Brandneues Modell

Audi Q6 e-tron: Ingolstadts neue Porsche-Klasse

Motor
02.07.2024 00:01

Ein Jahr, bevor BMW mit der „Neuen Klasse“ den iX3 ablöst, geht Audi im bayerischen Derby in Führung. Der Audi Q6 e-tron teilt sich die neue Elektro-Plattform PPE mit dem Porsche Macan. „Krone“-Motorredakteur Stephan Schätzl war mit der S-Version unterwegs. Seine Eindrücke hier im Video-Fahrbericht.

(Bild: kmm)

Der Q6 interpretiert seine Rolle familienorientierter als sein Zuffenhausener Bruder und gefälliger, als es wohl der BMW tun wird, wenn man sich aus der Studie „Neue Klasse X“ das Serienfahrzeug gedanklich hochrechnet. Die Optik des Audi wirkt vertraut, vor allem außen, aber auch der Innenraum hat nichts Irritierendes an sich.

(Bild: Stephan Schätzl)

Dieser wird dominiert von einem aufgesetzten, aber optisch gut integrierten Curved Display, das einen 11,9-Zoll-Tacho- und einen 14,5-Zoll-Touchscreen - beide in OLED-Technik – fusioniert. Optional lässt sich für die Konsole vor dem Beifahrer ein weiterer, 10,9 Zoll großer Bildschirm ordern. Ist er abgeschaltet, wirkt er wie eine Ziereinlage, ansonsten hat der Beifahrer Zugriff auf viele Funktionen und kann dank Privacy-Verglasung sogar während der Fahrt Videos schauen, ohne dass der Fahrer davon abgelenkt wird.

Das Bedienkonzept wirkt übersichtlich und das Touchen auf dem Bildschirm wird dadurch erleichtert, dass der Fahrer seinen Handballen davor auf dem Armaturenbrett abstützen kann. Zusätzlich kann man mit „Hey Audi“ die Sprachsteuerung aktivieren. Touchelemente am Lenkrad komplettieren die Interaktionsmöglichkeiten, lassen zwar nicht dringend, aber doch den Wunsch nach realen Tasten aufkommen.

(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)

Sehr gelungen ist das Head-up-Display mit Virtual Reality, das u.a. Navigationspfeile hilfreich ins Sichtfeld spiegelt. Außerdem legt es bei einem Eingreifen des Spurhalteassistenten rote Linien sozusagen auf die Straße und blendet fette rote Balken ein, wenn man den eingestellten Mindestabstand unterschreitet. Diese sind jedoch etwas zu massiv geraten und verdecken über die Maßen die Sicht. Weniger wäre im HUD mehr, aber immerhin kann man das alles konfigurieren oder auch deaktivieren.

Das Navi kann Routen automatisch mit Ladestopps versehen. Alternativ ist auch die Navigation via Apple CarPlay und Android Auto möglich, während Handys mit bis zu 100 Watt an der USB-C-Buchse oder mit 15 Watt drahtlos laden.

(Bild: Stephan Schätzl)

Neu entwickelte Antriebe
Für PPE wurde ein neuer, skalierbarer elektrischer „Achsbaukasten“ aus E-Maschinen, Leistungselektronik (Pulswechselrichter) und Getriebe entwickelt. Die Motoren benötigen rund 30 Prozent weniger Platz als früher und sind 20 Prozent leichter. Über ihre Länge lässt sich das Drehmoment variieren. Im Vergleich zu bisher stieg die Performance um 33 Prozent, während der Verbrauch um 30 Prozent sank, schwärmt man bei Audi.

Als mit ausschlaggebend für die verbesserte Effizienz bezeichnet Audi eine neue Hairpin-Wicklung im Stator, Siliziumkarbid-Halbleiter im Pulswechselrichter sowie einen Trockensumpf und eine elektrische Ölpumpe im Getriebe. Durch die Rotorölkühlung konnte weitgehend auf die Verwendung schwerer seltener Erden verzichtet werden.

(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)

Grundsätzlich arbeitet an der Hinterachse ein Permanentmagnetsynchronmotor. Bei den allradgetriebenen Modellen kommt vorn eine Asynchronmaschine hinzu, die bei Nichtgebrauch freiläuft.

Im Audi SQ6 e-tron stemmt der vordere maximal 275 Nm, der hintere 580 Nm, die Systemleistung summiert sich auf 490 PS. Mit Launch Control gibt die Software weitere 27 PS frei, dann dauert der Standardsprint mit dem nach DIN 2350 kg schweren Fahrzeug nur noch 4,3 statt 4,4 Sekunden (der Testwagen brachte es mit Extras auf 2,5 Tonnen). Mit 230 km/h Höchsttempo ist der SQ6 vorläufig der Schnellste der neuen Ingolstädter. Der Q6 e-tron quattro geht es prinzipiell deutlich gemächlicher an. 5,9 Sekunden dauert es bis Tempo 100, obwohl die Motorenkombi nur bei der Leistung weniger bietet: 388 PS, bei gleichen Drehmomentwerten. Höchsttempo 210 km/h.

Von entspannt gleiten bis wild reiten
Der Audi Q6 e-tron fördert auch in der S-Version entspanntes Gleiten, unterstützt den Fahrer auch, wenn ihn der Hafer sticht. Das Fahrwerk – der Testwagen war mit dem adaptiven Luftfahrwerk ausgestattet – versteht sich auf Komfort ebenso wie auf prägnantes Carven um enge Kurven. Die Lenkung vermittelt ein untrügliches Gefühl für die Straße, wirkt dabei aber nicht ganz so direkt und skalpellartig zugespitzt wie im Porsche Macan. Sehr ausgewogen. Nicht für Geld und gute Worte ist die Allradlenkung des Macan zu bekommen.

Auch das Bremsgefühl ist vom Feinsten, man spürt nicht, wie das System von Rekuperation auf Reibbremse überblendet. Die Rekuperation ist mit bis zu 220 kW möglich und ist für 90 bis 95 Prozent der Bremsvorgänge alleinverantwortlich. Im WLTP-Testzyklus kommen die Scheibenbremsen gar nicht zum Einsatz. Mit steigendem Pedaldruck wird zuerst hinten rekuperiert, dann zusätzlich vorn, dann kommt die vordere Bremse dazu, dann die hintere. Rekuperiert wird sogar noch bei voller ABS-Regelung.

Es gibt zudem fünf Modi für die Rekuperation, wenn man vom Fahrpedal geht: Im Menü kann man das adaptive Rekuperieren aktivieren und deaktivieren. Ist es deaktiviert, kann man per Lenkradpaddles zwischen drei Modi wählen: 0 m/s² (Segelmodus), 0,6 m/s² und 1,5 m/s². Die stärkste Rekuperation aktiviert man wiederum, indem man am Fahrwahlschalter auf B schaltet. Warum einfach, wenn’s auch umständlich geht, möchte man fragen.

Drei unterschiedliche Einstellungen gibt es für den elektrischen Motorsound, die kann man aber nur im Individual Mode direkt anwählen. Den anderen Fahrmodi ist der Sound direkt zugeordnet. Vollständig abschaltbar ist der Sound nicht, selbst in der „abgeschaltetsten“ Stufe ist in manchen Betriebszuständen etwas zu hören. Das soll sich mit einem Update Ende 2025 ändern, wurde uns verraten. Im Porsche Macan ist es einfacher: Ein Fingertipp auf das Display – und der Sound ist da. Oder wieder weg. In jedem Fahrmodus. Und beim Fahrmoduswechsel muss man den Sound neuerlich einschalten. Keine Zwangsbeglückung.

(Bild: Audi)
(Bild: Audi)
(Bild: Audi)
(Bild: Audi)
(Bild: Audi)
(Bild: Audi)
(Bild: Audi)
(Bild: Audi)
(Bild: Audi)
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(Bild: Audi)
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(Bild: Audi)
(Bild: Audi)
(Bild: Audi)

Große Batterie mit 100 kWh Bruttokapazität
Wie das dynamische Duo Porsche Taycan und Audi e-tron GT verfügt auch die davon unabhängige PPF-Plattform über eine Spannung von 800 Volt und einen großen Akku. 94,9 kWh beträgt die Netto-Kapazität im Q6 e-tron (eine 83-kWh-Version folgt später). Der Clou sind die kurzen Ladezeiten: Mit bis zu 270 kW Ladeleistung und einer optimierten Ladekurve (siehe Grafik) steigt der Ladestand der zu zwölf Modulen zusammengefassten 180 prismatischen Zellen in 21 Minuten von 10 auf 80 Prozent. In zehn Minuten soll so Energie für bis zu 255 WLTP-Kilometer gespeichert werden. Wechselstrom lädt der Q6 mit nur 11 kW, ein 22-kW-Lader soll später optional angeboten werden.

Die Ladekurve des Audi Q6 e-tron bleibt lange stabil und fällt dann flach ab. (Bild: Stephan Schätzl)
Die Ladekurve des Audi Q6 e-tron bleibt lange stabil und fällt dann flach ab.

Als Reichweite gibt Audi bis zu 638 Kilometer für den Hecktriebler und bis zu 625 km für den Quattro an. Der SQ6 soll 525 bis 596 Kilometer schaffen.

Kreativelektronik: E³ 1.2
Basis für die ganze Hightech-Elektronik ist eine neue Architektur mit dem kreativen Namen E³ 1.2, bestehend aus fünf Hochleistungsrechnern, die alle Fahrzeugfunktionen abdecken – vom Antrieb und den Assistenzsystemen über das Infotainment und die Komfortsysteme bis zu den Sicherheitssystemen und zur Backendvernetzung. Die ist skalierbar und soll konzernweit zum Einsatz kommen.

Und dann kommt da noch ...
... zunächst der Q6 als Hecktriebler mit dem großen Akku. Dann der Q6 e-tron Sportback. Und dann bringen sie auch noch einen kleineren Akku mit 83 Kilowattstunden netto. Und eine besonders scharfe RS-Version. Auf Basis der PPE-Plattform wird auch bald der Audi A6 vorgestellt.

Doch auch auf Verbrennerseite ist einiges zu erwarten. Das basiert dann auf der neuen dezidierten Plattform namens PPC, die auch mit E³ 1.2 verbunden ist. Die trägt den neuen A5 ebenso wie den neuen Q5.

Die Preise
Die Preisliste beginnt bei den Business-Editions, die nach Angaben des Herstellers beide für Privatkunden förderfähig sind: Der heckgetriebene Audi Q6 e-tron performance ist ab 59.990 Euro erhältlich, der quattro ab 64.920. Der SQ6 steht ab 94.600 Euro in der Preisliste.

Fahrzit
Der Audi Q6 e-tron ist ein durch und durch gelungenes Elektroauto, das Kunden, die mit elektrischen Antrieben noch nicht so vertraut sind, aber nicht verschrecken wird. Im Detail – etwa bei Rekuperationsmodi und Elektrosound – hat man unnötig kompliziert gedacht. Besonders interessant ist, wie gut es Audi gelungen ist, auf der gemeinsamen Plattform mit dem Porsche Macan einen völlig eigenständigen Auftritt zu erzielen, ohne Abstriche beim Fahrgefühl zu machen. Der Charakter passt perfekt zu Audi. Der Q6 ist konsequent elektrisch und eine echte Investition in die Zukunft. So gut, dass sich sogar der Q8 warm anziehen muss.

Warum?
Sehr ausgewogenes, komfortables Elektro-SUV
Modernste Lade- und Speichertechnik
Tolles Fahrverhalten

Warum nicht?
Kein Leichtgewicht

Oder vielleicht ...
... Porsche Macan, BMW iX3, Mercedes EQC SUV

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(Bild: kmm)



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