Album & Livetermine

Conny Frischauf: Musik zwischen den Polen

Musik
28.06.2024 09:00

Die Wienerin Conny Frischauf verbindet in ihrer Musik elektronische Experimentierlust mit einer zugänglichen, aber nicht zu bekömmlichen Liebe zum Pop. Auf ihrem zweiten Album „Kenne Keine Töne“ ergründet sie klanglich auch die stete Ambivalenz ihrer Heimatstadt.

(Bild: kmm)

Musik auf den bloßen Klang zu reduzieren mag für viele Künstlerinnen erstrebenswert sein, geht experimentelleren Geistern aber nicht weit genug. Die Wiener Elektronikerin Conny Frischauf hat schon auf ihrem Debüt „Die Drift“ 2021 bewiesen, dass nachvollziehbare Popstrukturen und der Mut zur Andersartigkeit durchaus eine fruchtvolle Symbiose eingehen können. In gleich 16 neuen Songs ihres nun erscheinenden, zweiten Albums „Kenne Keine Töne“ führt sie ihren artifiziellen und doch niemals zu weit ausartenden Sound auf die nächste Ebene, ohne sich dabei zu wiederholen oder die eigene Vergangenheit auszuklammern. „Für das ganze Instrumentarium, das ich auf dem Album verwendet habe, müsste ich mir eine eigene Liste schreiben“, lacht sie im entspannten Interview im Wiener Café Rüdigerhof, „ich arbeite gerne mit Percussions, aber auch mit Synthesizern, Effektgeräten, Tamburinen und Flöten. Ich finde es spannend, wenn man Klang nicht nur hört, sondern versucht, darüber zu sprechen. Was bedeutet es, wenn Klang nicht nur als Klang, sondern auch als anderes Element vorkommt?“

Zentrum allen Lebens
Frischaufs Experimentierfreude ist dabei keinesfalls darauf bedacht, die Hörer im Übermaß herauszufordern. Vielmehr geht es ihr darum, Pop mit Anspruch zu erschaffen, der über den Einheitsbrei des Formatradios hinausgeht, aber trotzdem gut konsumierbar ist. „Es kommt immer auf den Kontext an. Ich bin irgendwo zwischen Pop und experimenteller Musik zu Hause, aber in keiner der beiden Ecken fix verhaftet. Zwischen den Polen finde ich es aber auch am interessantesten. Die aus dem üblichen Pop bekannte Perfektionskultur interessiert mich weniger.“ Dass das Element Wasser auch inhaltlich erneut eine zentrale Rolle einnimmt, hat nicht zuletzt mit Frischaufs Profession abseits der Musik zu tun. „Wasser ist zudem das Zentrum allen Lebens, also omnipräsent in unserem Dasein. Ich mache gerne Unterwasseraufnahmen, die ich mir danach anhöre. Ich biete musikalisch verschiedene Räume an, in die man hineingehen kann, wenn man will.“

Das räumliche Zusammenkommen und die Mehrdeutigkeit sind der Künstlerin in ihrer Musik ein besonders wichtiges Anliegen. Melancholische Momente treffen auf Dub-Zitate, schräge Soundstrukturen auf zugängliche Songteile und unbekannte Klangderivate auf Texte, die zwischen Nachdenklichkeit und Dadaismus pendeln. So birgt etwa der Albumtitel „Kenne Keine Töne“ vielseitige Interpretationsmöglichkeiten. „Es kann wortwörtlich heißen, dass ich keine Töne kenne, aber das wäre absurd. Um Töne nicht kennen zu können, muss ich ja welche kennen. Dann schwingt die Frage mit, welche Voraussetzungen man braucht, um Musik zu machen. Ich komme aus dem autodidaktischen Arbeiten und da stellt sich diese Frage öfter. Im Prinzip darf jeder für sich nachdenken, was damit gemeint ist. Ich lerne gerne durch das Feedback von außen dazu.“

Abstrakte Kommunikationsform
Frischauf sucht nicht das Absurde, sondern das Ambivalente in der Musik. Das schwingt nicht zuletzt in Songtiteln wie „Bisschen Träumen“, „Dididi Dadada“ oder „Schall und Schwer (Erst aus dem Ufo seh ich dich)“ mit. „Ich weiß nicht, ob die Aliens meine Musik brauchen, aber wissen tue ich es auch nicht“, lacht sie, „in dem Song geht es aber darum, welche Distanz man haben muss, um etwas zu erkennen. Es hat mit dem Abheben und einem Blick auf die Welt aus der Distanz zu tun.“ Nicht zuletzt fließen bei Frischauf die Künste zusammen. „Die bildnerische Kunst und die Musik sind schon getrennt, weil das eine visuell, das andere auditiv ist. Ich mache aber auch Multimediainstallationen, wo Malerei mit Texten und Sounds zusammentreffen. Ich habe Kunst studiert und in diesem Bereich gibt es viele Freiräume, um Visionen zu verwirklichen. Möglicherweise ist die Musik für mich eine abstrakte Kommunikationsform, aber zu 100 Prozent weiß ich das auch nicht.“

Einen nicht unwesentlichen Teil des Albums nimmt Frischaufs Heimat Wien ein, die in Songs wie „Test“ oder „Nordwestwind“ klar zum Vorschein kommt. Auch hier regiert die für die Künstlerin so typische Ambivalenz. „Ich sehe die Stadt mit einer gewissen Skepsis, aber das macht Wien aus. Sie ist so ganz anders als andere Städte, was Wien wieder zu etwas total Besonderem macht. Ich hatte unlängst einen Bandscheibenvorfall und konnte lange nicht reisen und nur wenige Konzerte spielen. Ich war so viel wie möglich in der Stadt unterwegs und habe mich intensiver mit ihr und den Menschen auseinandergesetzt. In ,Nordwestwind‘ kommen die Donau, der Prater und das Karl-Lueger-Denkmal vor. Eine Stadt ist immer komplex und sehr geprägt von den Ereignissen aus der Vergangenheit, aber auch von aktuellen politischen Entwicklungen. Wien nutzt gerne seine Klischees, die zwischen Hochkultur und Schnitzel jonglieren. So transportiert sie sich gerne nach außen.“

Es fehlt an Offenheit
Für die in der elektronischen Subkultur verhaftete Frischauf ist Wien nicht immer der allerbeste Boden. „Es gibt hier gute Szenen und Nischen, aber tatsächlich spiele ich die meisten Konzerte in Deutschland. Wien fehlt es manchmal an einer gewissen Offenheit, die ich in anderen Städten viel stärker bemerke. Ich denke viel darüber nach und führe Gespräche, warum dem so ist. Diese Alltagsbeobachtungen sind ohnehin ein wichtiger Teil meiner künstlerischen Arbeit.“ Als musikalische und persönliche Heimat ist Wien aber essenziell. „Ich will gerade nirgendwo anders hin. Außerdem gibt es immer Möglichkeiten, im Zuge einer Künstlerresidenz für ein paar Monate intensiver woanders zu arbeiten, aber deshalb muss ich Wien nicht aufgeben. Es gibt hier spannende Musiker, eine tolle Szene und eine wirklich gute Förderung der Kulturlandschaft.“ Viel wichtiger als die Geografie ist für die Kreativität aber ohnehin die Neugierde. „Ich denke gar nicht darüber nach, was ich darf oder nicht – ich mache einfach. Wie bei einem Kind. Man sucht sich etwas und schaut alles genau durch, bevor man es verurteilt.“

Conny Frischauf live
Ihr neues Album „Kenne Keine Töne“ stellt Conny Frischauf in nächster Zeit auch mehrmals live vor. Am 28. Juni gibt es eine Release-Party im Wiener Flucc, am 7. September tritt sie im Zuge des New Salt Festival in Bad Ischl auf und am 11. Oktober konzertiert sie im Wiener Radiokulturhaus.

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