Düstere Aussichten

Weltpresse: Mit Volldampf Richtung US-Diktatur

Ausland
02.07.2024 15:21

Donald Trump hat am Montag einen bedeutsamen Erfolg vor dem höchsten US-Gericht verbucht: Der Supreme Court urteilte, dass ein Präsident für seine Handlungen praktisch vollständige Immunität vor dem Gesetz genießt. Die Weltpresse staunt über ein Urteil, das der Autokratie Tür und Tor öffnet.

Der Oberste Gerichtshof der USA hat Trump eine weitreichende Immunität gegen strafrechtliche Verfolgung zuerkannt, die sich in ihrer schwammigen Begründung als Absolution liest.

Bezüglich ihrer Handlungen innerhalb ihres verfassungsmäßigen Aufgabenbereichs sei dieser Schutz für ehemalige Präsidenten absolut, befanden die Richter des Supreme Court am Montag. Für sein Vorgehen in einem privaten Zusammenhang genieße ein ehemaliges Staatsoberhaupt jedoch keine Immunität. Was das bedeutet und wo die Grenzen verlaufen, ließen die Richter offen.

Damit hat das Oberste Gericht zum ersten Mal in der fast 250-jährigen Geschichte der USA dem Präsidenten einen Schutz vor Klagen bescheinigt. Die Weltpresse fürchtet einen Rückfall in dunkle Zeiten.

„Süddeutsche Zeitung“:
Bislang galt in der ältesten Demokratie der Welt das Prinzip, dass niemand über dem Gesetz steht. Mit seinem Urteil vom Montag hat der Supreme Court das zumindest teilweise außer Kraft gesetzt. Solange der US-Präsident in offizieller Mission handelt, kann er sich ab sofort in einer rechtsfreien Zone nach Belieben austoben. Niemand wird ihn dafür vor ein Gericht zerren können.

Warum ist das wichtig?

  • Bei dem Urteil geht es um Trumps Rolle beim Sturm auf das US-Kapitol.
  • Die Folgen sind gravierend. Über allem steht die Grundsatzfrage: Ist ein US-Präsident kraft seines Amtes immun vor Strafverfolgung?
  • Die Antwort: eigentlich immer. Für „offizielle“ Handlungen gilt laut dem US-Höchstgericht eine absolute Immunität.
  • Das Problem: Die Ausnahmen und die Begrifflichkeiten präzisierten die Richter in ihrem Urteilsspruch nicht. 

Im Übrigen hat er angekündigt, im Falle seiner Rückkehr ins Weiße Haus, ein Diktator für einen Tag sein zu wollen. Man darf ihm bekanntlich nicht alles glauben, wer weiß, vielleicht gefällt ihm das dann so gut, dass er das Prinzip auch auf den zweiten und dritten Tag ausweiten möchte. Das Gerichtsurteil vom Montag legt ihm da jedenfalls keine neuen Steine in den Weg.

„Der Spiegel“:
Das Urteil ist ein Tiefpunkt in der Geschichte des Supreme Courts und der amerikanischen Demokratie insgesamt. Der Ex-Präsident hat sein eigenes „Seal Team Six“ auf der Richterbank geschaffen: sechs Richter, die ihm in entscheidenden Fällen zur Seite stehen und ihm helfen, die radikal konservative Version eines Nachtwächterstaats zu verwirklichen.

Zwei der Richter, die für Trumps Immunität stimmten, haben jeden Anschein von richterlicher Neutralität verloren. Clarence Thomas, der sich seit Jahren von einem erzkonservativen Milliardär mit teuren Geschenken überhäufen lässt, ist mit einer Aktivistin verheiratet, die selbst an einer Kundgebung zum Angriff auf das Kapitol beteiligt war.

Zur selben Zeit wehte vor dem Haus seines Richterkollegen Samuel Alito eine umgedrehte US-Flagge – ein Erkennungszeichen der „Stop the Steal“-Bewegung, die seit Jahren die Lüge propagiert, Donald Trump habe die Wahl 2020 gewonnen. (…) Deshalb wird die Wahl am 5. November zu einer Art Endspiel für die Demokratie in den USA.

„La Repubblica“:
Wenn die Amerikaner Donald Trump nicht wieder im Weißen Haus haben wollen, müssen sie dies am 5. November an der Wahlurne entscheiden. Und sie werden sich diese Frage sehr genau überlegen müssen.

(…) Nach dieser Logik (des Richterspruchs, Anm.) könnte Donald, sobald er wieder an der Macht ist, die Armee anweisen, Washington zu besetzen, und das Justizministerium, einen politischen Gegner zu verfolgen. Jede andere Handlung, die einen normalen Bürger ins Gefängnis brächte, würde nicht gestoppt und strafrechtlich verfolgt. Dies ist ein bedeutender Wendepunkt, der das bisher von Joe Biden erfolglos vorgebrachte Argument wieder aufleben lässt, dass bei der Präsidentschaftswahl das Überleben der amerikanischen Demokratie auf dem Spiel steht.

„New York Times“:
Seit Montag ist der Grundsatz, dass niemand über dem Gesetz steht, außer Kraft gesetzt. Ausgerechnet in der Woche, in der die Nation ihre Gründung feiert, untergrub das Gericht den Grund für die amerikanische Revolution, indem es allen Präsidenten, wie eine abweichende Richterin es nannte, eine „gesetzesfreie Zone“ einräumte.

„The Guardian“:
Richard Nixons Status als Verbrecher und Gauner wurde einmal durch seine ominöse Erklärung zusammengefasst: „Wenn der Präsident es tut, ist es nicht illegal.“ Das Gericht hat diese vulgäre Absurdität nun zum Gesetz erhoben.

Weiß, jung, rechtsradikal: Trump-Fans während einem Wahlkampfauftritt (Bild: AFP/Jim WATSON, Krone KREATIV)
Weiß, jung, rechtsradikal: Trump-Fans während einem Wahlkampfauftritt

Auf absurde Weise, als wolle das Gericht die amerikanische Öffentlichkeit und ihr historisches Streben nach Freiheit verhöhnen, behauptet es, dass dieser neue Zustand von den Urhebern der Verfassung angeordnet wurde. Also genau jenen Menschen, die mit ihrem Land gebrochen und einen Krieg geführt haben, um sich von dieser Art von unkontrollierbarer Exekutivgewalt zu befreien.

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