf der Liste, die du bislang nicht abarbeiten konntest. Das zieht sich dann bis in den Urlaub hinein, weil man immer alles fertigmachen möchte, für das man sonst nie Zeit hat. Es gibt vielleicht keine Meetings, aber man ist mental immer im Job.

Welche Lehren haben Sie aus den rund zehn Jahren als Teamchef bei Haas gezogen? Wie hat diese Zeit Sie persönlich verändert und geprägt?
Ich habe selbst eine Firma, in der rund 200 Leute arbeiten, deshalb hatte ich niemals Angst, in diesem Bereich Verantwortung zu übernehmen. Ich nehme die Sache sehr ernst, mit den Leuten, die für mich arbeiten. Umso größer etwas wird, umso bewusster wird einem, wie viel Verantwortung man für Menschen und deren Familien hat. Man wird älter und reifer und versteht das immer besser. Mit dem Projekt Haas bin ich mitgewachsen, so wie auch das Team immer weitergewachsen ist. Ich habe schon vor der Formel 1 immer probiert, von den Besten zu lernen und das behielt ich mir dort bei.

In der Formel 1 sind die Veränderungen so extrem und rapide, wie nirgendwo sonst. Im Zirkus kommt dir das normal vor, sobald du draußen bist, merkst du erst, welches Tempo dort herrscht. Beim schnellen Drehen des Rades musst du immer dabei sein und darfst nie stehenbleiben. Ich sah das nicht als negativ und habe immer darauf geachtet, ein Teil des Weiterkommens zu sein. Man muss immer in der Zeit leben, die gerade herrscht. Man kann nicht andere Leute verändern, sondern muss an sich arbeiten. Wenn sich alles weiterbewegt, musst du mitgehen. Die Formel 1 ist in der Hinsicht extrem.

Welcher Typ Mensch muss man sein, um in diesem rasanten Feld so lange tätig sein zu können?
Man muss adaptiv sein und ein dickes Fell haben. Man wird von allen Richtungen angegriffen und muss damit umgehen können. Wichtig ist, dass es dir Spaß macht. Das ist ein Job, den man wollen muss. Man kann ihn nicht einfach so machen, weil er dich fast 24/7 verschlingt. Die Leidenschaft dafür muss in dir drinnen sein. Es ist ein sehr cooler Job, aber er nimmt dir auch sehr viel Energie von den anderen Dingen, die im Leben schön sind.

Vermissen Sie heute ein bisschen den Alltagsstress, dem Sie jahrelang ausgesetzt waren?
Eigentlich nicht. Ich habe im Moment mehr zu tun, als ich mir anfangs gedacht hätte. Wenn du mitten im Geschäft bist, siehst du alles im Tunnel - jetzt sehe ich die Dinge von außen aus verschiedensten Richtungen. Da sieht man dann Sachen, die man innen nicht sieht und das kann sehr bereichernd sein.

Hat es Ihnen schon einmal die Sprache verschlagen in diesem Geschäft, oder wissen Sie immer einen Ausweg?
Natürlich ist das schon passiert, aber dann muss man sich Zeit nehmen, um Dinge besser zu verstehen und eine Lösung zu finden. Wenn man überfordert ist und nicht weiß, was man machen soll, muss man auch einmal einen Schritt zurückgehen und das große Ganze sehen. Man braucht dabei gute Mitarbeiter um sich, die man fragen kann. Deshalb gibt es ein Team, man ist nicht auf sich allein gestellt. Man hilft sich gegenseitig, wenn man sich gerade braucht.

Traditionelle Strecken werden in der Formel 1 nicht zuletzt aufgrund des global ansteigenden Hypes immer öfter aus dem Kalender genommen und durch andere in neuen Märkten ersetzt. Wird es für die nähere Zukunft des Sports eine entscheidende Frage sein, wie viel Tradition man für noch mehr Erfolg und Geld opfern wird?
Ich bin in einem Alter, wo ich ein Traditionalist bin. Die Formel 1 will nicht weg von dem Sport, den sie betreibt. Die Formel 1 muss aber auch mit der Zeit gehen, was du als Zuschauer nicht unbedingt musst. Wenn man rein nur das Rennen – ohne dem Drumherum – von etwa Spa 2024 mit Spa 2004 vergleicht, wird man wenig Unterschiede finden. Durch die Veränderungen in der Gesellschaft ändern sich aber auch andere Dinge. Die Menschen wollen Unterhaltung und brauchen Rahmenprogramme. Warum gehen so viele Leute ins Disneyland? Es gibt dort viel zu sehen und auszuprobieren, das lieben die Menschen.

Auch in der Formel 1 wollen sie ein Acht-Stunden-Programm voller Unterhaltung - vor und nach dem Rennen. Das bieten die neuen Strecken von vornherein an, die alten bauen das noch zusätzlich auf. Autos, Fahrer und Technologie verändern sich ständig, aber auf der Rennstrecke bleibt alles beim Alten. Wenn ich das ganze Brimborium nicht sehen will, dann schaue ich mir halt nur zwei Stunden lang den Grand Prix an. Die Formel 1 lebt immer noch von den Rennen, aber das reicht nur für uns Oldtimer. Die Jungen wollen gut essen, Simulator fahren und Action erleben. So gibt es für alle Generationen etwas und das ist optimal.

Eine Traditionsrennstrecke, die total überholt und sehr langweilig wirkt, ist der Grand Prix von Monaco in Monte-Carlo. Was macht man damit? Aufhören oder doch irgendwie weitermachen?
Monte-Carlo sollte bleiben, aber man müsste sich auch ernsthaft überlegen, wie man die Rennsituation dort besser machen kann. Die Stadt muss größer werden, um Platz für Immobilien zu bekommen. In dieser neuen Stadtplanung müsste man Dinge einbauen, damit man die Strecke verändern und verlängern kann – das wäre durchaus möglich. Sie ist sehr kurz und so könnte man die traditionellen Passagen drinnen lassen und neue dazubauen, die das Überholen möglich machen. Die heutige Baukunst hat die Möglichkeiten dazu, es muss nur der Wille dafür da sein. Das geht natürlich nicht schon für 2025, aber wenn der Grand Prix länger im Kalender bleiben will, sollte man ernsthaft darüber sprechen. Nur das Reifenreglement ändern würde die Situation nicht wirklich verbessern.

Was braucht die Formel 1 für die nähere Zukunft, um die Popularität weiter zu steigern? Umweltkonzepte? Ein Rennen in Afrika? Das oft angesprochene Andretti-Team?
Ein Rennen in Afrika wäre wirklich cool und da ist auch der Versuch da, wieder was hinzukriegen. Die Formel 1 ist ja eine Weltmeisterschaft und in Afrika fehlt ein Rennen. Durch den Netflix-Einfluss hat die Formel 1 dort an Popularität gewonnen und deshalb wäre ein Rennen ganz toll. Nachhaltigkeit wird ein wichtiges Thema bleiben und durch neue Motoren und ein adaptiertes Reglement wird sich dort auch viel tun. Die gesetzten Nachhaltigkeitsvorgaben sollten erfüllt werden. Kommerziell ist die Formel 1 gut aufgestellt, da muss man nicht viel ändern. Momentan stabilisiert die Formel 1 diesen Boom, ohne viel ändern zu wollen – das ist auch ganz gut so.

(Bild: Barracuda Music)

Aus Südtirol gibt es derzeit eine ganz erfolgreiche Sportgeschichte abseits des Ski-Alpin-Sports – nämlich Jannik Sinner im Tennis, der unlängst zur neuen Nummer eins wurde. Warum bringt dieser kleine Bereich auf der Landkarte so viele Erfolge in unterschiedlichen Sparten hervor?
Das weiß ich nicht. Ich kenne Jannik nicht persönlich, aber er spielt derzeit herausragend. Oft kommen viele Stars aus kleinen Regionen. Beim Skifahren hat Südtirol immer ein paar Gute dabei, die kein Risiko scheuen - Stichwort Dominik Paris. Er ist nicht nur ein ganz Großer in seinem Sport, sondern auch als Mensch ziemlich cool. Unsere Großeltern und Eltern mussten sich anstrengen, um zu überleben. Das ging in unsere DNA heute über und deshalb ist auch sehr viel Ehrgeiz im Spiel. Wir wollen alle etwas Gutes aus dem Leben machen – überleben tun wir ja mittlerweile in Südtirol. (lacht)

Wie wichtig ist der stabile familiäre Rückhalt, den Sie genießen? Egal ob in Südtirol, jahrelang in London oder jetzt in North Carolina, Ihre Frau war stets an Ihrer Seite. Das ist auch nicht selbstverständlich.
Ich habe großes Glück, dass ich eine Frau habe, die da gerne mitmacht. Meine Tochter hat sich schon beschwert, dass ich die letzten Jahre zu selten zu Hause war, aber ich glaube jetzt wird es ihr langsam zu viel. (lacht) Man muss immer versuchen, die Balance zu halten. Das ist nicht immer einfach, aber momentan klappt das bei uns. Ich habe gerne eine Basis, wo ich hingehöre. Ich bin im Sommer gerne eineinhalb bis zwei Monate mit der ganzen Familie in Meran und das machen wir auch drei Wochen so rund um Weihnachten. Dort kehrte ich früher auch gerne nach den Rennen zurück. Selbst in den stressigsten Zeiten versuchte ich, alle zwei Wochen mal daheim zu sein. Der Beruf ist wichtig, aber ein Familienleben ist noch wichtiger.

Haben Sie mit der Zeit und mit mehr Reife gelernt, alles richtig auszubalancieren?
Absolut. Das lernt man mit der Erfahrung. Bei vielen Leuten spielt der Partner nicht mit. Meine Frau und ich sind in diesem Jahr 30 Jahre verheiratet und ich war schon viel unterwegs, als die Ehe zwischen uns begann. Man muss dennoch lernen, damit umzugehen und diese Beziehung so aufrechtzuerhalten.

Nachdem Sie sich schon in so vielen Bereichen ausprobiert haben – was haben Sie sonst noch vor? Es gibt a auch noch immer keinen neuen „James Bond“ …
(lacht) Ich glaube, das wird auch nichts mehr, da läuft mir schon die Zeit davon. Vielleicht in einer Rolle als Bösewicht. In meinem Leben passieren viele Sachen, ohne dass ich proaktiv daran arbeite. Ich entscheide natürlich selbst, was ich mache und was nicht, aber sehr viel kommt einfach des Weges. Mein Leben ist derzeit gut und ich mache vor allem das Fernsehen sehr gerne. Ich sehe das alles aus der anderen Perspektive und das ist im Leben überhaupt immer gut. Was dann als Nächstes kommt, werde ich sehen. Ich arbeite stets an verschiedenen Projekten. Manche funktionieren, manche nicht. Derzeit genieße ich ein bisschen den Abstand zur Formel 1, auch wenn er nicht sehr groß ist. Ich habe zumindest keinen Tagesstress mehr, das ist auch mal ganz gut. Nach so vielen Jahren mittendrin muss ich auch noch lernen, was die neue Distanz für mich bedeutet.

Die derzeitige Formel-1-Saison ist spannender als viele befürchteten. Wo wird sie denn noch hingehen und können andere Fahrer Max Verstappen im Titelrennen wirklich noch ärgern?
Ich glaube schon. Dominanzen kommen immer zu einem Ende. Ferrari und McLaren haben gut gearbeitet und sind Red Bull schon sehr nahegekommen, logischerweise werden die Teams auf den unterschiedlichen Strecken immer mal ihre Vor- und Nachteile haben. Red Bull wird weiter gewinnen, aber es gibt einen harten Konkurrenzkampf und das wollen wir alle von der Formel 1. Red Bull wird aber sicher nicht vergessen, wie man gewinnt, aber es wird ihnen nur nicht so leicht fallen. Unter Druck werden auch Max und dem Team Fehler passieren, die andere für sich nutzen können. Umso enger es wird, umso schwieriger werden die Vorhersagen. Ich sehe derzeit mit Verstappen, Norris und Leclerc drei Fahrer, die Weltmeister werden könnten.

Carlos Sainz würden Sie ausschließen?
Ja. Oscar Piastri fährt sehr gut, aber er wird es auch nicht schaffen. Mit Norris als Teamkollege wird es zu schwer für ihn.

Besonders interessant wird 2025 dann die Paarung Leclerc und Hamilton im Ferrari.
Definitiv. Ich glaube, da werden wir wieder sehr viel lernen, wer wirklich wie gut. Oder wie gut sie beide sind und wie das Team damit umgeht. Zwei Top-Fahrer auf diesem Niveau in einem Team, das hat es selten gegeben.

Sie befinden sich derzeit noch in Gerichtsstreitigkeiten mit Ihrem Ex-Team Haas. Abseits davon – verfolgen Sie es noch heute, nach so vielen Jahren als Teamchef das Treiben mit besonderem Interesse?
Ich habe schon noch Kontakt mit manchen Leuten und komme sehr gut mit Nico Hülkenberg zurecht. Ich stehe aber nicht in der Früh auf und verfolge, was dort gemacht wird. Durch meine Verbindungen zu früher habe ich natürlich mehr Einblicke in das Team, aber es ist nicht mehr mein Tagesjob, der mich jeden Tag voll in Beschlag nimmt. Das Auto ist heuer ein bisschen konkurrenzfähiger als letztes Jahr, was auch das große Ziel war. Das macht mich schon glücklich - auch für das Team an sich.

Würden Sie sagen, dass der Formel-1-Zirkus in einer Teamchef-Position wie Ihrer durchaus toxisch sein kann?
Das muss jeder selbst entscheiden. Wenn man merkt, dass es zu viel und toxisch wird, dann muss man es natürlich lassen. Diesen Job musst du wollen und damit auch mental fertigwerden. Oder Leute um dich haben, die dir helfen. Beim Militär, der Polizei oder als öffentlicher Angestellter musst du Dinge machen - aber in der Formel 1 ist noch alles freiwillig. Wenn es dir zu viel wird, dann musst du die Reißleine ziehen. Das ist sicher bei jedem anders.

„Schwierig wird es vor allem für die Mechaniker und Mitarbeiter, die nicht zu den Großverdienern gehören, aber trotzdem das ganze Jahr unterwegs und von ihren Familien getrennt sind. Ist es als Teamchef besonders wichtig, dort die Motivation aufrechtzuerhalten?
Sie haben das sehr gut analysiert. Bei Interviews werden wir immer gefragt, wie schwierig alles ist, aber uns geht es relativ gut. Man muss immer bei den Leuten schauen, die nicht in der Business-Class fliegen und die sich manchmal ein Zimmer teilen müssen. Sie sind oft mehr unterwegs als das Management und da kann es dazu kommen, dass die Menschen Probleme kriegen. Man muss sehr vorsichtig sein, offen kommunizieren und darauf achten, sie nicht zu sehr anzuschieben. Die Mitarbeiter müssen sich vor allem selbst motivieren können, sonst wird es irgendwann kritisch.

Günther Steiner live in Wien und Graz
Noch mehr Details und Geschichten können Sie bei „An Evening With Günther Steiner“ am 26. Juni in der Wiener Stadthalle F und am 27. Juni auf den Kasematten in Graz erleben. Unter www.oeticket.com gibt es noch Karten für den ganz speziellen Abend eines Formel-1-Insiders, der das Geschäft von allen Seiten kennt. 

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