Ein erschreckender Fall von Kindesmissbrauch ist am Freitag am Wiener Landesgericht verhandelt worden. Ein 60-Jähriger wurde verurteilt, weil er eine Achtjährige von einer Kinder-Gruppe auf der Donauinsel weggelockt und in einem Gebüsch missbraucht hatte, wobei er den Übergriff mit einer sogenannten Action-Cam filmte.
Er wurde wegen sexuellen Missbrauchs einer Unmündigen und Besitzes von Kindesmissbrauchsdarstellungen zu einer insgesamt vierjährigen Haftstrafe verurteilt. Der Missbrauch hatte sich bereits vor elf Jahren ereignet. Am 15. Juli 2013 suchten Sommercamp-Betreuer mit einer 40-köpfigen Kindergruppe einen beliebten Wasserspielplatz auf der Donauinsel auf.
Vor laufender Kamera missbraucht
Der Angeklagte dürfte sich dort herumgetrieben und gezielt nach potenziellen Opfern Ausschau gehalten haben. Er sprach schließlich eine Achtjährige an und fragte diese, ob sie schon die kleinen Enten gesehen habe. Als das Mädchen verneinte, lockte er sie von der Gruppe weg in ein Gebüsch. Dort zog er ihr den Badeanzug aus, filmte den entblößten Körper und nahm bei laufender Kamera Missbrauchshandlungen vor.
„Hat um Hilfe geschrien“
„Sie hat zu weinen begonnen und um Hilfe geschrien. Da hat er ihr mit Klebeband den Mund zugeklebt“, berichtete die Staatsanwältin einem Schöffensenat (Vorsitz: Andreas Böhm). Erst nachdem er die Kamera ausgeschaltet hatte, entfernte der Mann den Knebel und ließ das Mädchen gehen, die zum Betreuer-Team lief und vom soeben Geschehenen berichtete. Trotz einer sofort eingeleiteten Fahndung gelang dem Täter die Flucht.
Sie hat zu weinen begonnen und um Hilfe geschrien. Da hat er ihr mit Klebeband den Mund zugeklebt.
Staatsanwältin schildert Tat vor dem Schöffensenat
Erst nach über zehn Jahren gefasst
Auf die Spur des Kinderschänders kam man über zehn Jahre danach, als im vergangenen Herbst beim Angeklagten eine Hausdurchsuchung durchgeführt wurde. Dieser war beim Betreiben einer Cannabis-Plantage aufgeflogen. Der mehrfach Vorbestrafte – er hatte 17 Jahre wegen versuchten Mordes in der Justizanstalt (JA) Stein verbüßt – wurde nach dem Suchtmittelgesetz festgenommen. Bei der Hausdurchsuchung wurden neben Cannabispflanzen eine Reihe von elektronischen Geräten, Datenträgern und auch die Action-Cam sichergestellt. Auf der Kamera und auf einer externen Festplatte befanden sich die Originalaufnahme des Missbrauchs auf der Donauinsel bzw. eine Kopie.
Die Auswertung der weiteren sichergestellten Speicherträger förderte darüber hinaus 245.000 Bilddateien und 1700 Videos mit Missbrauchsmaterial an Kindern zutage. Damit konfrontiert, behauptete der Angeklagte vor Gericht, er habe diese Sammlung in der JA Stein von anderen Häftlingen „überspielt bekommen“.
„Gewisse Neigung“
„Ich war auf Kokain und Alkohol. Das soll keine Ausrede sein“, sagte er. Er sei „irgendwie mit ihr ins Gespräch gekommen“, dann seien „oberflächliche Berührungen“ passiert, behauptete er. Er wisse „nicht mehr genau, wie ich das gemacht habe“. Auf die Frage, ob sein sexuelles Begehren auf Kinder ausgerichtet sei, erwiderte er: „Nach der Haft war eine gewisse Neigung vorhanden, das ist schon richtig.“ Dem Mädchen habe er – „in einer Panikreaktion, weil sie g‘schrien hat“ – den Mund verklebt.
Der Mann war Ende Mai 2013 und damit gerade einmal sechs Wochen vor dem Missbrauch aus seiner Strafhaft bedingt entlassen worden. Dieser langen Inhaftierung lag ein Sachverhalt zugrunde, den der vorsitzende Richter kurz erörterte: demnach war der Mann nachts in ein Haus eingedrungen, hatte einen Sechsjährigen mit einem Kabel gefesselt und dem Buben den Mund verklebt und dann dessen Vater in räuberischer Absicht niedergestochen.
60-Jähriger wird eingewiesen
Am Ende wurde der Angeklagte unter Bedachtnahme auf eine vor wenigen Wochen erfolgte Verurteilung für das Betreiben der Cannabis-Plantage, wofür er zwei Jahre ausgefasst hatte, zu einer insgesamt vierjährigen Haftstrafe verurteilt. Zusätzlich wurde der 60-Jährige in ein forensisch-therapeutisches Zentrum eingewiesen, weil der beigezogene Gerichtspsychiater ihm eine hohe Gefährlichkeit bescheinigte. Letzteres sah der 60-Jährige nicht ein und nahm das Urteil daher nicht an. Das Urteil ist somit nicht rechtskräftig.
6000 Euro für Opfer
Dem mittlerweile 19 Jahre alten Opfer des Kinderschänders geht es nach Angaben ihrer Rechtsvertreterin „nicht gut“. Das Gericht sprach der jungen Frau, die sich dem Verfahren als Privatbeteiligte angeschlossen hatte, einen Betrag für 6000 Euro für die erlittenen seelischen Schmerzen zu.
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