Nur ein „Ehrentitel“?

Le Pen zweifelt an Macron als Oberbefehlshaber

Ausland
27.06.2024 14:44

Drei Tage vor der ersten Runde der Parlamentswahl in Frankreich hat die Rechtspopulistin Marine Le Pen die Befugnisse des Präsidenten als Oberbefehlshaber infrage gestellt. Seither tobt unter Franzosen eine heftige Debatte darüber, wie die Verfassung auszulegen ist. 

Die in der Verfassung verankerte Rolle des Präsidenten als „Oberbefehlshaber der Streitkräfte“ sei ein „Ehrentitel“, sagte Le Pen in einem am Dienstagabend veröffentlichten Interview mit der Zeitung „Le Télégramme“.

„Es ist ein Ehrentitel, weil der Premierminister über die Kasse wacht“, betonte sie. Sie gehe davon aus, dass ihre Partei Rassemblement National (RN) die absolute Mehrheit erreiche und Parteichef Jordan Bardella dann Premierminister werde. „Jordan Bardella wird sich nicht mit dem Präsidenten anlegen, aber es gibt rote Linien. Der Präsident wird keine Soldaten in die Ukraine schicken können“, erklärte Le Pen.

Erzürnte Reaktion auf Sager von Le Pen
Verteidigungsminister Sébastien Lecornu veröffentlichte als Antwort darauf im Onlinedienst X den entsprechenden Verfassungsartikel und ein Zitat aus einer Rede des früheren Präsidenten Charles de Gaulle.

Das Posting zum Nachlesen:

„Laut der Verfassung ist der Präsident der Garant für die Unabhängigkeit und Integrität des Landes sowie für die Verträge, die es verpflichten. Kurz gesagt, er ist für Frankreich verantwortlich“, so zitierte Lecornu eine Rede de Gaulles von 1962. „Um diese höchste Verantwortung zu tragen, benötigt das Staatsoberhaupt angemessene Mittel. Diese gibt ihm die Verfassung“, fügte de Gaulle hinzu. Der Verteidigungsminister kommentierte dies mit den Worten: „Die Verfassung ist kein Ehrenamt.“

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Putin macht schon den Champagner auf.

(Bild: AFP/Emmanuel CHERKI)

François Bayrou

Der dem Präsidenten Emmanuel Macron nahestehende Politiker François Bayrou warf Le Pen Verfassungsfeindlichkeit vor. „Wenn Sie behaupten, dass es nur ein hübscher Titel ist, dann stellen Sie auf gravierende Weise die Verfassung infrage“, sagte er dem Sender Europe 1. Le Pens Erklärung sei „äußerst besorgniserregend“, fügte er hinzu.

Die Wahl zur Nationalversammlung habe nicht nur nationale Bedeutung, sondern auch Folgen für Europa und darüber hinaus, sagte Bayrou. „Putin macht schon den Champagner auf“, sagte er in Anspielung auf die frühere Nähe des RN zum russischen Präsidenten Wladimir Putin.

RN will Macron blockieren
Le Pen bekräftigte ihre Position später im Onlinedienst X mit etwas diplomatischeren Worten: „Ohne die Zuständigkeit des Präsidenten für die Entsendung von Soldaten ins Ausland infrage zu stellen, hat der Premierminister durch die Haushaltskontrolle die Möglichkeit, sich dagegen auszusprechen“, erklärte sie. Sie erinnerte daran, dass der sozialistische Premierminister Lionel Jospin sich 1999 gegen die Entsendung von Soldaten ausgesprochen hatte, die der konservative Präsident Jacques Chirac geplant hatte.

Verfassungsjuristen weisen darauf hin, dass die Rollenverteilung mit Blick auf die Verteidigung in der französischen Verfassung tatsächlich nicht eindeutig geklärt sei. „Das ist einer der Punkte, wo sie am unklarsten ist“, sagte der Experte Bertrand Mathieu. „Es gibt keine klare Abgrenzung“, fügte er hinzu. Die Frage habe bisher aber keine Rolle gespielt, weil es keine großen Unstimmigkeiten gegeben habe.

Wer hat welche Befugnisse?
Nach Einschätzung des Verfassungsrechtlers Mathieu Carpentier könnte es bei der Frage der Entsendung französischer Militärausbilder in die Ukraine zu Spannungen kommen. Eine solche Entscheidung müsste letztlich von beiden – Präsident und Premierminister – gemeinsam getroffen werden. „Das Risiko einer politischen Krise ist ziemlich groß und könnte unseren strategischen Interessen schaden“, sagte er.

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