Offener Krieg droht

Israel zu Hisbollah: Bomben Libanon „in Steinzeit“

Ausland
27.06.2024 10:32

Der Konflikt zwischen Israel und der militanten Hisbollah hat sich zuletzt weiter verschärft. Es droht ein offener Krieg, der die Situation im Nahen Osten weiter eskalieren würde. Das israelische Militär bereitet sich aktuell auf eine Offensive im Libanon vor – deftiger Ansagen inklusive.

Verteidigungsminister Yoav Gallant weilt seit Tagen in den USA, um die Fronten mit Israels wichtigstem Verbündetem abzustecken. Gallant besteht darauf, dass seine Regierung eine diplomatische Lösung an der israelisch-libanesischen Grenze vorzieht. Ganz im Sinne der USA.

Israel droht mit „Steinzeit“
Dennoch warnte er während seines Besuchs in Washington, dass Israels Militär in der Lage sei, den Libanon in einem Krieg mit der militanten Hisbollah „in die Steinzeit“ zurückzuversetzen. Die Terrormiliz kontrolliert große Teile des Libanon, vor allem der Süden und Nordosten liegt in ihrer Gewalt. Die Hisbollah wird deshalb häufig auch als „Staat im Staat“ bezeichnet.

Bereits seit Beginn des Gaza-Kriegs vor mehr als acht Monaten kommt es auch im Grenzgebiet zwischen dem Libanon und Israels fast täglich zu Gefechten mit Kämpfern der Schiitenmiliz, die vom Iran bewaffnet und finanziert wird. Zuletzt intensivierten sich die Kämpfe auf beiden Seiten. 

Gallant baut auf die USA
Israels Verteidigungsminister Gallant hat bereits vor seiner Abreise in die USA bekräftigt, sein Land sei „auf jeden Einsatz vorbereitet, der erforderlich sein könnte, im Gazastreifen, im Libanon und in anderen Gebieten“.

Yoav Gallant mit seinem Amtskollegen aus den USA Lloyd Austin (Bild: AP ( via APA) Austria Presse Agentur)
Yoav Gallant mit seinem Amtskollegen aus den USA Lloyd Austin

Der US-Sender CNN hatte berichtet, ranghohe US-Repräsentanten hätten Mitgliedern einer israelischen Delegation versichert, dass die USA Israel volle Rückendeckung geben würden, sollte ein größerer Krieg mit der Hisbollah ausbrechen.

Israel bereitet Einsatz vor
Die Intensivierung der Kämpfe wurde in den vergangenen Tagen von einer Eskalation der Worte begleitet. Der israelische Außenminister Israel Katz drohte der Hisbollah mit ihrer Vernichtung, daraufhin billigte die Armee einen Einsatzplan für den Libanon.

„Das war eine Botschaft an alle Akteure: Wir sind mit unserer Geduld am Ende und wenn es keine Einigung gibt, mit der wir leben können, ist dies unser nächster Schritt“, erklärte dazu jüngst Nitzan Nuriel, der frühere Chef der israelischen Stabsstelle für Terrorismusbekämpfung.

Das große Aufrüsten seit 2006
Der letzte Krieg zwischen Israel und der Hisbollah hatte im Juli 2006 begonnen. Binnen 34 Tagen wurden fast 1400 Menschen getötet, darunter 1200 auf libanesischer Seite, die meisten von ihnen Zivilisten. Nuriel war als Armeekommandeur an dem Krieg beteiligt.

Heute wäre ein Einsatz wohl noch schwieriger. Die Terrormiliz hat enorm aufgerüstet. Die Hisbollah ist die einzige Gruppe im Libanon, die nach dem Bürgerkrieg von 1975 bis 1990 ihre Waffen behalten hat. Seit dem Krieg mit Israel im Jahr 2006 hat die Miliz nach Angaben der Expertin Dina Arakji von der Beratungsfirma Control Risks die „Größe und Qualität ihres Arsenals“ stark erweitert.

Mehr als 100.000 Raketen und Soldaten
Die Zahl von damals 15.000 Raketen habe sich inoffiziellen Schätzungen zufolge in den vergangenen Jahren verzehnfacht. Die Hisbollah habe vor allem moderne Waffen, insbesondere präzisionsgelenkte Raketen, erworben. Im Falle eines Krieges müsste sich Israel zudem auf Angriffe vom Boden, aus der Luft und vom Wasser aus einstellen.

Die Hisbollah wird vom Iran unterstützt und besitzt moderne Waffen. (Bild: AP ( via APA) Austria Presse Agentur)
Die Hisbollah wird vom Iran unterstützt und besitzt moderne Waffen.

Nach eigenen Angaben kann die Hisbollah-Miliz auf „weit mehr“ als 100.000 Kämpfer zurückgreifen. Eine Zahl, die Nahost-Experten als glaubhaft einstufen. Über Einsatzbereitschaft und Ausbildungsgrad gibt es jedoch unterschiedliche Einschätzungen.

Tunnel nach Hamas-Vorbild
Als gesichert gilt hingegen, dass die Hisbollah auf ein Tunnelnetz nach Hamas-Vorbild zurückgreifen kann. Das weitläufige Geflecht im Südlibanon soll sich bis in die Bekaa-Ebene nahe der Grenze zu Syrien erstrecken. Die Hisbollah sei „auf einen Zermürbungskrieg nach dem gleichen Modell wie die Hamas vorbereitet“, teilte der pensionierte libanesische Armeegeneral Khalil Helou mit. „Ihre Anführer werden für israelische Flugzeuge unerreichbar sein, da sie sich im Untergrund befinden.“

Irans Terrormiliz

  • Die Hisbollah ist Teherans treuester militanter Verbündeter.
  • Sie wurde in den 1980er-Jahren gegründet, um israelische Truppen im Libanon zu bekämpfen.
  • Sie verfügt über ein großes Waffen-Arsenal und hoch qualifizierten Kämpfern, die jahrelang in Syrien gegen sunnitische Islamisten gekämpft haben.
  • Die Hisbollah ist die mächtigste Gruppe im Libanon, dessen Wirtschaft sich im freien Fall befindet. 

Die USA ließen zuletzt keinen Zweifel daran aufkommen, wie sie zu einem offenen Krieg stehen würden. Dem Vernehmen nach drängen US-Offizielle auf eine „diplomatische Lösung“.  Eine israelische Offensive im Libanon könnte nach Einschätzung des US-Generalstabschefs Charles Quinton Brown das Risiko eines umfassenderen Konflikts unter Beteiligung des Iran erhöhen. 

Und: „Die Hisbollah hat größere Fähigkeiten als die Hamas.“ Ob der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu sich diesen Ratschlag zu Herzen nimmt, bezweifeln Analysten. 

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