Die Finanzkompetenz österreichischer Jugendlicher ist im Vergleich zu 15-Jährigen in anderen OECD-Ländern überdurchschnittlich. Das zeigen die am Donnerstag veröffentlichten Ergebnisse des Testteils zu „Financial Literacy“ aus der PISA-Studie 2022. Aufholbedarf gibt es dennoch.
Österreich hat zum ersten Mal an diesem Teil der internationalen Vergleichsstudie teilgenommen. Insgesamt haben sich dieses Mal 20 Staaten daran beteiligt, darunter elf EU-Länder.
In der Studie soll erhoben werden, ob Jugendliche die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten haben, um fundierte Finanzentscheidungen zu treffen. In sieben der 20 Länder haben die Jugendlichen bei den Finanzkenntnissen mehr Punkte erreicht als den OECD-Durchschnitt von 498 Punkten.
Belgien an Spitze
Die besten Ergebnisse erreichten Belgien (flämische Gemeinschaft, 527), Dänemark (521), Kanada (acht Provinzen, 519) und die Niederlande (517). Dahinter folgen Österreichs 15-Jährige mit 506 Punkten (Rang 6), die damit statistisch gesehen gleich gut abgeschnitten haben wie ihre Alterskollegen in Tschechien, Polen und den USA.
Ähnlich viele Jugendliche wie im Schnitt der übrigen Länder haben bei der Erhebung besonders gut bzw. besonders schlecht abgeschnitten: 13 Prozent haben in Österreich Spitzenergebnisse im Finanzwissen erreicht (OECD-Schnitt: 11). Diese Gruppe kann etwa die Konsequenzen von Finanzentscheidungen beschreiben und Finanzprodukte analysieren.
17 Prozent haben besonders geringe Kenntnisse (OECD-Schnitt: 18) und können gerade einmal einfache Entscheidungen zu ihren täglichen Ausgaben treffen, können aber etwa kein Preis-Leistungs-Verhältnis abwägen oder den Zusammenhang zwischen Höhe eines Verbrauchs und entstandenen Kosten verstehen. Die Größenordnung entspricht in etwa dem Anteil besonders schwacher Schüler beim PISA-Testteil Deutsch oder Mathematik.
Familiäre Einflüsse
Und auch beim Finanzwissen hat in Österreich die familiäre Herkunft einen besonders starken Einfluss: Rund 100 Punkte beträgt der Leistungsunterschied zwischen Schülern mit wohlhabenden, hochgebildeten Eltern und sozioökonomisch benachteiligten Jugendlichen. Das ist signifikant mehr als im OECD-Schnitt (87).
Migrationshintergrund sorgt in Österreich mit 63 Punkten für einen doppelt so großen Leistungsunterschied als im Schnitt der Vergleichsländer, der Leistungsrückstand von Schülern mit einer anderen Umgangssprache ist mit 72 Punkten der größte unter allen untersuchten Ländern. Ein guter Teil lässt sich dabei auf soziale Unterschiede zurückführen.
Vergleichsweise gering fallen die Geschlechterunterschiede aus: Burschen haben im Schnitt 8 Punkte mehr erreicht als Mädchen, sie erzielten auch öfter Spitzenergebnisse (16 gegenüber elf Prozent). Im Länder-Schnitt erreichten Burschen um fünf Punkte mehr, wobei in acht der 20 beteiligten Länder Mädchen sogar besser abgeschnitten haben.
Umgang mit Geld als Schulfach
Im begleitenden Fragebogen haben sechs von zehn der rund 1.600 Testteilnehmerinnen und -teilnehmer aus Österreich angegeben, dass sie in der Schule den Umgang mit Geld lernen. Zwei Drittel berichten, dass im Unterricht etwa Werbung analysiert, der Unterschied zwischen Ausgaben für Bedürfnisse oder Wünsche oder die Planung von Ausgaben besprochen wurde.
Bei der Abfrage von 16 Finanzbegriffen kannten heimische Jugendliche immerhin bei acht die Bedeutung. Nur in den Niederlanden waren es mehr, nämlich neun. Dabei mussten Begriffe wie Lohn, Budget, Diversifikation oder Dividende erklärt werden.
Leistungsschere soll kleiner werden
Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) ortete trotz der überdurchschnittlichen Ergebnisse „ganz klar auch Verbesserungspotenzial in ausgewählten Bereichen“. Deshalb werde bei den neuen Lehrplänen ein besonderer Fokus auf Wirtschafts- und Finanzbildung gelegt, die zudem fächerübergreifend Thema im Unterricht sein sollen.
Bei den Zehn- bis 14-Jährigen soll mehr für leistungsschwächere Jugendliche getan werden, betonte die Chefin der Sektion für Allgemeinbildung und Berufsbildung Doris Wagner bei einem Hintergrundgespräch. Gerade bei Schülern aus Elternhäusern mit wenig Bildung und Geld wolle man mit einer Vertiefung der Grundbegriffe eine gute Basis für deren Finanzwissen legen.
NEOS wollen faire Chancen
Auch NEOS und Industriellenvereinigung (IV) verlangen mehr Augenmerk auf sozial benachteiligte Gruppen. Die nächste Regierung müsse besonderes Augenmerk auf faire Chancen für alle Kinder und Jugendlichen legen, forderte Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre. Außerdem müsse sie Wirtschafts- und Finanzbildung und Entrepreneurship noch viel stärker in den Unterricht einbauen und Lehrkräfte dementsprechend gut ausbilden.
Für die IV sind Wirtschafts- und Finanzbildung als Teil der Grundbildung „dringend zu stärken“, appellierte Generalsekretär Christoph Neumayer. Das Aktienforum, die Interessenvertretung der heimischen börsennotierten Unternehmen, forderte eine Überarbeitung der Unterrichtsmaterialien und bessere Weiterbildungsangebote für Lehrer. Aus Umfragen wisse man, dass das Interesse der Jugend am Thema groß sei. Die Politik hinke hier hinterher.
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