Verstoß gegen Kodex

Schilling-Artikel: Presserat verurteilt „Standard“

Medien
28.06.2024 11:24

Mit einer groß angelegten Kampagne war der „Standard“ gegen die EU-Spitzenkandidatin der Grünen, Lena Schilling, ins Feld gezogen. Der Österreichische Presserat hat nun die Berichterstattung des rosaroten Blattes – das eine verkaufte Auflage von rund 60.000 Exemplaren hat und 2023 (kolportiert) mehr als zehn Millionen Euro an öffentlichen Inseraten und Förderungen erhalten haben soll – klar verurteilt.

Nach Ansicht des Senats 1 des Österreichischen Presserats verstößt nämlich zumindest ein Artikel der umfangreichen Serie gegen Lena Schilling gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse. 

Negatives Bild gezeichnet
Im Beitrag wurde berichtet, dass die EU-Spitzenkandidatin der Grünen, Lena Schilling, über mehrere Personen in ihrem Freundeskreis wie auch im politischen Umfeld schwerwiegende Gerüchte und Unwahrheiten verbreitet haben soll. Im Artikel werden zahlreiche anonymisierte Zitate gebracht, die in der Gesamtheit ein negatives Bild von Schilling zeichnen.

Lena Schilling sah sich mit heftigen Vorwürfen konfrontiert. (Bild: APA/Georg Hochmuth)
Lena Schilling sah sich mit heftigen Vorwürfen konfrontiert.

Mehrere Leserinnen und Leser wandten sich an den Presserat und kritisierten den vorliegenden Artikel als medienethisch bedenklich, teilte das Gremium via Aussendung mit. Dabei wurde unter anderem vorgebracht, dass die im Artikel veröffentlichten Informationen für die Öffentlichkeit nicht relevant seien und die Zitate allesamt von anonymen Personen stammen würden.

„Verstoß gegen gewissenhafte Wiedergabe“
Der Presserat folgte dieser Beobachtung. Man erachtet es „grundsätzlich als zulässig, dass über fragwürdige schwerwiegende Behauptungen, die die Spitzenkandidatin einer wahlwerbenden Partei über Mitstreiterinnen und Mitstreiter bzw. Journalisten verbreitet oder aufstellt, berichtet wird“, wie es in der am Freitag veröffentlichten Entscheidung heißt.

Es sei „aus medienethischer Perspektive möglich, die charakterliche Eignung einer Spitzenkandidatin für die Politik infrage zu stellen und die Öffentlichkeit über begründete Zweifel daran zu informieren“.

Allerdings sieht das Gremium einen „Verstoß gegen das Gebot einer gewissenhaften und korrekten Wiedergabe von Nachrichten“ (Punkt 2.1 des Ehrenkodex). Im Kern werden die vielfach als Beleg angeführten anonymisierten Zitate kritisiert.

Bei der Leserschaft sei der Eindruck entstanden, die Politikerin habe einen mangelhaften Charakter und leide möglicherweise sogar an psychischen Problemen, was als Vorwurf seitens eines Mediums ungewöhnlich sei und unverhältnismäßig schwer wiege. Es wäre geboten gewesen, „auf jene anonymisierten Zitate zu verzichten, die lediglich Werturteile zur Person Lena Schilling enthalten und in denen kein Kontext zu konkreten Ereignissen hergestellt wird“, so der Presserat.

Der „Standard“ wurde für die Kampagne gegen Lena Schilling nun vom Presserat verurteilt. (Bild: Schiel Andreas/Andreas Schiel)
Der „Standard“ wurde für die Kampagne gegen Lena Schilling nun vom Presserat verurteilt.

Denn es scheine naheliegend, dass Informanten aus Schillings Umfeld bei den Grünen, aus dem linken politischen Spektrum oder der Klimabewegung eigene Interessen verfolgen könnten und deren Sichtweise somit etwa aus Konkurrenzgründen oder von persönlichen Zerwürfnissen geprägt seien.

Anonyme Zitate in diesem Fall unzulässig
Der Presserat sieht gesondert auch einen „Verstoß gegen das Gebot einer gewissenhaften und korrekten Zitierweise“ (Punkt 2.2 des Ehrenkodex). Anonyme Zitate sind laut Kontrollorgan in bestimmten Gründen zulässig, eine Grenze sei allerdings dort erreicht, wo sie nur zur negativen Charakterzeichnung ohne ein damit einhergehendes Tatsachensubstrat dienen. „Bei zahlreichen Zitaten des Artikels kann der Senat ein derartiges Tatsachensubstrat nicht erkennen“, urteilt der Presserat.

Seiner Meinung nach wäre es erforderlich gewesen, „bloß über die konkreten und belegten Vorwürfe“ zu berichten und auf anonymisierte Zitate, „die ausschließlich den Zweck haben, nicht überprüfbare negative Wertungen über den Charakter der betroffenen Politikerin vorzunehmen“, zu verzichten. Denn andernfalls würde dies sinngemäß Medien Tür und Tor öffnen, öffentliche Personen mittels namentlich nicht zuschreibbaren Aussagen zu diskreditieren.

„Standard“ verteidigt Vorgehensweise
Der „Standard“ verteidigte in einer in der Entscheidung veröffentlichten Stellungnahme seine Berichterstattung. Die erhobenen Vorwürfe hätten politische Relevanz, keiner der im Artikel erwähnten sei zudem bestritten worden. Die Anonymisierung der Zitate begründete das Medium damit, dass Informantinnen und Informanten andernfalls negative Konsequenzen zu befürchten gehabt hätten.

Die Chefredaktion betonte, dass man die Vorhaltungen nicht nur „akribisch gegengecheckt“, sondern auch einer „umfassenden rechtlichen Überprüfung unterzogen“ habe. Man sei in der Lage, „vor Gericht in jedem einzelnen Punkt den Wahrheitsbeweis anzutreten“. In heiklen Fällen seien mehrere eidesstattliche Erklärungen eingeholt worden.

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