Festival-Abschluss

Lido Sounds: Finale mit Pop-Pomp und Nostalgie

Musik
01.07.2024 00:55

Mit einer pompösen Pop-Show von Sam Smith endete das Lido Sounds 2024 Sonntagabend an der Linzer Donaulände. Rund 70.000 Fans feierten nationale und internationale Topstars und sorgten bei meist kaiserlichem Wetter für perfekt-sommerliche Partystimmung. Die bereits fixierte 2025er-Edition verkauft sich schon jetzt blendend.

(Bild: kmm)

„Linz representig“ ist ein geflügelter Ausdruck am diesjährigen Lido Sounds. Auf Künstler mit österreichischer Couleur wird besonders geachtet und so beginnt natürlich auch der vierte und letzte Tag mit einem Heimspiel. Die auf den Frontmann zugeschnittene Drei-Mann-Punkrock-Combo Anda Morts ist perfekt ausgewählt, um den doch schon etwas müden Fans nach drei Tagen Vollgas den Staub aus den Knochen zu schütteln. Das passiert mit klugen Texten, einer coolen Verneinungsattitüde und einem humorigen Backdrop, bei dem den Anwesenden gleich einmal der blanke Hintern entgegengestreckt wird. Punk muss natürlich dreckig sein. Das sind auch Songs wie „Adidas für Mama“, „Wütend“, „Nix Dagegen“, oder - natürlich besonders passend – „Sommer“. Aber immer mit leichtfüßigem Pop-Appeal. Auf große Zwischenansagen verzichtet Anda, dafür sei viel zu wenig Zeit. Let the music do the talking – auch im darauffolgenden Interview zeigt sich der Linzer Bua mitsamt seiner Liveband wenig reserviert.

Anda Morts nutzte sein Heimspiel: „500 Meter von der Bühne entfernt bin ich aufgewachsen.“ (Bild: Andreas Graf)
Anda Morts nutzte sein Heimspiel: „500 Meter von der Bühne entfernt bin ich aufgewachsen.“

Ungezwungener Spaß
„Wir sind direkt vom deutschen Fusion Festival hierhergekommen, es war ein geiler Gig.“ Die frühe Spielzeit auf der großen Bühne ist für eine Punkband, die normalerweise abends in kleinen Clubs oder schwitzigen Kellern spielt, etwas ungewohnt. „Es kann so oder so laufen, aber bei uns waren eh viele Leute da, war geil. Wenn nicht, wäre es aber auch egal.“ Der Nihilismus von Anda Morts ist ansteckend. DIY statt kapitalistischen Karrierezielen. Ungezwungener Spaß an der Sache statt Formatmusik, die am Reißbrett entworfen wurde. Prägend für Anda Morts war natürlich auch die Linzer Szene. „Wir sind eine kleine Stadt. Punks, Sprüher, Hip-Hopper und andere vereinen sich und man besucht und unterstützt sich gegenseitig.“ Direkt weiter geht es mit ein paar Wochen Songwriting-Urlaub. „Das halbe Album wird solo sein, das halbe mit Band.“ Man darf gespannt sein.

Rund 70.000 Fans besuchten das Lido Sounds an allen vier Festivaltagen. (Bild: Andreas Graf)
Rund 70.000 Fans besuchten das Lido Sounds an allen vier Festivaltagen.

Die vitale heimische Musikszene wird vor allem in der ersten Tageshälfte prominent ins Licht gerückt. Intensiven Alternativ-Pop mit Christl, Post-Punk mit Salo, der die erkrankte deutsche Band Kaffkiez spontan ersetzt, und die unvergleichliche Kunst der Steirerin Anja Plaschg aka Soap&Skin. Im grauen Netzoberteil und mit wuchtigen Stiefeln sitzt sie am Piano und interpretiert den The Doors-Klassiker „The End“ zum Setbeginn in einer düsteren Form. Danach setzt sich eine fünfköpfige Bläser- und Streichersektion zu ihr, der Cellistin fällt gleich einmal das Pult mit den Partituren um. Nach zwei Tagen Todeshitze hat ein bisschen Wind Einzug aufs Gelände gehalten, die Sonne versteckt sich lange hinter einer diffusen Wolkendecke. Es ist fast so, als würde eine übernatürliche Kraft die perfekte Szenerie für die Künstlerin heraufbeschwören.

Anja Plaschg aka Soap&Skin lieferte am Sonntag die spannendste und wohl auch interessanteste Show des Festivals ab. (Bild: Andreas Graf)
Anja Plaschg aka Soap&Skin lieferte am Sonntag die spannendste und wohl auch interessanteste Show des Festivals ab.

Steirische Naturgewalt
Kammermusikartig spielt und singt sich die Ausnahmemusikerin durch ein Set, das man zwar lieber im gediegenen Ambiente des Konzerthauses sehen würde, aber auch im Festivalsetting eine besondere Magie zu entfachen weiß. Das intensive „Me And The Devil“ exerziert in lichten Stimmhöhen und lässt damit für kurze Zeit das letzte Getratsche auf dem Festivalgelände verstummen. Auch David Bowie („Girl Loves Me“) und Lana Del Rey („Gods And Monsters“) werden von der Steirerin mit einer inbrünstigen Cover-Version bedacht. Den teils dissonanten, überhaupt nicht zu einer gelösten Festivalstimmung passenden Sound dazu kann man, wie sie selbst, am besten als Naturgewalt bezeichnen. Mit der Kompromisslosigkeit ihrer Performance sticht sie thematisch und stilistisch aus dem Wulst an Indie-Bands heraus.

Der Freitag und der Samstag gingen mit je 23.000 Besuchern als die Highlights des diesjährigen Festivals über die Ziellinie. (Bild: Andreas Graf)
Der Freitag und der Samstag gingen mit je 23.000 Besuchern als die Highlights des diesjährigen Festivals über die Ziellinie.

Die Nostalgie spielt am mit rund 11.000 Fans leider sehr schwach besuchten letzten Festivaltag eine große Rolle. Mit den Hives, den Editors und den Libertines reihen sich gleich drei solcher Exemplare aneinander, die vor allem die 2000er-Jahre prägten und mehr oder weniger unbeschadet die jüngere Vergangenheit bestritten. Den Auftakt machen die Hives, die vergangenen Sommer mit „The Death Of Randy Fitzsimmons“ das erste Album nach elf Jahren Pause veröffentlichten und die unausgesprochene Bandpause überraschend beendeten. Seitdem hat man auch wieder mehr Lust aufs Livespielen und reiht an die Festivalgigs ein paar üppigere Touren. Das Brüderpaar Pelle und Niklas Almqvist ist seit dem letzten Österreich-Auftritt 2015 („Rock In Vienna“) markant gealtert, der Bühnenenergie merkt man das aber nicht an.

Die Jahre sind nicht völlig unbemerkt an den Hives vorbeigezogen: Pelle Almqvist und Co. lieferten trotzdem eine feurige Performance. (Bild: Andreas Graf)
Die Jahre sind nicht völlig unbemerkt an den Hives vorbeigezogen: Pelle Almqvist und Co. lieferten trotzdem eine feurige Performance.

Rückkehr der Urväter
Mit Songs wie „Hate To Say I Told You So“, „Tick Tick Boom“ oder „Try It Again“, die natürlich alle zelebriert werden, schrieb man Garage-Rock-Musikgeschichte. In den markanten schwarzweißen Anzügen und mit ordentlich Feuer im Hintern rockt man sich durch ein Set voller Klassiker und neuerer Songs. Pelle sucht dabei wiederholt den Kontakt mit dem Publikum und geriert sich als exaltierter Derwisch. Der Zahn der Zeit nagt aber auch an den vitalen Schweden, ganz so explosiv wie früher ist dein Konzert mit ihnen nicht mehr. „Wir sind eine Band ohne großen Plan“, erklären die Almqvist-Brüder davor im „Krone“-Talk, „irgendwann finden wir uns wieder und machen Musik. Wir haben bis zur Fertigstellung letztes Jahr nicht einmal gewusst, dass wir noch ein Album schreiben würden.“ Jetzt geht es jedenfalls voll im Takt weiter. Beim grassierenden Garage-Rock-Revival dürfen die Urväter nicht fehlen.

Am allerletzten Lido-Tag öffnete der Himmel noch einmal seine Schleusen. (Bild: Andreas Graf)
Am allerletzten Lido-Tag öffnete der Himmel noch einmal seine Schleusen.

Die Editors fahren erfahrungsgemäß eine feinere Klinge und sorgen für den dunklen Anstrich des Tages. Mit dem 2022 veröffentlichten Werk „EBM“ und der Inthronisierung von Keyboarder Blanck Mass hat sich die Band jedenfalls wieder stärker der elektronischen Vergangenheit angenähert und die Gitarren zugunsten von Synthesizern zurückgeschraubt. Songs wie der Opener „Strawberry Lemonade“ entfachen ein würziges Feuer, aber insgesamt wirkt die Performance zuweilen routiniert und abgeklärt. Zudem erscheint Frontmann Tom Smith indisponiert und wankelmütig, alte Klassiker wie „Munich“ oder „Papillon“ bringen die eher spärlich gesäten Fans dann aber doch noch zur Ekstase. Man hat die Editors aber schon mal ambitionierter gesehen.

Editors-Frontmann Tom Smith setzte auf neue Songs und große Klassiker, wirkte zuweilen leicht neben der Spur. (Bild: Andreas Graf)
Editors-Frontmann Tom Smith setzte auf neue Songs und große Klassiker, wirkte zuweilen leicht neben der Spur.

Spielfreudig und stabil
Bei den Libertines sind die Drogen mittlerweile dem Käsebuffet gewichen und Exzesse von Peter Doherty und Carl Barât finden, wenn, dann nur noch hinter verschlossenen Türen statt. Mit dieser neugewonnenen Professionalität veröffentlichte man heuer das starke Album „All Quiet On The Eastern Esplanade“ und spielt in Europa gerade großartige Festivalshows. Jungvater Doherty spazierte vor dem Gig mit Frau und Kind zur angrenzenden Pizzeria und stärkte sich für den Auftritt, den er aufgrund des doch noch einfallenden Gewitters im wenig modischen Regenponcho absolviert. Von „Up The Bracket“ über die neue Single „Run, Run, Run“ bis hin zu „Don’t Look Back Into The Sun“ spielt man sich bunt durch ein Karriere-Oeuvre und erweist sich als spielfreudig und stabil. Man kann es trotz des starken Gigs nicht oft genug sagen: Ein Glück, dass die Skandalnudeln noch leben und so vital sind.

Als die Libertines kamen, setzte spät noch Regen ein. Peter Doherty löste das Dilemma mit einem schlichten Poncho Marke „Kartoffelsack“. (Bild: Andreas Graf)
Als die Libertines kamen, setzte spät noch Regen ein. Peter Doherty löste das Dilemma mit einem schlichten Poncho Marke „Kartoffelsack“.

Die größten Highlights des Tages stammen ebenfalls aus England und sorgen in unterschiedlicher Ausführung für Furore. Mike Skinner aka The Streets feiert beim Lido Sounds sein Österreich-Comeback nach 16 Jahren und gewinnt das Publikum am Nachmittag vom ersten Moment an. Schon nach den ersten paar Takten Musik springt er in die Menge, klatscht mit den Leuten ab, borgt sich ein paar Schlucke Bier aus und steht für Selfies zur Verfügung. Sein Sprechgesang wird von der fünfköpfigen Band mit unterschiedlichen Background-Klängen von Pop über Elektronik bis Reggae verstärkt, ein Background-Sänger unterstützt die Stimme, wenn sie zwischendurch nicht genug Druck entfacht. Auf der Bühne verbringt Skinner nur wenig Zeit, viel lieber gibt er sich als „Man Of The People“ und mischt sich unters Volk. Ein echter Überraschungserfolg.

Mike Skinner aka The Streets lieferte mit Sprechgesang und Nahbarkeit die mitreißendste Performance des Abschlusstages. (Bild: Andreas Graf)
Mike Skinner aka The Streets lieferte mit Sprechgesang und Nahbarkeit die mitreißendste Performance des Abschlusstages.

Ohne Anarchiebeschränkung
Erwartungsgemäß grandios liefern die britischen Post-Punk-Durchstarter Idles ab. Ähnlich wie die Streets waren auch die Idles gerade am renommierten Glastonbury zu Gast und sind über das karge Aufkommen an Leuten wohl etwas überrascht. Das tut der Spielfreude vom mit pinkem Haupt erstrahlenden Joe Talbot aber keinen Abbruch. Gitarren-Exzentriker Mark Bowen beschreitet die Bühne mit einer Mischung aus Kaftan und violettem Krankenhauskittel, danach bricht die visuelle und akustische Hölle los. Es wird gesprungen, gekickt, geschrien, gesungen. Wie ein Käfig voller Narren ohne jegliche Anarchiebeschränkung. „Mr. Motivator“, „Jungle“, „Divide And Conquer“ oder „Dancer“ befinden sich im Programm, das ganz der Liebe gewidmete und stilistisch wesentlich softere Album „TANGK“ nimmt den Hauptteil des Abends ein. Was für ein Furioso - auch wenn die Stimmung gesamt etwas reserviert erscheint.

Live immer eine Bank: Dem britischen Post-Punk-Kollektiv Idles macht auf der Bühne niemand etwas vor. (Bild: Andreas Graf)
Live immer eine Bank: Dem britischen Post-Punk-Kollektiv Idles macht auf der Bühne niemand etwas vor.

Das Festival beschließt auf der Hauptbühne der glamouröseste Headliner – Sam Smith begeisterte zuletzt 2023 mit einer fulminanten und grellbunten Show in der ausverkauften Wiener Stadthalle. Beim Lido-Kehraus wirkt Smith nach den rockigen und nostalgisch angehauchten Bands davor nur anfangs fehlbesetzt, seine treuen Fans sind sofort aktiv in die Show involviert. Das Set startet mit dem balladesken Mega-Hit „Stay With Me“ und schlängelt sich im weiteren Verlauf durch verschiedenste Phasen. Es gibt viel Souliges, einen echten Disco-Block und zeitlose Pop-Nummern. Das zehnjährige Jubiläum von Smiths Debütalbum „In The Lonely Hour“ sorgt für Emotionen und eine erweiterte Werkschau. Die opulenten Showelemente einer eigenen Tour sind natürlich zurückgefahren, aber mit Smiths Goldstimme, einer perfekt eingespielten Band und dem Megahit „Unholy“ als Festival-Rausschmeißer bleibt die Gewissheit: Das Lido Sounds ist hier, um zu bleiben.

Abschluss mit Glanz und Gloria: Sam Smith lieferte eine Show ab, die alle Emotionen und Tempi beinhaltete. (Bild: Andreas Graf)
Abschluss mit Glanz und Gloria: Sam Smith lieferte eine Show ab, die alle Emotionen und Tempi beinhaltete.

Lido Sounds 2025 steht in den Startlöchern
Die dritte Ausgabe des Lido Sounds findet vom 27. bis 29. Juni 2025 statt. Bereits angekündigt wurden AnnenMayKantereit, Beatsteaks, Betterov, Mira Lu Kovacs, der Schmusechor und Shooting-Star Uche Yara. Mehr als 6400 Drei-Tagespässe (bisher nur am Festival erhältlich) sind bereits verkauft. Tickets sind ab morgen, Montag, 1. Juli, um 14 Uhr – zum „Frühe Möwe“-Tarif auf lidosounds.com erhältlich.

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