„Flutlicht“

Sängerin Michelle mit persönlichem Abschiedsalbum

Musik
07.07.2024 16:00

Dieses eine letzte Album noch, gefolgt von Abschiedskonzerten – dann gehen die Scheinwerfer aus für Michelle: Nach mehr als 30 Jahren im Showgeschäft hört die Sängerin auf. „Ich bin durch viele Stürme geritten, hatte ungezählte Höhen und Tiefen, bin wie im Hamsterrad gelaufen, ohne anzukommen, und bin jetzt einfach müde“, sagt die 52-Jährige im Gespräch der Deutschen Presse-Agentur. Ein spontaner Entschluss sei das angekündigte Ende ihrer Karriere nicht.

(Bild: kmm)

„Es war ein Prozess, eine Sehnsucht, die immer größer wurde. Das hat nichts mit dem Publikum zu tun, sondern mit dem ganzen Drumherum. Business und Privatleben. Eins leidet immer. Ich bin schlicht an einem Punkt, an dem ich sage: Ich möchte das nicht mehr.“

Viele Höhen und Tiefen
Höhen und Tiefen klingt untertrieben. Eher sind es Gipfel und Abgründe. Die in Villingen-Schwenningen geborene Künstlerin errang mit Hits wie „Rouge“, „Leben!“ und „Tabu“ obere Plätze in den Charts, war Dauergast in Fernsehshows, füllte Konzerthallen, sammelte Gold und Platin für verkaufte Alben. 2001 schaffte sie beim Eurovision Song Contest (ESC) im rosa Glitzerkleid für Deutschland den achten Platz. Der Preis für das ruhelose Leben war hoch: ein Schlaganfall, eine Privatinsolvenz, ein Fluchtversuch ins Private mit der Eröffnung eines Hundefriseur-Salons, ein Schwächeanfall, zerbrochene Beziehungen.

Das neue Album „Flutlicht“ soll ihr letztes sein. Die Musik klingt frisch, die Texte wirken reif, mal Feierlaune, mal Ballade. Falls Michelle müde ist, merkt man es nicht. „Du kannst mich mal“, „Das war‘s für mich“, „Männer“ sowie „Rache ist süß“ heißen Songs. Setzt hier jemand die Brücken hinter sich in Brand? „Ich würde nicht von einer Abrechnung sprechen“, sagt die Sängerin. „Abrechnung klingt nach Verbitterung, das bin ich nicht. Ich schaue einfach auf 30 Jahre zurück. Und da sind sehr viele authentische Geschichten dabei.“

Traumatische Kindheitserinnerung
Eine heißt „Der Junge mit den weißen Haaren“: „Bei meiner Pflegefamilie, zu der ich mit neun Jahren kam, lebte ein Junge. Bei Albträumen schrie er und wurde deswegen mit einem Bambusstock geschlagen. Da habe ich mich zu diesem Jungen gelegt, damit er nicht schlecht träumt, nicht schreit und nicht geschlagen wird“, erzählt die zierliche 52-Jährige. „Es gibt viele Geschichten, die mir im Kopf geblieben sind und die ich verarbeiten wollte.“

Im Titelsong „Flutlicht“ verarbeite sie Erfahrungen im Showbusiness. „Ich bin mit großer Naivität in diese Branche gekommen, mit dem Glauben, dass jeder mein Freund ist. Ich musste lernen, dass es nicht jeder gut mit mir meint, dass es Menschen gibt, die mich ausnutzen. Dann bist du am Ende nur ein Produkt.“

Immer gen Sonne schreiten
Auf dem Album singt Michelle auch ein Duett mit Eric Philippi, ihrem Verlobten. Mit ihm lebt sie in seiner saarländischen Heimat, mit ihm plant sie ihre Zukunft. Wie soll ihr Publikum sie in Erinnerung behalten? „Ich bin ein ganz normaler Mensch, mit Höhen und Tiefen und Geschichten, die auch den Menschen da draußen passieren. Aber es gibt stets einen Weg hinaus. Geh immer Richtung Sonne und lass den Schatten hinter dir.“

Wird sie das Singen vermissen? „Natürlich“, antwortet sie resolut, „der liebe Gott hat mir eine Stimme mitgegeben, die kein anderer hat. Man hasst oder liebt sie. Ich bin ein Mensch, der immer summt, meine Tochter sagt schon: ,Mama, du singst wieder. Es nervt!‘ Ich merke das manchmal gar nicht.“

Zu den Fehlern stehen
Eins ist Michelle noch wichtig. „Ich bin kein Mensch, der anderen die Schuld in die Schuhe schiebt. Am Ende ist man es immer selbst, der Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen hat. Da bin ich sehr aufrecht und stehe zu meinen Fehlern, die im Leben passiert und ganz wichtig sind. Sonst wäre ich nicht der Mensch, der ich bin.“

Jetzt noch einige Pressetermine, Auftritte – dann ist Schluss. Nach mehr als 30 Jahren wird es einen letzten Tag für die Sängerin Michelle geben. Was wird die private Michelle am Tag danach machen? „Ausschlafen“, sagt die Künstlerin und lacht. „Der Rest findet sich.“

Porträt von Wien Krone
Wien Krone
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