Nach den Benko-Razzien Ende Juni hegen die Ermittler offenbar keine Zweifel: Der Finanzjongleur war der faktische Geschäftsführer seiner bewusst intransparent konstruierten Signa-Gruppe, obwohl er seit 2013 keine offizielle Organfunktion mehr bekleidete.
Das zeigt sich auch in vorliegenden Anordnungen zu den Hausdurchsuchungen bei René Benko und seinen wichtigsten Managern, in denen der Immobilienspekulant mehrfach als „faktischer Machthaber“ bezeichnet wird.
„Keine Entscheidung ohne Rücksprache mit Benko“
Die Ermittler verweisen etwa auf die Zeugenaussage eines leitenden Bankmitarbeiters, der unter Wahrheitspflicht „explizit klarstellte, dass in den Verhandlungen für ihn immer klar gewesen sei, dass René Benko die letzte Entscheidung getroffen habe“. Der Zeuge habe zudem den Eindruck gehabt, dass der langjährige Signa-Finanzchef Manuel Pirolt „keine Entscheidung ohne Rücksprache mit René Benko getroffen habe“. Dies werde auch in einer E-Mail zu den Vermögensverschiebungen rund um Gardasee-Villen deutlich, in dem Pirolt bei Benko „nachfragte, wie vorzugehen sei“.
„Stell dich nicht blöd“
Das Verhältnis war eng, der Ton mitunter rau. „Stell dich nicht blöd“, schrieb Berater Benko seinem hoch bezahlten Zahlenmann Pirolt einmal im Zusammenhang mit einem Kick-off-Meeting. Ein anderes Mal erinnerte er den Signa-Finanzchef an die „Konsulenten-Honorare 2022“: „Kannst du dich um deinen wichtigsten Berater kümmern und die Rechnungen bezahlen“, schrieb Benko. Pirolt meldete umgehend zurück: „Sind schon im Zahlungslauf.“
Pirolt hatte als einer der wenigen Insider offenbar den breiten Überblick über das Signa-Konstrukt. Er war bis zu einer kürzlich erfolgten, höchst eigenwilligen PR-Offensive Benkos Schattenmann, der auch die dunkleren Ecken des bankrotten Konzernkonglomerates gekannt haben dürfte. Bis Ende Juni saß Pirolt im Vorstand wichtiger Konzerngesellschaften. Und im Vorstand der Laura Privatstiftung, in der verschobenes Vermögen vermutet wird.
Eine „Schattenrechnung“ namens „Bierdeckel“
Benko wurde von Pirolt über die wirtschaftliche Lage der Signa-Gruppe jedenfalls permanent auf dem Laufenden gehalten: Am Finanzjongleur sollte ganz offensichtlich kein Zahlungsstrom vorbeifließen. Besonders die „Cash-Flow-Rechnung“ war für den Signa-Gründer oft schon in den frühen Morgenstunden von Interesse. Benko und Pirolt verband in den letzten Jahren ein eigenes System. Eine Art „Schattenrechnung“, wie Recherchen von „Krone“ und „News“ nun zeigen. Sie nannten es tatsächlich: „Bierdeckel“.
Darauf zu sehen: eine einfach strukturierte Übersicht über die Zahlungsein- und -ausgänge der wichtigsten Konzerngesellschaften. In fetten grünen Lettern stand dort regelmäßig „WORST CASE“ geschrieben, der schlimmste Fall also.
Dieser schlimmste Fall trat bekanntlich am 17. August 2023 ein. Damals sagte ein Fonds aus Korea eine für Benko dringend erforderliche Finanzspritze über 400 Millionen Euro ab. Woraufhin Benko an Pirolt ein Wort mit vier Großbuchstaben schrieb: „FUCK“.
Danach nahm die größte Pleite der Zweiten Republik ihren Lauf. Es kam zu einem Insolvenz-Domino. Aber auch zu einer Vielzahl an Sachverhaltsdarstellungen, die zu Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft führten.
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