Ein 75-Jähriger muss sich seit Donnerstag wegen der Kastration von Männern in Deutschland ohne jede medizinische Ausbildung vor Gericht verantworten. Der Angeklagte schwieg zum Auftakt des Verfahrens am Landgericht in Erfurt, der Hauptstadt des Bundeslands Thüringen.
Dem Pensionisten wird vorgeworfen, zwischen 2015 und 2019 in acht Fällen operative Eingriffe in seinem Wohnzimmer in Sömmerda vorgenommen zu haben – gegen Bezahlung und ohne medizinische Ausbildung. Seine Dienste soll er in Foren im Internet angeboten haben. Die Geschädigten sollen für die Eingriffe zwischen 500 und 2200 Euro gezahlt haben. Zum Schutz der Intimsphäre der Verletzten wurde die Öffentlichkeit während der Verlesung der Anklage ausgeschlossen. Auf seine Spur kamen die Ermittler nach einem Hinweis von Kollegen aus Erdingen, die in einem anderen Verfahren ebenfalls wegen Kastrationen gegen einen Mann aus Bayern ermittelten.
Datenträger und schmutziges OP-Besteck sichergestellt
Ein Beamter der Kriminalpolizeiinspektion Erfurt sagte im Zeugenstand aus, dass bei einer Wohnungsdurchsuchung bei dem 75-Jährigen zahlreiche Datenträger sichergestellt worden seien. Der Beamte sprach zudem von Unmengen an Chatverläufen.
Außerdem seien OP-Utensilien wie eine Nierenschale mit Scheren und Pinzetten beschlagnahmt worden, an denen Blut von mehreren Menschen gehaftet habe, zudem Chloroform und ein Schlauch zum Abbinden. Die Eingriffe seien auf der Couch im Wohnzimmer vorgenommen worden. Die Wohnung schilderte der Beamte als verschmutzt und unhygienisch.
Ermittler stießen „Tür zu einer anderen Welt“ auf
Der Beamte berichtete von einem Geschädigten aus Österreich, der massive Eingriffe an sich habe vornehmen lassen und in Chats von erheblichen Komplikationen danach berichtet habe. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die betroffenen Männer sich freiwillig dazu bereit erklärten.
Der Beamte sah beim Angeklagten wie auch bei den Geschädigten ein Konglomerat an Motiven für die Kastrationen. Dazu gehörten seiner Ansicht nach neben sexuellen und finanziellen Interessen auch das Ausleben von Macht und Fantasien. Ein als Zeuge vernommener Kriminalhauptkommissar aus Erdingen sagte, dass sie bei den Ermittlungen im Internet auf einen „Cutter aus Erfurt“ sowie einen „Thüringer 47“ mit einem Ganzkörperfoto gestoßen seien. Bei den Ermittlungen sei für sie „eine Tür zu einer anderen Welt“ aufgestoßen worden.
Im Dezember 2021 war ein damals 67 Jahre alter Elektriker wegen schwerer, gefährlicher und einfacher Körperverletzung am Landgericht München II zu mehr als acht Jahren Haft verurteilt worden. Er hatte zugegeben, in Sadisten-Foren im Internet „Kastrationen“ angeboten zu haben. Mehrere Männer zahlten ihm demnach Geld dafür, dass er sie beispielsweise folterte und die Hoden entfernte. Einer der Männer starb nach dem Eingriff – woran, konnte das Gericht nicht mehr ergründen.
Dem Angeklagten in Erfurt wird unter anderem schwere Körperverletzung vorgeworfen. Im Falle einer Verurteilung drohen drei bis 15 Jahre Haft.
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