Schlimmes steht bevor
Was Putin Orban über den Ukraine-Krieg gesagt hat
Ungarns Regierungschef Viktor Orban hat sich mit seiner derzeitigen EU-Ratspräsidentschaft zum Ziel gesetzt, seinen eigenen „Friedensplan“ anzugehen. In diesem Sinne stattete er bereits dem ukrainischen Staatsoberhaupt Wolodymyr Selenskyj einen Besuch hab, am Freitag wurde er von Kreml-Chef Wladimir Putin persönlich in Empfang genommen. Nun schilderte er in einem Interview mit der „Bild Zeitung“, was der russische Präsident ihm bei dem Gespräch verraten hat ...
Erwartungsgemäß folgte auf Orbans Moskau-Besuch ein regelrechter Schwall an Kritik. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hielt fest, dass Orban nicht im Auftrag der EU unterwegs sei. Von anderen Staaten hieß es gar, die Reise sei mit niemandem abgesprochen worden. Auch der Sinn von Orbans Vorhaben wurde grundlegend hinterfragt: Immerhin, so die Meinung, wolle Putin keinen Frieden – er nutze lediglich jede Atempause, um erneut aufzurüsten und dann wieder anzugreifen.
In einem großen Interview mit der „Bild-Zeitung“ versuchte Orban nun, seine Sicht der Dinge darzulegen. „Es gibt sehr wenige Menschen auf der Welt, die mehr über Russland wissen als die Ungarn und vor allem ihr Ministerpräsident“, schilderte er. „Ich kenne die Russen. Sie sind anders als wir. Sie haben eine andere Geschichte, eine andere Kultur, andere Instinkte und Einstellungen. Ein anderes Verständnis von Freiheit und ein anderes Verständnis von nationaler Souveränität.“
Viel mehr Tote zu erwarten
In naher Zukunft sei keine Besserung an der Front in Sicht, daher nehme er nun die Zügel in die Hand: „Es gibt mehr Waffen und die Russen sind entschlossener. Die Energie der Konfrontation, die Zahl der Toten, die Zahl der Opfer wird also brutaler sein als in den letzten sieben Monaten, obwohl die Zeit davor auch sehr brutal war“, so Orban.
Die Gespräche mit Selenskyj und Putin hätten ihm vor Augen geführt, dass die nächsten Monate viel schlimmer werden würden, als wir denken. Daher sei es an der Zeit, „von der Kriegspolitik zu einer Friedenspolitik“ zu kommen. „Das Hauptargument ist der Verlust von Menschenleben. Das ist die wichtigste moralische Motivation. Aber daneben gibt es das Eigeninteresse Europas, weil das, was hier passiert, sehr schlecht für uns ist.“
Leute, wir, die Welt, wollen Frieden, hört auf, euch gegenseitig umzubringen. Lasst uns anfangen zu verhandeln. Oder zumindest zu verstehen, dass es vor Ort keine Lösung gibt.
Viktor Orban
Bild: AFP
„Europa hat auch eine Kriegspolitik“
Orban nimmt Europa dabei ordentlich in die Mangel: „Es tut mir leid, das sagen zu müssen, aber Europa hat auch eine Kriegspolitik.“ Europa müsse sich daher von den USA abkehren und eine autonome Politik betreiben. Als Hauptopfer des Krieges macht der ungarische Ministerpräsident die europäische Wirtschaft wie auch die europäische Bevölkerung aus. An der Front werde es jedenfalls keine Lösung geben: „Leute, wir, die Welt, wollen Frieden, hört auf, euch gegenseitig umzubringen. Lasst uns anfangen zu verhandeln. Oder zumindest zu verstehen, dass es vor Ort keine Lösung gibt.“
Putin habe eine ganz klare Vorstellung vom Sieg. Darüber „was passiert und wie Russland gewinnen wird“. Dasselbe gelte für Selenskyj. Putin kann nicht verlieren, wenn man sich Soldaten, Ausrüstung und Technologie anschaut. Russland zu besiegen ist ein Gedanke, der schwer vorstellbar ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass Russland tatsächlich besiegt werden könnte, ist völlig unkalkulierbar“, so Orban.
Donald Trump als „Mann des Friedens“
Große Hoffnungen setzt der Ungar dabei auf eine mögliche Rückkehr von Donald Trump als US-Präsident – er sei „der Mann des Friedens“. Denn seine „andere“ Herangehensweise sei gut für die Weltpolitik, zeigte sich Orban überzeugt. Eine umfassende Russland-Kenntnis habe auch die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel an den Tag gelegt. „Sie hat die liberale Demokratie in Russland und diese dumme Herangehensweise vieler Westler überhaupt nicht verstanden“, ließ er im „Bild“-Interview mit harten Worten aufhorchen. Wäre sie noch Bundeskanzlerin, hätte Putin seinen Krieg nicht begonnen, so Orban.
Angesprochen auf die Lage an der ukrainischen Front platzte dem ungarischen Ministerpräsidenten dann der Kragen. „Bild“-Vize Paul Ronzheimer habe sich mit vielen Soldaten unterhalten mit dem Ergebnis, dass sie ungeachtet der Brutalität nicht mit Russland verhandeln wollten: „Weil sie sagen, sie wollen nicht, dass die Russen näher an ihr Haus kommen, an ihre Frau, an ihre Mutter. Deswegen verteidigen sie die Ukraine.“ Orban konterte überheblich: Also, wenn ich Sie richtig verstehe, haben Sie gerade als Deutscher versucht, mir zu erklären, was es bedeutet, in der Nähe der Russen zu leben? Vergessen Sie nicht, dass wir in Budapest sind. Niemand kann die Ungarn über Russland belehren.“
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