Erdboden gleichgemacht

Kiew muss Stadtteil von Tschassiw Jar aufgeben

Ausland
04.07.2024 10:08

Die ukrainische Armee hat sich nach eigenen Angaben aus einem Teil der strategisch wichtigen ukrainischen Stadt Tschassiw Jar zurückgezogen. Zuvor hatte Kiew den Tod von fünf Menschen sowie Dutzende Verletzte bei russischen Angriffen auf die Industriestadt Dnipro gemeldet.

„Es war nicht mehr möglich, das Kanalviertel zu halten, nachdem der Feind eingedrungen war“, sagte ein ukrainischer Militärsprecher am Donnerstag. Die Verteidigungsstellungen seien zerstört und das Leben der eigenen Soldaten gefährdet worden. Das Armeekommando habe sich für einen Rückzug auf besser geschützte Positionen entschieden.

Tschassiw Jar liegt etwa zehn Kilometer von Bachmut entfernt, das im Mai 2023 nach langen Kämpfen von den russischen Truppen erobert worden war. Ein Durchbruch könnte der russischen Armee den Zugriff auf wichtige Bergbaustädte wie Kramatorsk im Donbass erleichtern, die noch von der Ukraine kontrolliert werden. Zunächst war nicht klar, ob es den russischen Soldaten auch gelang, einen Kanal im Osten der Kleinstadt zu überwinden, welcher der ukrainischen Armee bisher als natürliche Verteidigungslinie diente.

Der dem ukrainischen Militär nahestehende Nachrichtenkanal „DeepState“ erklärte im Onlinedienst Telegram, das Viertel Nowi „wurde völlig dem Erdboden gleichgemacht“. Weiterer Widerstand hätte nur zu hohen Verlusten geführt. „Der Rückzug aus dem Viertel ist daher eine logische, wenn auch schwierige Entscheidung“, hieß es weiter.

Ukrainische Sträflinge, die sich der 92. Angriffsbrigade der ukrainischen Armee angeschlossen haben, nehmen inmitten der russischen Invasion in der Ukraine, an einer Trainingseinheit in einem unbekannten Gebiet in der Region Charkiw teil. (Bild: APA/AFP/Roman PILIPEY)
Ukrainische Sträflinge, die sich der 92. Angriffsbrigade der ukrainischen Armee angeschlossen haben, nehmen inmitten der russischen Invasion in der Ukraine, an einer Trainingseinheit in einem unbekannten Gebiet in der Region Charkiw teil.

Ukraine: Lage „extrem schwierig“
Die Ukraine wies die russischen Berichte zurück. „Wir sehen kein Nachlassen der Artillerieangriffe. Der Feind setzt Artillerie und Mehrfachraketenwerfer ein“, sagt der Sprecher der 24. Brigade der ukrainischen Streitkräfte, die die Stadt verteidigt, dem staatlichen Fernsehsender Suspilne. Die Lage sei „extrem schwierig“, es gebe Kämpfe um den Kanal. „Die Situation bleibt angespannt. Aber die 24. Brigade hält ihre Stellungen.“

Die russische Armee war in den vergangenen Monaten an der Front Stück für Stück weiter vorgerückt. Zugleich setzt Russland seine täglichen Luftangriffe auf die Ukraine fort, vor allem auf die Städte und die Energieinfrastruktur.

Fünf Menschen starben bei Angriff in Dnipro
In der Großstadt Dnipro wurden bei einem russischen Angriff am Mittwoch nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj fünf Menschen getötet. „35 Menschen wurden verletzt, darunter ein Kind“, schrieb Selenskyj in den Online-Netzwerken. Regionalgouverneur Serhij Lysak erklärte, eine 14-Jährige sei unter den Verletzten.

Das Nachrichtenportal Medusa veröffentlichte ein Augenzeugen-Video:

Ukrainische Medien veröffentlichten Amateur-Aufnahmen des Angriffs, die eine große Rauchwolke über der Stadt zeigten. Der Chef des Regionalrats von Dnipropetrowsk, Mykola Lukaschuk, teilte online Fotos von aufgerissenen Gebäuden und über den Boden verteilten Glassplittern. „So sieht eines der Einkaufszentren der Stadt nun aus“, erklärte Lukaschuk. Autos und Fenster seien zerstört und auch eine Tankstelle getroffen worden.

Selenskyj appelliert nach tödlichen Angriffen an Verbündete
Selenskyj erklärte, die Ukraine brauche mehr Luftabwehrsysteme und Waffen mit größerer Reichweite, um weitere russische Angriffe zu stoppen. Auch aus den ostukrainischen Regionen Donezk und Charkiw meldeten Behördenvertreter nächtliche Angriffe, bei denen zwei Zivilisten getötet wurden.

Der ukrainische Präsident hat zudem mehrfach von den Verbündeten die Erlaubnis eingefordert, die gelieferten westlichen Waffen auch gegen Ziele tief auf russischem Staatsgebiet – etwa gegen Militärflughäfen - einsetzen zu dürfen. „Wir erörtern all dies aktiv mit unseren Partnern auf allen Ebenen“, so der Staatschef.

Bisher darf das ukrainische Militär schwere Waffen nur im Frontgebiet sowie östlich von Charkiw im Grenzgebiet zu Russland einsetzen, weil die Verbündeten Sorge vor einer zu weitreichenden Beteiligung am Krieg mit Russland haben. Bei Angriffen tief im russischen Hinterland setzt die Ukraine Drohnen ein, die nicht so viel Sprengwirkung haben wie etwa Marschflugkörper oder Raketen.

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