Jeder sechste Mensch auf der Welt ist laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) unfruchtbar. Obwohl Unfruchtbarkeit eine anerkannte Krankheit ist, gibt es diese Diagnose in Österreich nicht. Betroffene, die sich ein Kind wünschen, stehen vor zahlreichen Hürden.
So werden Kosten für Behandlungen nur teilweise übernommen und für den In-Vitro-Fertilisations-Fonds sind entsprechende Krankheitsbilder und Diagnosen nötig, wie aus dem zweiten Fertility (Fruchtbarkeit, Anm.) Atlas hervorgeht, der die Situation innerhalb Europas miteinander vergleicht. Dahinter stehen die Organisation Fertility Europe und das parlamentarische Netzwerk European Parliamentary Forum for Sexual and Reproductive Rights (EPF).
Zusätzliche Kosten für Untersuchungen
Dem Bericht nach sind trotz Förderung ungefähr 1100 Euro pro IVF-Behandlung selbst zu zahlen, hinzu kommen weitere Ausgaben für Medikamente und Untersuchungen. Die In-Vitro-Fertilisation (IVF) ist eine Befruchtung, die in einem Reagenzglas durchgeführt wird. Dazu werden der Frau Eizellen entnommen, die dann mit den Samenzellen des Partners befruchtet werden.
Pro Paar und angestrebter Schwangerschaft unterstützt der Fonds vier Versuche. Dazu sind eine entsprechende Diagnose wie die Sterilität des Mannes oder die Krankheit Endometriose bei der Frau sowie eine Altersgrenze der Frau von 40 Jahren nötig. Gleichgeschlechtliche weibliche Paare haben einen Zugang zu der Behandlung, gleichgeschlechtliche männliche Paare und alleinstehende Frauen nicht.
Bestimmte Behandlungen verboten
Die Kosten für andere Behandlungen wie Insemination, sprich Samenübertragung, müssen die Betroffenen zur Gänze selbst tragen. Dabei werden Samen in den weiblichen Genitaltrakt übertragen. Leihmutterschaft und Embryonenspenden – dabei stammen die genetischen Informationen von einer anderen Frau und einem anderen Mann – sind in Österreich verboten. Das Einfrieren von Eizellen ist nur unter bestimmten medizinischen Gründen erlaubt.
Für das österreichische öffentliche Gesundheitssystem gibt es Unfruchtbarkeit nicht. Betroffene Paare werden – bis auf die Förderung durch den IVF-Fonds – mit der Diagnose finanziell und emotional alleine gelassen.
Christina Fadler, Wiener Verein „Die Fruchtbar“
Unabhängige Informationen dazu seien schwer zu finden, kritisiert Christina Fadler, Obfrau des Vereins „Die Fruchtbar“ und selbst Betroffene. „Für das österreichische öffentliche Gesundheitssystem gibt es Unfruchtbarkeit nicht. Betroffene Paare werden – bis auf die Förderung durch den IVF-Fonds – mit der Diagnose finanziell und emotional alleine gelassen (...).“ In der Selbsthilfegruppe könnten Kindergartenpädagoginnen ihren Beruf aufgrund der seelischen Belastung bereits nicht mehr ausüben.
Die WHO spricht von Unfruchtbarkeit, wenn auch bei regelmäßigem, ungeschütztem Sex zu optimalen Zeitpunkten über mindestens ein Jahr keine Schwangerschaft eintritt.
Psychotherapie und Beratung für Betroffene
Um die Situation für ungewollt Kinderlose zu verbessern, fordert der Verein beispielsweise die Anerkennung von Unfruchtbarkeit als Krankheitsbild, kostenlose beziehungsweise günstige Psychotherapie, eine unabhängige Beratungsstelle für Endometriose (Unterleibserkrankung, Anm.) und Kinderwunsch sowie ein einheitliches Register und Statistiken zu Kinderwunschbehandlungen.
„Wir fordern die politischen Entscheidungsträger auf, das universelle Recht auf Kinderwunsch anzuerkennen, öffentliche Mittel bereitzustellen und das Stigma der Unfruchtbarkeit abzubauen (...)“, sagt Leonidas Galeridis vom EPF. Der Zugang zu Fertilitätsbehandlungen müsse gleichberechtigt und sicher sein.
Der Fertility Atlas gibt einen Überblick über die Situation in europäischen Ländern. Kriterien sind etwa gesetzliche Grundlagen, die finanzielle Unterstützung von Betroffenen und der Zugang für gleichgeschlechtliche Paare. Österreich ist demnach im Mittelfeld – hinter Staaten wie Belgien, den Niederlanden und Frankreich, aber vor Ländern wie Italien, der Slowakei und Albanien.
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