Unterschiedlicher könnten sie nicht sein: Zwei junge Frauen geben vor Gericht Einblicke in ihre Erfahrungen mit dem muslimischen Glauben – die eine als Angeklagte wegen Terrorismusfinanzierung, die bloß Frauen und Kindern in Flüchtlingslagern helfen wollte. Die andere als geschiedene 19-Jährige, die sich vollkommen vom Islam abgewandt hat.
Eine junge Frau – sie ist redegewandt, betreibt ihren eigenen Online-Shop – muss im Wiener Landl Platz nehmen. Denn sie soll insgesamt 660 Euro an Vereine gespendet haben, um gefangene IS-Kämpfer in Syrien freizukaufen. Nicht bewusst, beschwört sie vor dem Richter. Die 22-Jährige hätte lediglich Frauen und Kinder in Flüchtlingslagern mit Lebensmitteln versorgen wollen. Was mit dem Geld letztlich wirklich passierte, habe sie nicht gewusst.
„Sie ist keine Terroristin“
„Sie ist keine Terroristin. Sie hat auch keine Terroristen finanziell unterstützt. Sie ist schiitischen Glaubens. Das ist der einzige Link, den man zu der Welt, die in der Anklage beschrieben ist, herstellen kann.“ Mit dem IS sympathisiere sie nämlich auf keinen Fall. Und eine muslimische Glaubensrichtung, wie es der Schiismus ist, kann auf keinen Fall strafbar sein. „Das einzige, was die Staatsanwaltschaft hier aus dem Hut zaubert, was meine Mandantin belastet, ist eine Zeugin.“
Und die ist im Terrorprozess gegen die 22-Jährige auch geladen. Mit rotem Lippenstift, einem gestreiften Sommerkleid und langen offenen Haaren betritt sie den Verhandlungssaal – könnte in ihrem Auftreten nicht gegensätzlicher als die Angeklagte sein. Doch das war nicht immer so: 2019 konvertierte die 19-Jährige zum Islam. Warum? „Ich hatte den Wunsch, irgendwo dazuzugehören. Bis dahin war ich eigentlich atheistisch. Ich hab‘ versucht, Gott zu finden.“
Mit 17 Jahren verheiratet
Dabei lernte sie auch die Angeklagte kennen, die die damals 17-Jährige prompt an ihren Schwager vermittelte. „Sie hat mich gefragt, ob ich heiraten will. Ich hab Ja gesagt. Dann hat sie einen Gruppen-Chat erstellt, wo mir Fragen gestellt wurden. Ich hab ihn vor der Hochzeit vielleicht dreimal gesehen.“ Lediglich acht Monate hielt die Ehe zwischen den beiden – „Wir waren nicht das beste Pärchen.“
Wohl auch, weil ihr Ex-Mann eine Zeit lang in Untersuchungshaft saß; warum und ob er verurteilt wurde, wollen die nun 19-Jährige und die 22-Jährige nicht mehr wissen. Den Richter interessiert aber noch eine ganz andere Verurteilung: „Wissen Sie, warum sie verurteilt wurden?“, will er von der Zeugin wissen – „Weil ich an Vereine gespendet hab, die den IS unterstützt haben.“ Und das hätte sie damals auch gewusst.
Vorsatz für IS-Spenden fehlt
Mit ein Grund, warum sich die 19-Jährige vom Islam vollkommen abgewandt hat. Im Gegensatz zur angeklagten 22-Jährigen, die ihre Religion in einer konservativen Ausprägung praktiziert. Aber – und da ist sich ihre ehemalige Schwägerin sicher: „Sie hat immer gesagt, dass der IS schlecht ist und, dass ich mich davon fernhalten soll.“ Und das glaubt der Schöffensenat: Die junge Frau wird von den Vorwürfen freigesprochen.
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