Trump-Urteil spaltet

Richterin: Präsident jetzt „König über dem Gesetz“

Ausland
01.07.2024 21:14

Die konservative Mehrheit des US-Höchstgerichts hat Donald Trump Immunität vor Strafverfolgung zugesprochen, zumindest teilweise. Für „offizielle“ Handlungen können Präsidenten nicht belangt werden, lautete das Urteil. Liberale Kräfte in den USA schäumen vor Wut.

Die New Yorker Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez hat die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs als „Angriff auf die amerikanische Demokratie“ bezeichnet. Hakeem Jeffries, der Minderheitenführer der Demokraten im Repräsentantenhaus, warnte vor einem „gefährlichen Präzedenzfall für die Zukunft unserer Nation“.

Donald Trump postete hingegen auf seiner Plattform „Truth Social“ kurz nach dem Urteil in großen Lettern: „GROSSER GEWINN FÜR UNSERE VERFASSUNG UND DEMOKRATIE. STOLZ, EIN AMERIKANER ZU SEIN!“

Flammender Widerspruch von Richterinnen
Die drei liberalen Höchstrichterinnen Sonia Sotomayor, Elena Kagan und Ketanji Brown Jackson waren mit der konservativen Mehrheitsmeinung (sechs zu drei Stimmen) nicht einverstanden.

„Das Verhältnis zwischen dem Präsidenten und dem Volk, dem er dient, hat sich unwiderruflich verschoben. Bei jeder Ausübung seiner Amtsgewalt ist der Präsident nun ein König, der über dem Gesetz steht“, erklärte Sotomayor in einer gemeinsamen Stellungnahme.

Hintergrund

  • Bei dem Urteil geht es um Trumps Rolle beim Sturm auf das US-Kapitol.
  • Die Folgen sind gravierend. Über allem steht die Grundsatzfrage: Ist ein US-Präsident kraft seines Amtes immun vor Strafverfolgung?
  • Für „offizielle“ Handlungen gilt laut dem US-Höchstgericht eine absolute Immunität.
  • Das Problem: Die Ausnahmen und die Begrifflichkeiten präzisierten die Richter in ihrem Urteilsspruch nicht. 

Der Fall betreffe nicht nur Trumps Bestreben, die Wahlergebnisse von 2020 umzudeuten. Die Richterinnen warnten vor den „schwerwiegenden“ langfristigen Folgen der Entscheidung und wiesen darauf hin, dass ihr Gericht eine Art „rechtsfreie Zone“ um das Präsidentenamt geschaffen habe.

Diese neue Immunität für Amtshandlungen liege nun „wie eine geladene Waffe“ für jeden „Commander-in-Chief“ herum, der seine eigenen Interessen, sein eigenes politisches Überleben oder seinen eigenen finanziellen Gewinn über die Interessen der Nation stellen will.

Für die liberalen Richterinnen ist in der Urteilsbegründung nicht genau genug herausgearbeitet, was „offiziell“ und was „privat“ – und damit für die Strafverfolgung relevant – sei. Der Supreme Court hat den Fall nun an ein Bezirksgericht in Washington zurückgegeben. Dort soll jetzt festgestellt werden, welche von Trumps Handlungen beim Kapitolsturm von „privater“ Natur und damit justiziabel waren.

Damit wurde ein zeitintensives Verfahren an den Start zurückversetzt, was einen Prozessbeginn vor der Wahl unwahrscheinlich macht. Sollte Trump die Wahl gewinnen, könnte er die Anklage, sofern etwas davon übrig bleibt, vollends annullieren.

Richterin fürchtet Horrorszenarien
Der US-Präsident sei bereits jetzt die mächtigste Person in den USA, „möglicherweise in der Welt“. Sotomayor zufolge könnten wahre Horrorszenarien eintreten. „Befiehlt er dem Seal Team 6 der Navy, einen politischen Rivalen zu ermorden? Immun!“ Ein Putsch, um an der Macht zu bleiben? Auch hier droht laut der Höchstrichterin keine Verfolgung. Eine Begnadigung gegen Geld? „Immun, immun, immun.“

Solange diese Horrorszenarien in einem „offiziellem“ Gewand daherkommen, wären sie nach der Logik der konservativen Richter auch legal. Oder zumindest ohne strafrechtliche Konsequenzen.

Supreme-Court-Richterin Sonia Sotomayor (Bild: AP ( via APA) Austria Presse Agentur/Mark Schiefelbein)
Supreme-Court-Richterin Sonia Sotomayor

Manchmal schließen Richter ihren Widerspruch mit einem milden und höflichen Zusatz ab, indem sie schreiben: „Mit Verlaub, ich bin anderer Meinung.“ Richterin Sotomayor schloss ihr Schreiben stattdessen mit: „Aus Angst um unsere Demokratie stimme ich nicht zu.“

Für das Wahlkampfteam von US-Präsident Joe Biden wurden am Montag die „Schlüssel zu einer Diktatur“ überreicht.

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