Leistbares Wohnen

Luft nach oben für den gemeinnützigen Wohnbau

Vorarlberg
30.06.2024 10:25

Michael Gehbauer, Obmann des Vereins für Wohnbauförderung (VWBF), beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Thema Wohnen. Im „Krone“-Interview erzählt er, wie viel jeder Arbeitnehmer an Wohnbauförderungsbeitrag zahlt, warum dies einer breiteren Masse zugutekommen sollte und wie Wohnen leistbarer wird.

„Krone“: Herr Gehbauer, am Montag wird die Wanderausstellung „Wohnen mit Zukunft“ in Feldkirch eröffnet. Was ist Sinn und Zweck dieser Ausstellung?
Michael Gehbauer: Die 2023 eröffnete Ausstellung, die bereits in Wien, Graz und Linz zu sehen war, ist so konzipiert, dass gemeinnütziges Wohnen im Fokus stehen. Das ist eine Branche mit einem verwalteten Wohnungsbestand von einer Million Wohnungen in ganz Österreich. Gemeinnützige Wohnbauträger sind ein wichtiger Teil des Wohnungsmarktes – vor allem im Bereich des leistbaren Wohnens. Ziel der Ausstellung ist, zu erklären, was Wohnungsgemeinnützigkeit ist, was die Aufgabe der Wohnbauförderung ist und wie leistbarer Wohnraum entsteht. Das alles wird anhand von 20 Beispielen aus ganz Österreich gezeigt.

Welches Vorarlberger Projekt wurde für die Ausstellung gewählt?
Eine Wohnanlage der Alpenländischen Heimstätte in Laterns. Die insgesamt zwölf Wohnungen in Holzbauweise wurden 2022 bezogen. Beispielgebend ist das Projekt, weil bei der Errichtung auf ressourcenschonenden Umgang mit Boden und Baustoffen geachtet wurde.

Nach welchen Kriterien wurden die Objekte ausgewählt?
Wir konzentrieren uns auf vier Themenbereiche. Einer davon ist die Ökologie. Sprich, das Bemühen, nachhaltige Baustoffe zu verwenden und in Sachen Energieversorgung zukunftsweisend zu bauen. Bei den Neubauten wird weitgehend auf erneuerbare Energie gesetzt. Im Bestand steht da noch eine größere Aufgabe an.

Zur Person

Michael Gehbauer, geb. 1962 in Wien, studierte Geschichte, Handelswissenschaften und Volkswirtschaft. Seit 1993 ist er bei der Wohnbauvereinigung für Privatangestellte (WBV-GPA) tätig, ab 1999 wurde er Gesamtprokurist und mit 2004 Geschäftsführer. Weitere Geschäftsführerfunktionen hat er im WBV-GPA-Konzern sowie in der Privatstiftung zur Bildung und Unterstützung von Arbeitnehmern. Seit 2019 ist er Obmann des Vereins für Wohnbauförderung und seit Jänner 2022 Obmann der Landesgruppe Wien der gemeinnützigen Bauträger.

Wie sieht es mit der Mobilität aus?
Das ist ein zweiter, wichtiger Punkt. Beim Bezug einer neuen Wohnung sollte jeder darüber nachdenken, ob man weiterhin auf das Auto angewiesen ist. Wir versuchen zu zeigen, dass es Alternativen zum motorisierten Individualverkehr gibt.

Was ist beim Bau gemeinnütziger Wohnungen weiter wichtig?
Die Stadtplanung im Sinne des Flächenverbrauchs. Mit einem verdichteten Flachbau wird die Fläche sicher besser genutzt als durch den Bau eines Einfamilienhauses.

Nur bietet verdichtetes Bauen auch mehr Konfliktpotenzial.
Womit wir beim vierten Kriterium, dem Thema Nachbarschaft wären. Wohnen umfasst ja mehr als nur die eigenen vier Wände. Es geht auch um den Zusammenhalt und das Wohlfühlen in einer Anlage. Das kann durch Siedlungsmanagement, Gemeinschaftsräume oder gemeinsame Treffen unterstützt werden.

Wie groß sind die Unterschiede bei den Gemeinnützigen zwischen den Bundesländern?
Wir haben natürlich ein Gefälle. Zu den führenden Bundesländern zählt Wien, aber auch Oberösterreich hat einen starken Anteil an gefördertem Wohnbau. Vorarlberg zählt zu jenen Bundesländern, in denen der Anteil nicht ganz so hoch ist.

Woran liegt das?
Unter anderem hängt dies mit der speziellen Förderung zusammen. Primär wird der Mietwohnungsbau gefördert und man orientiert sich sehr stark an Sozialkriterien – was grundsätzlich sehr positiv ist.

Aber es kommt ein Aber?
Ja, denn jeder Arbeitnehmer leistet in Österreich durch sein Einkommen einen Wohnbauförderungsbeitrag. Derzeit beläuft sich dieser auf 0,5 Prozent für den Dienstgeber und 0,5 Prozent für die versicherte Person. Somit sind wir bei insgesamt einem Prozent der allgemeinen Beitragsgrundlage. Aufgrund des Finanzierungssystems ist der Schluss naheliegend, dass die Mittel einfach breiter gestreut und für leistbaren Wohnbau verwendet werden sollen. Das passiert in einigen Ländern stärker, in anderen nicht ganz so stark.

Hat das Land Vorarlberg in den vergangenen Jahren den Turnaround versäumt? Vor rund fünf Jahren war Eigentumserwerb für den Mittelstand ja noch machbar.
Ich will jetzt keine Noten verteilen und es steht mir auch nicht zu, dies von aus Wien zu beurteilen. Aber in Vorarlberg gibt es beim gemeinnützigen Wohnbau durchaus Luft nach oben. Der Marktanteil liegt in Vorarlberg bei 12 Prozent, österreichweit bei 17 Prozent. Das ist doch deutlich niedriger. Und der Marktanteil bei Mietwohnungen ist in Vorarlberg bei 33 Prozent und österreichweit bei 40 Prozent.

Zitat Icon

Jeder Arbeitnehmer leistet durch sein Einkommen einen Förderbeitrag, deswegen sollte es einen breiteren Zugang geben.

(Bild: Georg Wilke)

Michael Gehbauer, Obmann des VWBF

Was würden Sie als Wohnbau-Landesrat tun?
Es wäre durchaus wünschenswert, die Aktivitäten, insbesondere was die Wohnbauförderung betrifft, auszuweiten. Vorarlberg ist in der glücklichen Lage, die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung zu haben. Die Situation am Wohnungsmarkt ist schwierig, deshalb ist ein verstärktes öffentliches Angebot sinnvoll.

Ändert das etwas an den hohen Preisen?
Wenn mehr Wohnungen auf den Markt kommen, hat dies immer auch den positiven Effekt, dass sich die Preissituation verbessert. Es gibt Untersuchungen, die zeigen: je höher der Anteil der gemeinnützigen in einer bestimmten Gemeinde sind, desto stärker ist die Wechselwirkung zu den privaten Mieten. Das heißt, der Bau von geförderten Wohnungen hat auch einen Einfluss auf das Mietniveau bei den Privaten.

Vorarlbergs SPÖ-Chef Mario Leiter hat den Bau von 11.000 gemeinnützigen Wohnungen vorgeschlagen, die ÖVP hat dies als unrealistisch bezeichnet.
11.000 Wohnungen sind sehr ambitioniert, vor allem, wenn man weiß, dass derzeit viel weniger gebaut wird. Einige Ideen des angesprochenen 5-Punkte-Plans finde ich aber sehr gut. Etwa die Idee, Wohnmodelle für ältere und benachteiligte Menschen zu fördern.

Was halten Sie von der viel diskutierten Leerstandsabgabe?
Ich würde der Leerstandsabgabe eine gewisse Lenkung zubilligen, ein Allheilmittel ist sie sicher nicht. Es wäre sinnvoller, den Bedarf zu erheben und den fehlenden Wohnraum zu schaffen. Auch Mietkaufmodelle sind in einem eigentumsorientierten Land gute Optionen.

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