Nur Elite profitiert
Mittelschicht in Deutschland wird immer kleiner
Die Ungleichheit sowohl beim Einkommen als auch bei den Vermögen der Deutschen nimmt den Forschern zufolge zu: Nur eine "Elite der Gesellschaft" habe in den vergangenen Jahren ihren Wohlstand steigern können. Das Versprechen "Wohlstand für alle", Titel eines Bestsellers von Ex-Wirtschaftsminister Ludwig Erhard, werde "nicht mehr so eingelöst wie noch in der langen Phase seit den 50er-Jahren", zitieren "Süddeutsche Zeitung" und "Spiegel Online" aus der Studie.
Die These von der Stabilität der Mittelschicht, so die Analyse der Medien, werde durch die aktuelle Studie "Mittelschichtsgesellschaft unter Druck?" widerlegt. Der Aufstieg in die Mittelschicht gelingt demnach immer seltener. "Die Mitte wächst nicht mehr durch einen Zustrom aus unteren Einkommensschichten", erklären die Wissenschaftler.
Deutlich mehr Abstiege als Aufstiege
Zugleich verfüge die Mittelschicht aber über zunehmend bessere Bildung und höhere berufliche Positionen, was Aufstiegschancen aus der Mitte heraus nach oben eröffne. "Auch aus diesem Grund schrumpft die Mittelschicht." Allerdings gebe es deutlich mehr Abstiege als Aufstiege. "Selbst eine gute Ausbildung ist heute kein Garant mehr für ein Leben in gesichertem Wohlstand", lautet die ernüchternde Erkenntnis der Forscher. Untere Einkommen der Mittelschicht seien zudem gefährdet, in einkommensschwache Bereiche abzurutschen. Jeder Vierte in der Mittelschicht habe die latente Sorge, seinen Status zu verlieren.
Auch die Steuerpolitik trägt den Forschern zufolge eine Mitschuld daran, dass die Mittelschicht schrumpft. Von den seit Mitte der 1990er-Jahren durchgeführten Steuerreformen hätten vor allem Reiche profitiert. "Die Mittelschicht wurde dagegen deutlich weniger von den geänderten Steuertarifen entlastet."
Rückgang normaler Arbeitsverhältnisse
Arbeitsmarktreformen und der Rückgang normaler Arbeitsverhältnisse seien eine weitere Ursache. "Die entstandenen atypischen Beschäftigungsverhältnisse sind in der Regel durch eine unterdurchschnittliche Entlohnung gezeichnet", hieß es. Hinzu komme der Trend zu mehr Ein-Personen-Haushalten. Diese führten zu größerer Einkommensungleichheit, "da keine Ersparnisse durch gemeinsames Wirtschaften wie in größeren Haushalten erzielt werden".
Ökonomen-Streit um schrumpfende Mittelschicht
Ob die Mittelschicht in Deutschland schrumpft und das Vermögen ungerechter verteilt wird, ist jedoch unter Ökonomen umstritten, wie die "Süddeutsche" berichtete. So konnte das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft im vergangenen Sommer in einer Studie kein "besorgniserregendes Schrumpfen der Mittelschicht" entdecken. Die Konrad-Adenauer-Stiftung stellte erst Anfang der Woche ebenfalls fest: Deutschlands Mitte ist und bleibt stabil.
Die aktuelle Studie kommt allerdings zu einem anderen Schluss: Demnach schrumpft die deutsche Mittelschicht seit 1997 und hat 2010 ihren "bisherigen Tiefpunkt" erreicht. Die Studie beruht auf dem sogenannten sozioökonomisches Panel, für das jährlich 20.000 Erwachsene befragt werden. Zur Mittelschicht in Deutschland gehört, wer über zwischen 70 und 150 Prozent des mittleren Einkommens, des sogenannten Medianeinkommens, verfügt.
Das Medianeinkommen teilt die Bevölkerung in zwei gleich große Hälften: in die Menschen mit einem höheren und die mit einem niedrigeren Einkommen. Es lag 2010 bei 19.400 Euro. Zur Mittelschicht gehörten damit Alleinstehende mit einem Monatseinkommen von 1.130 bis 2.420 Euro oder Familien mit zwei Kindern unter 18, die rund 2.400 bis 5.100 Euro monatlich zur Verfügung haben.
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