Lijnders im Interview

„Wenn jemand nicht mitzieht, werde ich streng“

Salzburg
14.07.2024 08:00

Pepijn „Pep“ Lijnders spricht in seinem ersten großen Interview in Österreich mit der „Krone“ über sein Ja zu Red Bull Salzburg, sein aktives Coaching auf dem Trainingsplatz sowie seine Idee von Fußball. Zudem richtet er eine emotionale Botschaft an die Fans der Bullen.

„Krone“: Herr Lijnders, Sie verstehen und sprechen Deutsch sehr gut. Gerüchten zufolge, weil sie mal als Gärtner gearbeitet haben. Stimmt das?
Pepijn „Pep“ Lijnders: Nein, ich war kein Gärtner. Mein Vater hat aber Rosen gezüchtet. Er war in Norwegen, Schweden, Dänemark oder auch Deutschland. Ich habe das auch von klein auf gemacht. Ich mache keine Scherze: Dabei wiederholst du eine Bewegung an einem Tag dreitausend Mal. Jedenfalls kam ich so auch schon früh nach Deutschland. Die Sprache an sich habe ich schon in der Schule gelernt, aber dort habe ich sie dann auch mit dem Chef gesprochen.

Derzeit wird im Team nur Englisch gesprochen. Ist es ein Ziel, das in Zukunft auf Deutsch zu machen?
Ja, das ist es. Ich bin aber einer, der Leidenschaft und Emotionen transportieren will. Wenn du willst, dass die Spieler mit Feuer spielen, musst du es auch entzünden. Und dafür brauchst du selbst Feuer. Für mich wäre das auf Deutsch aktuell zu kompliziert, mit der Zeit wird das aber funktionieren. Viele unserer Spieler sprechen Englisch, daher ist das kein Problem. Aber: Nur wenn du die Sprache sprichst, lernst du auch die Kultur kennen. Deshalb muss ich das in der Zukunft machen. Das war auch in Portugal so. Ich konnte kein Wort, als ich nach Porto ging. Jetzt spreche ich fließend Portugiesisch.

Als Assistent von Jürgen Klopp, der zudem das Training von Liverpool jahrelang geleitet hat, konnten Sie aus mehreren Angeboten auswählen. Sie haben gesagt, für sie war schnell klar, dass es Salzburg werden sollte. Warum wollten Sie unbedingt hier Cheftrainer werden?
Ich liebe es, mit Talenten zu arbeiten. Ich war immer derjenige, der auch in der Akademie gearbeitet hat. Bei PSV, in Porto, auch in Liverpool. Es bereitet mir große Freude und macht mich stolz, junge Spieler nach oben zu bringen. Daher habe ich immer geschaut, wer die beste Akademie hat. Red Bull Salzburg ist in Europa nach Ajax und Benfica die Nummer drei, wenn es darum geht, Talente in die Top-5-Ligen zu bringen. Das war ein wichtiger Punkt für mich. Dazu mag ich es, wenn du in einer Liga spielst, in der du dominant agieren, zugleich aber auch europäisch spielen kannst. In Liverpool hat es mir sehr gefallen, dass wir alle drei Tage gefordert wurden. Ich mag den Rhythmus, wenn du auch unter der Woche spielst. Dazu habe ich mich über das Land, die Stadt, die Kultur und die Leute erkundigt und sehr viel Positives gehört. All das zusammen hat es mir einfach gemacht. Die Entscheidung fiel aber letztlich, als meine Familie nach Salzburg kam. Sie haben die Stadt, die Häuser, die Schulen, die Leute gesehen. Sie waren hier, bevor ich hierherkam. Da ich viel weg bin von zuhause und arbeiten muss, soll sich meine Familie besonders wohl fühlen. Und Salzburg ist eine wunderschöne Stadt.

Kommuniziert und korrigiert viel auf dem Trainingsplatz: Trainer Pep Lijnders, hier mit Stürmer Roko Simic. (Bild: Red Bull Salzburg/Andreas Schaad)
Kommuniziert und korrigiert viel auf dem Trainingsplatz: Trainer Pep Lijnders, hier mit Stürmer Roko Simic.

Sie haben erzählt, dass ihr Sohn Romijn Salzburg vermisst hat, nachdem er zum ersten Mal hier war.
Ja, als sie wieder im Flugzeug waren, hat er Salzburg schon vermisst. Als ich dann Benjamin, der noch gar nicht in Salzburg war, gefragt habe, ob er sich schon darauf freut, hat er gemeint, am liebsten wäre er schon gestern hierhergekommen. Das war unglaublich!

Fühlen Sie sich hier bereits zuhause?
Ja, von Anfang an. Die Leute machen eine Stadt zu dem, was sie ist. Das gilt auch für einen Klub. Hier sind die Leute sehr nett, sie haben uns willkommen geheißen.

Wie viel Ihrer Idee, was Fußball angeht, konnten Sie in der Mannschaft bereits implementieren?
Eine Menge. Ich muss den Spielern ein sehr, sehr großes Kompliment aussprechen. Ich kann ja die besten Ideen haben, wichtig ist aber, dass die Spieler mitziehen. Sie müssen das aufsaugen und lernwillig sein. Sie haben es mir viel einfacher gemacht, weil sie voll mitziehen. Unser Stil gefällt den Spielern, wir wollen viel in der gegnerischen Hälfte agieren, den Ball haben, ihn bei Ballverlusten sofort wiedererobern, um erneut zu attackieren. Das ist es, was die meisten Spieler auch wollen. Sie wollen nicht tief stehen und nur auf Konter lauern. Sie möchten dribbeln und schießen. Ich will so spielen lassen, dass sie sich rasch weiterentwickeln. Da haben wir schon viel weitergebracht. Ich weiß auch, dass es nicht immer linear nach oben geht, aber die Jungs machen das richtig gut und bringen Leben in unsere Idee rein.

Sie selbst bringen aber auch sehr viel Leben rein, sind enorm aktiv im Training, schnappen sich Bälle, geben viele Anweisungen, bewegen Spieler und korrigieren sie.
Das bin ich (lacht). Ich glaube fest daran, dass in der Vorbereitung Training unser bester Transfer ist. Mit Liverpool haben wir in der professionellsten, attraktivsten und größten Liga der Welt mit anderen konkurriert. Bereits dort habe ich daran geglaubt, dass der Trainingsplatz mein Büro ist. Deshalb wurde ich geholt, um dort einen Unterschied zu machen. Ich will jede einzelne Minute nutzen, um die Mannschaft in eine bestimmte Richtung zu bewegen, um sie zu inspirieren und noch mehr Initiative zu übernehmen. Die Karriere eines Spielers dauert nicht so lange. Unsere Spieler sind jung, ich will ihnen dabei helfen, das Beste aus sich rauszuholen. Da stecke ich meine Energie rein. Wenn ein Spieler das Eine tut und der nächste etwas Anderes, dann verursacht das Probleme. Wenn aber elf Spieler in dieselbe Richtung denken und einen gemeinsamen Plan verfolgen, kreiert das keine 100-Prozent-Idee, sondern eine 300-Prozent-Idee. Dafür musst du ganz klar sein und Dinge wiederholen. Und genau deshalb korrigiere ich die Leute, wenn sie sich nicht so bewegen, wie wir uns das vorstellen. Ich zeige ihnen, wie sie innerhalb unseres Weges agieren können. Innerhalb ist alles möglich, außerhalb aber nichts.

Im Training können Sie auch mal Strenge zeigen oder lauter werden. Als welchen Trainertypen sehen Sie sich selbst?
Wie gesagt: Solange sich die Spieler in unserer Idee bewegen, können sie sich alles erlauben. Sie bekommen Freiraum, sie sollen sich entfalten können. Jemand wie Oscar ist ganz anders als Mau(rits). Das heißt, man muss auf die Spieler eingehen. Wenn sie unserer Idee folgen, ist das super. Wichtig ist, dass der Teamspirit passt. Und wenn da jemand nicht mitzieht, dann werde ich streng. Oder auch, wenn jemand unserer Idee nicht folgt. Für gewöhnlich bin ich dann im Besprechungsraum mal lauter und nicht, wenn uns jemand zusieht (lacht). Ich sage immer, dass die fünf Minuten nach einem Spiel wichtiger sind als fünf Tage vor dem nächsten Spiel. Du musst Dinge sofort ansprechen und korrigieren. Genau das mache ich auch im Training. Probleme gehören sofort ausgeräumt. Und die Spieler müssen fühlen, dass jemand das große Bild im Auge hat. Das mache aber nicht nur ich, denn ich habe auch einen unglaublichen Betreuerstab.

Dort gab es einige Änderungen, Sie haben auch mehrere Leute mitgebracht, dafür mussten andere gehen. Warum war Ihnen das wichtig?
Im Fußball hat man nicht viel Zeit, um neue Ideen umzusetzen und ein wettbewerbsfähiges Team zu formen, das es mit jedem aufnehmen kann. Wenn du jeden Tag jedem alles von Anfang an erklären musst, dauert es, bis sie deinen Weg verstehen. Dann verlierst du sehr viel Zeit, um ein konkurrenzfähiges Team zu kreieren. Daher brauchst du auch Leute, die dich bestens kennen und mithelfen, diesen neuen Stil in ein Team zu bringen. Die Spieler müssen spüren, dass das Team hinter dem Team noch besser ist als die Mannschaft selbst. Ich wollte aber auch nicht mehr als drei, vier Leute mitbringen, weil es auch wichtig ist, die anderen Staff-Mitglieder einzubinden. Es wäre schlimm, alles komplett zu ändern.

Wie wichtig war Ihnen, dass die Klubführung mit Geschäftsführer Stephan Reiter und Sportdirektor Bernhard Seonbuchner dieselbe Vision von Fußball hat wie Sie?
Das ist elementar wichtig. Wenn wir nicht auf einer Wellenlänge wären, würde das alles keinen Sinn ergeben. Du lernst die Leute aber vor allem in schwierigen Zeiten kennen, weniger in den guten. Wenn du einen Vertrag unterschreibst, ist das immer toll. Aber ich hatte hier das Gefühl, dass es auch dann passt, wenn es vielleicht einmal schwieriger wird. Das kann auch in dieser Saison der Fall sein. Ich erinnere mich an das Jahr, als wir mit Liverpool die Champions League gewannen. Wir hatten eine katastrophale Gruppenphase und haben dann trotzdem den Titel geholt. In einem schlechten Klub gehst du in unruhigen Zeiten getrennte Wege, in einem guten bleibst du zusammen und in einem Topklub bist du gerade dann total geeint. Ich glaube ganz fest an das Kollektiv.

Pep Lijnders unterschrieb in Salzburg einen Vertrag bis 2027. (Bild: Tröster Andreas)
Pep Lijnders unterschrieb in Salzburg einen Vertrag bis 2027.

Oscar Gloukh wird den Klub in wenigen Tagen verlassen, um mit Israel an den Olympischen Spielen teilzunehmen, ihnen dafür aber länger fehlen. Wie sehen Sie diesen Fall?
Wir alle wissen, was für ein toller Spieler er ist und was für unglaubliches Potenzial er hat. Ich bin sehr froh, dass er für Salzburg spielt. Es ist kein Problem von Oscar oder vom israelischen Team, es geht eher darum, dass das Turnier nicht in den Fußballkalender passt. Ich will aber, dass er dort das Beste aus sich rausholt und bei den Spielen zeigt, was für ein toller Fußballer er ist. Dann soll er als noch besserer Spieler zurückkommen, der zudem an Erfahrung gewonnen hat. Eines ist auch klar: Ich kann es nachvollziehen, dass ein Spieler sein Heimatland immer vertreten möchte.

Er könnte in wichtigen Quali-Spielen für die Champions League ausfallen.
Das ist richtig, aber ich habe das Gefühl, dass unsere Mannschaft stark genug ist. Wir sind nicht von einem oder zwei Spielern abhängig. Wir sollten immer über das Kollektiv kommen. Wenn wir elf Spieler am Platz haben, die alle an einem Strang ziehen und eine Idee verfolgen, bin ich mir sicher, dass wir es schaffen können.

In der vergangenen Saison gab es viele Verletzte, auch aktuell fallen wieder mehrere Akteure aus. Wie gehen Sie damit um?
Akademie! Talente!

Ist das die einzige Lösung? Oder braucht es nicht doch auch Verstärkung von außen?
Die Idee, wenn du eine kleinere Mannschaft hast, ist, dass junge Spieler den nächsten Schritt machen können, wenn sich bei den Stammspielern welche verletzen. Die Akademie war ja ein wichtiger Grund, warum ich hierher wollte. Dieser Weg sollte immer offen sein, sie sollten immer mit offenen Armen empfangen werden, solange sie Teamplayer sind und sich zu unserer Idee bekennen. Dann sollen sie der Welt zeigen, wie sehr sie das wollen. Verletzungen bedeuten auch Möglichkeiten. Johan Cruyff, eines meiner Idole, sagte: Jeder Nachteil bringt auch einen Vorteil. Der Nachteil, dass Fernando nicht spielen kann, dass Taku länger nicht spielen kann, heißt, dass die Jungen mehr Möglichkeiten haben. Als ich jung war, habe ich den Ratschlag bekommen, immer darauf zu schauen, was ich habe. Und nicht darauf, was ich nicht habe. Wenn du im Fußball darauf schaust, was du nicht hast, dann wirst du sehr schnell enttäuscht sein (lacht). Ich sehe viel Talent bei uns. Ich habe Berni und Stephan gebeten, vier große Talente aus der Akademie mit ins Trainingscamp nehmen zu können. Das ist für sie eine Riesenchance. Um aber auch direkt auf die Frage zu antworten: Wir haben immer einen Blick auf den Markt. Wenn dieser etwas hergibt und wir uns verbessern können, dann machen wir was. Da geht es aber darum, Premiumtransfers zu tätigen, die unsere erste Elf verbessern. Wenn also wer kommt, muss er richtig gut sein.

Sie wollen im 4-3-3-System spielen lassen. Haben Sie dafür genug Flügelspieler?
Da versteht man mich falsch, ich will mit drei Torjägern spielen. Ein Torjäger kann auch am Flügel agieren. Ein Adam Daghim hat immer als Stürmer gespielt, jetzt spielt er als Stürmer am Flügel. Er kann sich gerne im Strafraum bewegen und dort als Torjäger glänzen.

Sehen Sie auch Karim Konate am Flügel oder eher im Zentrum?
Ich mag Spieler, die mehrere Positionen bekleiden können.

Luka Sucic und Strahinja Pavlovic stoßen nächste Woche zum Team, werden aber als heiße Transferaktien gehandelt. Planen Sie noch mit ihnen?
Solange sie bei Salzburg unter Vertrag stehen, betrachte ich sie als meine Spieler. Ich will ganz einfach Spieler, die nur eines wollen: Die Welt mit unserer Art des Fußballs überraschen. Jeder muss eine Entscheidung treffen, ob er Teil des Ganzen sein will. Viele wollen das, sie wollen der Welt ihren und unseren Weg zeigen. Wir wollen das Team sein, gegen das niemand spielen will. Das funktioniert nur, wenn alle auf dem Platz Leidenschaft zeigen und den nötigen Hunger haben.

Sie haben bei einem Topklub wie Liverpool als Co-Trainer gearbeitet, wo sich der Fokus auf Jürgen Klopp richtete. Jetzt arbeiten Sie bei einem kleineren Klub, dafür als Cheftrainer. Fühlen Sie nun mehr Druck oder war dieser in England höher?
Ich habe dort Verantwortung verspürt und hier genauso. Ich fühle nicht mehr Druck, aber es ist ein Unterschied, ob du Co-Trainer oder Cheftrainer bist. Zugleich sehe ich es als Privileg an, diesen Klub repräsentieren zu können und ein Teil des Vereins zu sein. Druck habe ich, dass die nächste Trainingseinheit die beste wird. Und die danach noch besser. Ich glaube nämlich daran, dass du 80 Prozent deiner Punkte schon am Trainingsplatz holst.

Welche Botschaft haben Sie an die Fans?
Schreit, so laut ihr könnt! Kommt ins Stadion! Kreiert eine Niemals-aufgeben-Mentalität! Die größten Fußballgeschichten wurden in den letzten zehn Minuten des Spiels geschrieben. Ihr sollt uns pushen, denn wir müssen spüren, dass wir in der Schlussphase noch richtig Gas geben können. Das ist entscheidend, um gemeinsam erfolgreich sein zu können.

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