31 Live-Spiele, neun davon über der Millionen-Zuseher-Marke (exkl. Finale) und als Höhepunkt das Achtelfinal-Spiel Österreich gegen Türkei mit dem Rekord von 2,4 Millionen Zusehern – ServusTV hat das Megaprojekt EM 2024 erfolgreich gestemmt. Sportchef Christian Nehiba blickt im „Krone“-Talk zurück und gibt tiefere Einblicke in einen Monat Ausnahmezustand.
„Krone“: Herr Nehiba, knapp vier Wochen intensive EM-Berichterstattung liegen hinter Ihnen. Geht der Job jetzt langsam an die Knochen?
Christian Nehiba: Das waren die härtesten, aber auch schönsten Wochen, die ich erlebt habe. Die Zeit hat uns ein bisschen an unsere Grenzen gebracht, aber wenn alles so gut läuft und sich der Erfolg einstellt, dann fällt einem auch alles ein bisschen leichter.
Über alles erstrahlen die rund 2,4 Millionen Zuseher, die beim Achtelfinal-Spiel zwischen Österreich und der Türkei dabei waren. Was bedeutet das für das gesamte ServusTV-Sportteam?
Ich bin sehr zufrieden und stolz darauf, was in dieser Zeit passiert ist. Wir haben uns eineinhalb Jahre lang auf dieses Riesenprojekt vorbereitet und es ist wundervoll, wenn alles so aufgeht wie jetzt – das ist nicht selbstverständlich. Wir hatten das Ziel, das Publikum zu unterhalten und ihm unsere Freude und Leidenschaft zu vermitteln. Das ist uns gelungen. Das Publikum hat das nicht nur angenommen, sondern auch wertgeschätzt. Die Quoten sind außergewöhnlich. Unsere hohen Erwartungen wurden übertroffen, aber das hängt auch mit den Erfolgen der österreichischen Nationalmannschaft zusammen. Sie hat es geschafft, ein Land zu vereinen und für eine Euphorie gesorgt, die in diesem Ausmaß nicht zu erwarten war.
Es haben sich in der Vorrunde aber auch mehr als eine Million Menschen Spanien gegen Georgien angesehen. Da merkt man, dass diese EM das Interesse der Menschen auf ein neues Level gehoben hat. Das haben auch wir gespürt. Die 2,4 Millionen sind ein besonderer Wert für die TV-Geschichte. Wir hätten uns aber schon gewünscht, dass unser Team noch eine Runde weiterkommt. Ganz offen gesagt, hätten wir es nach der Vorrunde auch erwartet. Wir sind aber bei keinem Wunschkonzert und müssen es so hinnehmen, wie es ist. Unterm Strich erfüllt mich dieses Projekt mit Demut und Dankbarkeit.
Inwiefern wollte sich ServusTV anders aufstellen und präsentieren, als es für gewöhnlich der ORF macht?
Mein Credo ist immer, dass Sport Unterhaltung und Emotion ist. Das haben wir durch unsere Kommentatoren, Moderatoren und Experten wie Steffen Freund und Jan Åge Fjørtoft hervorragend rübergebracht. Es war Infotainment auf höchstem Niveau. Wir haben uns viele Sachen wie das Quiz, den EM-Späti, die KI-Stimme Helga und die Zeugnisverteilung bei unserem Nationalteam getraut und hatten viele innovative Ideen. Alles in allem wollten wir neue Akzente setzen und das ist uns gelungen. Wir wollten unsere große Leidenschaft vermitteln, um auch die Zuseher damit anzustecken. Das ist die halbe Miete. In dieser Hinsicht haben wir uns sicher von anderen abgehoben.
Was hat während der letzten vier Wochen besonders gut funktioniert und wo sehen Sie noch Aufholbedarf?
Ganz ehrlich: Ich bin immer sehr selbstkritisch, aber viel kann ich an den letzten Wochen nicht aussetzen. Mich hat berührt, wie alles aufgegangen ist. Unser Team war hervorragend. Fjørtoft und Freund sind ein Kult-Duo geworden und auch die Experten von Martin Harnik und Sebastian Prödl über Florian Klein bis zu Neuzugang Zlatko Junuzović als ÖFB-Experte haben abgeliefert und viel Freude bereitet. Fortschritte sind wichtig und das funktioniert nur so, wenn man die Extrameile geht und sich jeder für jeden einsetzt. Das sind Plattitüden, aber am Ende des Tages war es so. Aus meiner Sicht ist wirklich alles aufgegangen. Die eine oder andere Rubrik hat sicher polarisiert und es wird nicht allen alles gefallen haben, aber das liegt in der Natur der Sache. Man kann es nicht allen recht machen. Der Gesamteindruck war dem Zuseher gegenüber aber sicher sehr positiv.
Was macht diese erfolgreiche EM mit Ihnen, der selbst lange Zeit beim ORF im Einsatz war?
Die EM macht auf jeden Fall was mit mir. Für einen Privatsender war das eine außergewöhnliche Herausforderung und mich hat ein paar Mal sehr berührt, was wir auf die Beine gestellt haben. Für mich schließt sich auch ein Kreis. Ich habe vor mittlerweile 20 Jahren den ORF verlassen und dort war eine Fußball-EM mein letzter Einsatz. Ich hätte nie gedacht, dass ich noch einmal eine Fußball-EM erlebe – noch dazu als Moderator und Sportchef. Das erfüllt mich mit großer Dankbarkeit. Heute, Sonntag, werde ich meine Karriere als Fußballmoderator beenden. Das Finale in Berlin ist meine letzte Sendung im Fußballbereich. Das ist ein würdiger Abschluss nach mehr als 30 Jahren.
Ist Ihre persönliche Zukunft darüber hinaus schon konkret?
Ich habe ein Team von mehr als 50 Mitarbeitern, das ist ein Full-Time-Job. Ich liebe es, Menschen zu führen, weiterzuentwickeln und Projekte zu gestalten. Das ist eine sehr schöne Aufgabe. Ich werde aber auch weiterhin das eine oder andere „Sport und Talk aus dem Hangar-7“ am Montag machen und Tennis kommentieren. Beim Fußball mache ich jetzt einmal den jüngeren Platz. (lacht)
ServusTVs Berichterstattung vom ÖFB-Team begann im März 2023 beim EM-Quali-Spiel gegen Aserbaidschan in Linz. Keine 15 Monate später wurde ein Großteil der EM übertragen. Gelang da in sehr kurzer Zeit übernatürlich viel?
Letztendlich hatten wir mit Champions League und Europa League große Projekte und konnten uns auf ein für die EM notwendiges Level einarbeiten. Es war notwendig, nicht von 0 auf 100 zu starten. Durch die WM in Katar vor zwei Jahren, die wir zusammen mit dem ORF machten, hatten wir Erfahrungen und konnten uns von dort weg vorbereiten. Für unsere Produktion war die EM eine unglaubliche Herausforderung, aber es gibt auch bei uns viele erfahrene Leute. Zusammen mit den jungen Hungrigen haben wir das gut gestemmt und sind im richtigen Tempo gewachsen.
Thema Experten: Brauchen diese Personen eine bestimmte Charakteristik, um bei ServusTV infrage zu kommen?
(lacht) Man muss für das Thema brennen. Das ist mir wichtig und das erkenne ich bei manch älteren Experten nicht mehr so. Jan Åge und Steffen sind kompetent, unterhaltsam und wissen genau, worauf es im TV ankommt – nämlich zu unterhalten. Sie gehen in jede Sendung so, als wäre es das EM-Finale und das spürt man. Sie haben so unendlich viele Sendungen gemacht, sind aber noch immer hungrig und leidenschaftlich. Das Gleiche gilt für die anderen Experten, die wir vier Jahre lang aufgebaut haben. Sie sehen sich nicht als externe Mitarbeiter, sondern als Teil der Redaktion, bringen sich ein und leben das Thema.
Uns war auch wichtig, die Expertenrollen mit Leuten zu besetzen, die eine Nähe zum Team, den aktuellen Spielern und zum Trainer haben. Sie sollen den modernen Fußball gut verstehen. Das kann auch schiefgehen, aber es ging voll auf. Bis zum Casting wussten wir nicht, dass etwa ein Florian Klein so ein Talent für diesen Job hat. Wir lassen den Experten viele Freiheiten und geben ihnen schnell eine Chance, sich zu bewähren – das haben sie uns zurückgezahlt.
Sollte Marko Arnautović wirklich die Lust am Fußball verlieren – sind Sie der Erste, der ihm ein Angebot als TV-Experte machen wird?
(lacht) Im Moment sind wir so gut aufgestellt, dass ich hoffe, dass er uns noch zumindest zwei Jahre als Spieler im Team erhalten bleibt. Die letzten Signale dahingehend waren durchaus positiv. Wir sind derzeit sehr gut aufgestellt, deshalb ist das kein Thema. Aber Marko Arnautović ist natürlich eine Figur, da brauchen wir gar nicht zu diskutieren.
Ist es das Bestreben von ServusTV, im Sportteam künftig noch diverser, offener oder gar inklusiver zu werden?
Es ist wunderbar, wenn es sich gut ergibt, dass Männer und Frauen in starken Rollen bei uns aktiv sind, aber ich schaue nicht auf eine Frauenquote, da bin ich eher ein Gegner. Es ergibt sich zum Glück bei uns gut, dass wir in allen Bereichen Top-Moderatorinnen haben – egal ob im Fußball oder in der Formel 1. Der Sport ist auch für sie eine Herzensangelegenheit und deshalb sind sie so gut. Es macht mich stolz, wenn eine Alina Marzi erstmals die große Fußballbühne betritt, diese Chance so hervorragend nützt und sich so gut beweist.
Wie hat denn Ihr Alltag während der vier stressigen Wochen ausgesehen? Viel Pizza und wenig Schlaf?
(lacht) Es war an der Grenze, das muss ich schon sagen. In den letzten vier Wochen hatte ich keinen freien Tag und war als Moderator und Sportchef natürlich mehrfach belastet. Wenn alles so funktioniert wie in diesem Team, dann geht es aber. Wäre Österreich früher ausgeschieden, wären die Quoten nicht so gut gewesen und hätte es im Team Probleme gegeben – es hätte schnell alles anders ausschauen können. Man kommt irgendwann in einen Flow und weiß gar nicht mehr, welcher Tag gerade ist. Es entsteht eine Eigendynamik, in der man als Team funktioniert und dann auch die 12- bis 15-Stunden-Tage gerne hat.
Was bedeutet der Erfolg dieser EM für Ihr Team?
Wir haben uns schon davor einen guten Namen gemacht und stehen für Qualität. Das haben wir jetzt auch einem großen Publikum zeigen können. Unterm Strich hoffe ich, dass wir etwas zur Popularität beitragen konnten. Für uns geht es weiter, wie bisher. Egal, ob das ein kleines Motorsport-Recht oder ein großes Fußball-Recht ist: Wir wollen alles mit Akribie, großer Leidenschaft und viel Qualität machen. Das wird uns wahrscheinlich auch in Zukunft gelingen.
ServusTV mischt auch im Tennis stark mit. Jetzt beendet das heimische Zugpferd Dominic Thiem bald seine Karriere. Treibt Ihnen das ein paar Schweißperlen auf die Stirn?
Es wird sicher schwieriger. Ich habe mich ganz klar wegen Dominic Thiem so stark für Tennis bei ServusTV eingesetzt. Mit dem Sport machen wir uns intern nicht nur Freunde. Wenn man am Vortag in der Besprechung sagt, dass man morgen das dritte Spiel nach 11 Uhr überträgt, dann stellt man einen nicht expliziten Sportsender durchaus vor große Herausforderungen. Ich habe aber gewusst, worauf ich mich da einlasse. Wir haben uns dahingehend zum Glück einen Namen gemacht und eine echte Tennisfamilie in der Redaktion.
Auf Dauer braucht man aber die Local Heros. Wir bauen stark auf Sebastian Ofner und das 18-jährige Talent Joel Schwärzler, das schon mehrmals aufgezeigt hat. Diese heimischen Zugpferde braucht man, die Turniere gewinnen und vorne mitspielen können. Thiem hat Tennis auf ein neues Level gehoben – wie unsere Nationalmannschaft im Fußball bei dieser EM. Mit Wien und Kitzbühel haben wir tolle Turniere, die wir hoffentlich weiter übertragen dürfen.
Zurück zum Fußball: Heute Abend steigt das große Finale - wer wird den Europameistertitel 2024 in Berlin holen?
Wenn ich ganz ehrlich bin, sollte es Spanien werden. Das wäre einfach nur gerecht, weil sie über das ganze Turnier hinweg überzeugten und den attraktivsten Fußball gespielt haben. Diese Art von Offensivfußball sollte belohnt werden. Die Spanier sind mein Europameister der Herzen.
Was war Ihr allerbester Moment in diesen vier Wochen?
Der Sieg Österreichs gegen die Niederlande. Das waren unvergessliche Emotionen, wo wir uns tränenüberströmt in den Armen lagen und uns einfach nur gefreut haben. Über den Erfolg für den Sender und auch für das österreichische Nationalteam. Wir waren als großes Team in Berlin und konnten das hautnah miterleben. Dieser Erfolg und der anschließende Gruppensieg waren so unerwartet, dass sie definitiv die Höhepunkte des Turniers waren.
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