„Habe es vermasselt“
Letzte Bewährungsprobe? Biden gesteht Fehler ein
Der amtierende US-Präsident Joe Biden ist mitten im so wichtigen Kampf um seine Wiederwahl schwer angezählt. In einer letzten Bewährungsprobe versucht er nun das Ruder herumzureißen – und gesteht jetzt Fehler ein.
Während Biden noch um Schadensbegrenzung nach dem Debakel bei der TV-Debatte mit Herausforderer Donald Trump bemüht ist, ist bereits die Debatte um eine mögliche Nachfolgerin oder einen möglichen Nachfolger für die Demokraten entbrannt.
Biden zeigt sich ungeschönt ehrlich
Ganz will sich Biden aber nicht geschlagen geben. „Ich hatte einen schlechten Abend. Und Tatsache ist, dass ich es vermasselt habe, dass ich einen Fehler gemacht habe“, sagte der Demokrat in einem Radiointerview. Er habe aber von seinem Vater gelernt, dass man immer wieder aufstehen müsse, so der 81-Jährige. 90 Minuten auf einer TV-Bühne seien nichts im Vergleich zu dem, was er in den vergangenen dreieinhalb Jahren geleistet habe.
Ein letzter Notnagel für ihn scheint das geplante TV-Interview mit dem Sender ABC am Freitag zu sein – dieses wird schließlich zur besten Sendezeit (2.00 Uhr MESZ in der deutschen Nacht zu Samstag) ausgestrahlt werden soll.
Reaktion zeigt, wie ernst die Lage ist
Der Interviewer George Stephanopoulos ist langjähriges Gesicht des Senders. In den 1990er-Jahren arbeitete er für den damaligen demokratischen Präsidenten Bill Clinton. Biden gibt selten TV-Interviews. Dass er sich dazu nun genötigt sieht, zeigt, wie ernst die Lage ist. Bidens Auftritt dürfte entscheidend dazu beitragen, ob die Zweifler in seiner Partei verstummen oder noch an Auftrieb gewinnen.
Biden will sich bei der US-Wahl im November eine zweite Amtszeit sichern und den Wiedereinzug von Trump ins Weiße Haus verhindern. Nach seinem desaströsen Auftritt bei der TV-Debatte vor einem Millionenpublikum muss sich der 81-Jährige allerdings die Frage gefallen lassen, ob er noch der richtige Kandidat ist – oder besser Platz für eine jüngere Alternative machen sollte.
Hinter den Kulissen geht's schon rund
In der Demokratischen Partei brodelt es, anfangs nur hinter den Kulissen. Schließlich meldeten sich Kritiker aber auch öffentlich zu Wort. Biden griff schließlich für Krisengespräche selbst zum Hörer und sprach mit den Parteispitzen. Er schaltete sich auch mit mehr als 20 demokratischen Gouverneuren bei einem Treffen im Weißen Haus sowie per Internet und Telefon zusammen, um sich Unterstützung zu sichern.
Biden sagte den Gouverneurinnen und Gouverneuren US-Medien zufolge, dass er sich nach dem TV-Debakel einer medizinischen Untersuchung unterzogen habe und dass es ihm gut gehe. Stunden zuvor klang das bei Bidens Sprecherin Karine Jean-Pierre noch etwas anders. „Er hat sich nicht vom Arzt untersuchen lassen. Es ist eine Erkältung, Leute. Es ist eine Erkältung“, sagte sie.
Erklärung für TV-Debakel glaubwürdig?
Biden sprach bei der Debatte mit rauer Stimme und wirkte heiser. Im Anschluss sagte er, dass er eine Erkältung gehabt habe. Er versuchte seinen desaströsen Auftritt, bei dem er sich häufig versprach und den Faden verlor, auch mit Stress wegen langer Auslandsreisen vor der Debatte zu erklären.
Alle Augen auf Rede vor der Nation
Den Unabhängigkeitstag, der in den USA traditionell am 4. Juli gefeiert wird, verbrachte Biden mit seiner Familie im Weißen Haus. Am Abend (2.00 Uhr deutscher Zeit in der Nacht zu Freitag) will Biden seine traditionelle Ansprache anlässlich des Feiertags halten.
Auch hier dürften wieder alle Augen auf den 81-Jährigen gerichtet sein. Bei derartigen Ansprachen beantwortet Biden aber in der Regel keine Fragen und liest seine Rede vom Teleprompter ab. Damit sinkt die Chance für verbale Ausrutscher.
Nervosität bei Demokraten steigt
In den vergangenen Wochen lieferten sich Trump und Biden in den Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Der Republikaner lag stets ein bis zwei Prozentpunkte vorn – trotz seiner Skandale und der Verurteilung in einem New Yorker Strafprozess.
Seit der Fernsehdebatte konnte Trump seinen Vorsprung in der Wählergunst jedoch signifikant ausbauen, wie aktuelle Umfragen zeigen. Bei den Demokraten steigert das die Nervosität – und offenbar auch die Bereitschaft, über einen anderen Kandidaten nachzudenken. Dabei richtet sich der Fokus zunehmend auf Bidens Stellvertreterin Kamala Harris.
Biden kann nur selbst entscheiden
Die Demokraten küren ihren Präsidentschaftskandidaten offiziell während eines Parteitags im August in Chicago. Biden hat bei den Vorwahlen bereits die nötigen Delegiertenstimmen gesammelt, er hat die Kandidatur damit eigentlich sicher. Er hatte dabei keine ernst zu nehmende Konkurrenz und galt von Anfang an als gesetzt.
Deshalb kann auch nur Biden selbst entscheiden, das Handtuch zu werfen. Beobachter gehen davon aus, dass der Demokrat, sollte er wirklich aus dem Rennen aussteigen, bis zum letzten Moment kein Anzeichen von Schwäche zeigen werde, da dies für die Umfragen verheerend wäre.
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