Mit Album bald in Wien

Cigarettes After Sex: Schwermut im Hochsommer

Musik
11.07.2024 09:00

Fünf Jahre nach ihrem letzten Werk „Cry“ kehrt die Depri-Dream-Pop-Combo Cigarettes After Sex mit dem Konzeptalbum „X‘s“ zurück. Düstere Dunkelromantik trifft Beziehungsschwermut im Hochsommer. Besser ist der Live-Termin getimt: Am 3. November kommt das Trio in die Wiener Stadthalle.

(Bild: kmm)

Ein gewichtiger Teil von Erfolgen im Showbusiness liegt am richtigen Timing. Beliebig wirkende Musik kann schnell zum Topseller werden, wenn man gerade den Zeitgeist trifft oder im richtigen Moment die richtigen Töne anschlägt. Greg Gonzalez hingegen kann ein Lied davon singen, wie es nicht funktioniert. Der Sohn eines Videoverleihers aus El Paso in Texas wuchs mit tausenden von Videokassetten im Rücken auf und war früh besessen von der Frage, wie man als musikaffiner Mensch einen Song so zu schreiben vermag, dass er die Fantasie des Hörers beflügelt und möglichst cineastisch durch die Gehörgänge wabert. Als er mit seiner Band Cigarettes After Sex 2012 die EP „I.“ veröffentlicht, folgt die Ernüchterung auf dem Fuß. Sein romantischer Slowcore interessiert niemanden und das Projekt schien zu versinken, bevor es überhaupt in See stach.

Durch die Decke gegangen
Erst 2016 geht die Single „Nothing’s Gonna Hurt You Baby“ plötzlich viral, mit der 2017 veröffentlichten Single „Apocalypse“ bricht Gonzalez mit seinen Bandkollegen endgültig durch die Decke. Der Song wurde mittlerweile milliardenfach gestreamt und über die Jahre fragten sich immer Menschen, ob die Stimme hinter den sanften Klangpreziosen einer liebesbedürftigen Dame oder einem Eunuchen gehören wurde. Gonzalez‘ zartes Timbre wurde nur anfangs belächelt, über die Jahre aber zu einem untrüglichen Markenzeichen neben der schwermütigen Musik, die melancholischen Dream-Pop mit deutlich mehr Traurigkeit, Slowcore und Shoegaze-Elementen vermischt und damit eine in der Form noch nicht gehörte Mischkulanz heraufbeschwört.

Gonzalez selbst schwärmt bei seinen Idolen von unterschiedlichen Persönlichkeiten wie Françoise Hardy, Miles Davis oder die Cocteau Twins, denen er auf seinem dritten Album so nahe kommt wie nie zuvor. Da sind wir auch schon wieder beim eingangs erwähnten Thema Timing: Das neue Album „X’s“, eine knapp 40 Minuten lange Trauerpalette voll Schwermut und depressiver Kante, erblickt Mitte Juli das Licht der Welt. Zu einer Zeit, in der wir nicht genau wissen, ob wir ins nächste Freibad samt Eisdiele gehen, oder schlichtweg in der Gluthitze verbrennen sollen. Vom fragwürdigen Veröffentlichungszeitpunkt abgesehen, sollte man sich auch nicht von den Inhalten beirren lassen. Selbst wenn die Tonalität vermuten lassen mag, es ginge hier um eine Anleitung zum korrekten Pulsadern aufschlitzen - Gonzalez ist durchwegs Romantiker mit dem Hang zu entrückter Verruchtheit.

Atmosphäre und Mystizismus
Ganze fünf Jahre sind seit dem Vorgänger „Cry“ und „X’s“ vergangen. Dazwischen lag eine Pandemie, die wenige Livemöglichkeiten zuließ – trotzdem wurde die Band größer und größer. Im undurchschaubaren Medien-Dickicht der Gegenwart reichten dafür ein paar geschickte Platzierungen bei TikTok und aus den Cigarettes After Sex wurde eine Band der Stunde, die von Ende Sommer bis 2025 nun die gesamte Welt betourt und dabei in den üppigsten Hallen Station macht – in Wien z.B. macht man es nicht mehr unter der Stadthalle. Dabei haben Gonzalez und Co schon auf „Cry“ erste Abnützungserscheinungen gezeigt und scheiterten mitunter daran, dass man in einem klanglich sehr eng bemessenen Kosmos nicht so einfach die Erfolgsformeln der frühen Hits reproduzieren kann. Weiterhin verzichtet man auf Musikvideos und jegliche Form der Farbgebung. Im Klangparadies der Wahl-New-Yorker geht es ausschließlich um Atmosphäre und Mystizismus.

Die sinistre Dunkelromantik der beiden Vorgängeralben hat man sich mühelos behalten, konzeptionell verarbeitet Gonzalez auf „X’s“ in zehn verschiedenen Songkapiteln die Trennung von seiner Partnerin nach viereinhalb Jahren Beziehung. Nur durch die musikalische Umsetzung der Thematik, so Gonzalez über das Album, wäre es ihm möglich gewesen, den Bruch zu reflektieren, zu überdenken und schlussendlich zu verarbeiten. Wie gewohnt bedient man sich dabei einer Mischung aus offenen, teils expliziten Texten und einer belastenden Klangrhythmik, die man am besten bei einer heißen Tasse Tee, geschützt vor einem kühlen Wintersturm genießen sollte. Zwischen den persönlich gefärbten Songs wie „Tejano Blue“, „Dark Vacay“ oder „Baby Blue Movie“ liegt die Abwechslung im Detail. Gonzalez‘ Stimme wirkt im Direktvergleich zu den Vorgängern etwas maskuliner und dunkler, musikalisch macht man aber keine Anstalten, groß auf Abwechslung setzen zu wollen.

Live in der Wiener Stadthalle
Mit „X’s“ gelingt den Cigarettes After Sex in ihrem eng gesteckten Genre ein beachtenswerter Wurf, der sich aber kompositorisch nicht weit genug von seinen Vorgängern entfernt und in seinen schwächeren Stellen an eine Kopie der eigenen Bestleistungen erinnert. Am 3. November kommen Cigarettes After Sex – zu einer wesentlich passenderen Jahreszeit – mit dem neuen Album und den Hits der letzten Jahre in die Wiener Stadthalle. Unter www.ticketmaster.at gibt es noch Karten für das Konzerthighlight. Wer sich einmal so richtig ausweinen möchte – hier sind Sie goldrichtig!

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